Das Bestattungshaus Pütz-Sassen schließt nach 136 Jahren im Eigelstein-Viertel. Für Inhaber Frenk Ditscheid ist die Fahrradstraßen-Regelung das Problem.
„Hätte mich hier nie niedergelassen“Fahrradstraße wird zum Problem – Kölner Bestatter muss schließen
Als er seinen Laden am Eigelstein 76 zum letzten Mal zuschloss, konnte sich Frenk Ditscheid ein paar Tränchen nicht verkneifen. Mit dem letzten Betriebstag des Bestattungshauses Pütz-Sassen Mitte März endete im Eigelsteinveedel eine 136-jährige Tradition, die er die letzten 17 Jahre als Inhaber begleitet hatte. „Auch als ich die Hausschlüssel dem Vermieter übergab, war es ein sehr bewegender Moment für mich.“
Doch die Entwicklung in den vergangenen Jahren habe ihm keine Wahl gelassen. „Mit Einführung der Fahrradstraße am Eigelstein sind die Umsätze brachial zurückgegangen.“ Angehörige, naturgemäß oftmals im fortgeschrittenen Alter, hätten deswegen nicht mehr ohne weiteres zum Laden gelangen können.
Särge konnten nicht jenseits der erlaubten Zeiten transportiert werden
Hinzu seien die dadurch bedingten eigenen logistischen Probleme gekommen – wenn etwa kurzfristig, außerhalb des dem Lieferverkehr zugestandenen Zeitraums, Särge oder weiteres Betriebsmaterial transportiert werden mussten: Die entsprechende Ausnahmegenehmigung hätte 470 Euro gekostet – pro Jahr und Fahrzeug und nicht innerhalb der Pkw des Firmen-Fuhrparks übertragbar. „An einer Fahrradstraße, ohne Möglichkeit der Zufahrt, hätte ich mich niemals niedergelassen.“
Ditscheid, der ein eigenes Bestattungsinstitut an der Stammheimer Straße 120 in Riehl und Filiale in Niehl führt, hatte den 1888 gegründeten Betrieb Pütz-Sassen 2007 übernommen, damals noch an der Weidengasse. Von dort zog er 2017 direkt an den Eigelstein um. Die Auszeichnung der Innung zum 135-jährigen Bestehen des Instituts war die letzte, die er entgegennahm, als Vertreter eines der ältesten Unternehmen des Viertels. Den Namen Pütz-Sassen will er jedoch weiterführen – als Zweitinstitut an seinem Firmensitz in Riehl.
Seit September 2021 größtenteils autofrei
Nach dem entsprechenden Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt im März 2021 wurde am Eigelstein im September die Fahrradstraße eingeführt. Seitdem ist sie zwischen Eigelsteintorburg und Machabäerstraße autofrei, mit wenigen Ausnahmen: Lieferverkehr ist zwischen 6 und 11 Uhr morgens zulässig, die Querung des Eigelsteins von Unter Krahnenbäumen zur Eintrachtstraße weiterhin möglich.
Der Verkehr von der kleinen, für Anlieger freien Straße Im Stavenhof, die als Einbahnstraße in den Eigelstein mündet, wird von dort nach 25 Metern rechts in die Dagobertstraße abgeleitet. Begleitend zur Fahrradstraße hat die Stadt Baum- und Beetkübel aufgestellt, das Fahrradparken neu geordnet sowie die Bürgersteige stellenweise verbreitert. Das Aktionspaket soll die Aufenthalts- und die Lebensqualität im Viertel steigern sowie die Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr verbessern.
Ditscheid sieht noch weitere Probleme im Veedel
Es sei auffällig, dass viele Geschäfte im Umkreis ebenfalls Probleme hätten, sagt Ditscheid. Derzeit stehen in der Nähe seines alten Ladens ein früherer Juwelier, ein Waschsalon, ein direkt dem früheren Salon benachbartes Ladenlokal sowie ein Telekommunikations-Geschäft leer.
Neben den Verkehrs-Einschränkungen sieht er auch die vom Ebertplatz aus ins Veedel drängende Drogenszene als Problem: Vor leerstehenden Läden böten sich „ideale“ Niederlassungs-Möglichkeiten für das Klientel. Ein Gastronom aus der Nähe berichtet im Gespräch von häufigen Bedrohungen. In einem Fall hätte sich jüngst ein Mann mitten am Tag splitternackt ausgezogen, habe sich vor dem Nachbarlokal hingehockt und defäkiert.
Bürgerverein Kölner Eigelstein weist Darstellung zurück
Der Bürgerverein Kölner Eigelstein, der sich für die Autofreiheit auf der Meile eingesetzt hat, weist Ditscheids Klagen zurück. „Autos will hier keiner mehr, niemand aus der Politik und auch die Mehrheit der Geschäftsleute nicht – und wir sowieso nicht“, so der Vorsitzende Burkhard Wennemar. „Manche Händler führen Umsatzrückgänge auf die Fahrradstraße zurück, aber das ist vorgeschoben.“ Neben Nachwirkungen von Corona und der Inflation könnten unter anderem auch ein Strukturwandel hinter Umsatzrückgängen stecken.
Im Gegenteil strebe man nun sogar an, die Fahrradstraße in eine Fußgängerzone mit „Radverkehr frei“-Regelung umzuwandeln. Hierzu hat der Bürgerverein einen Bürgerantrag zur nächsten Bezirksvertretung-Sitzung am 25. April eingereicht. „Wir hatten damals für die Fahrradstraße plädiert, um Konflikte zwischen Fußgängern und Radlern zu vermeiden. Doch diese gibt es kaum, Unfälle sind uns nicht bekannt“, so Wennemar.
Er radle selbst regelmäßig über den Eigelstein. Die vor kurzem in südlicher Fahrtrichtung eingerichtete neue Fahrradspur entlang der Turiner Straße, parallel zum Eigelstein, schaffe zudem eine sinnvolle Alternative für den Durchgangs-Radverkehr; auch in nördlicher Richtung ist eine Spur geplant. „Eine Fußgängerzone passt den rechtlichen Rahmen den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Eigelstein an.“