Kosten bei Kölner GroßprojektenWas man über den geplanten Risikopuffer wissen muss
Köln – Die Sanierung der Kölner Bühnen? Ein Drama samt Kostenexplosion auf bis zu 652 Millionen Euro. Das Jüdische Museum samt Archäologischer Zone? Ist mittlerweile bei bis zu 127 Millionen Euro angelangt. Die Stadt und ihre Großbauprojekte: Dauern länger und kosten mehr. Knapp 440 Millionen Euro mehr als geplant kosten die 102 Großbauprojekte laut einer Liste aus dem Vorjahr. Wobei die Summe eine rechnerische Größe ist, weil die Projekte unterschiedlich weit fortgeschritten sind.
Jetzt will die Stadt bei Großprojekten einen pauschalen Risikopuffer von 25 Prozent zusätzlich zu den Baukosten einführen, bislang betrug er sieben bis zehn Prozent. Das sehen die Reformkommission der Bundesregierung zu Großbauprojekten und Experten kritisch. Markus Koschlik, Professor im Studiengang Bauingenieurwesen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach, sagt: „Pauschale Risikozuschläge sind nicht zielführend, da Risiken sehr spezifisch sind hinsichtlich der Art, der Eintrittswahrscheinlichkeit und der potenziellen Schadenshöhe.“ Will die Verwaltung sich also einen pauschalen Freibrief für Mehrkosten ausstellen lassen? Die Verwaltung verneint das. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Worum geht es konkret?
Um die Bauprojekte der städtischen Gebäudewirtschaft, sie kümmert sich beispielsweise um Museen und Schulen. Vor allem das Sanieren alter Häuser birgt Risiken, Generalsanierungen etwa des Römisch-Germanischen Museums aus den 70er-Jahren. Oder komplexe Bauvorhaben wie die Archäologische Zone samt Jüdischem Museum, dort beträgt der Risikopuffer mittlerweile 15,24 Millionen Euro und 13,7 Prozent.
Was sind überhaupt Risiken?
Beispielsweise Insolvenzen der Baufirmen, die den Arbeitsablauf der Firmen ins Wanken bringt, bis zum möglichen GAU: dem Baustopp. Die Verträge müssen neu verhandelt werden, Zeit geht ins Land, Zeit kostet Geld. Andere Risiken sind archäologische Funde, Bombenfunde, Planungsfehler oder ein erhitzter Markt mit Bauangeboten, die über dem Ansatz der Stadt liegen. Bislang listet die Gebäudewirtschaft Risiken für Großprojekte in monatlichen Berichten für den Stadtrat. Per Ampel-System bewerten Experten sie mit Rot (hohe Wahrscheinlichkeit), Gelb (geht so) und Grün (alles in Ordnung).
Um welche Kosten geht es genau?
Große Bauprojekte haben einen ähnlichen Ablauf: Zunächst macht der Rat Geld für die Planung frei, zu diesem Zeitpunkt gibt es eine erste Schätzung über die Gesamtbaukosten. Es ist eine Zahl, die mit den Baukosten am Ende wenig zu tun hat. Danach gehen die Experten in die Tiefe, am Ende der dritten von neun Phasen der Honorarordnung für Architekten liegt eine neue Summe vor.
Dann entscheidet der Rat, ob gebaut wird oder nicht, der Baubeschluss. Bislang hat die Gebäudewirtschaft auf diese Summe sieben bis zehn Prozent Puffer aufgeschlagen, jetzt sollen es 25 Prozent werden. Für ein Projekt mit 100 Millionen Euro läge der Puffer bei zusätzlichen 25 Millionen Euro. Es geht beim Puffer darum, die Risiken vom Baubeschluss bis zur Fertigstellung abzufangen.
Warum sollen es jetzt 25 Prozent werden?
Die Gebäudewirtschaft hat ihre Projekte analysiert, sie werden durchschnittlich 23 bis 27 Prozent teurer. Laut Wolfgang Behrisch, Vize-Chef der Gebäudewirtschaft, sind die 25 Prozent eine Mischkalkulation. In ihrer Mitteilung an den Rat begründet die Verwaltung: „Gleichzeitig werden Politik und Verwaltung entlastet, da die Anzahl der Kostenfortschreibungsbeschlüsse reduziert wird.“ Eine bemerkenswerte Aussage: Demnach ist es zu viel Arbeit für Verwaltung und Rat, sich mit Kostenanstiegen zu beschäftigen?
Was sagen Experten dazu?
Projektmanager Klaus Grewe gehörte der Reformkommission des Bundes an, sie analysierte, wie Städte die typischen Fehler bei Großbauprojekten vermeiden können. Auf die Frage, ob das Vorgehen der Stadt gut ist, sagte Grewe: „Nein, das ist nicht gut und falsch. Risikoaufschläge müssen gerechnet werden, sie können dann auch über 25 Prozent liegen oder auch darunter, alles andere ist lesen in der Glaskugel.“
Der Vergleich
Frankfurt/Main: Die Stadt kalkuliert laut eigener Aussage „für unvorhergesehene Risiken bei Bauprojekten im Neubau 6 bis 8 Prozent der Kostenberechnungssumme und bei Sanierungen im Bestand 10 bis 12 Prozent“. Allerdings: Dazu kommen noch Preissteigerungen für Baupreise. Die rechnet Köln in die Baukosten ein und ermittelt danach den 25-Prozent-Zuschlag.
Bonn: Das Gebäudemanagement setzt laut eigener Aussage „bei Neubauprojekten in der Regel 10 Prozent und bei Sanierungen zwischen 20 und 40 Prozent, je nach Komplexität der Baumaßnahme, an. Bei Tiefbau-Großprojekten wird der Puffer für jedes Projekt individuell festgelegt – je nach Einschätzung des Kostenrisikos.“
München: Allgemein geht die Stadt München ganz zu Beginn der Planungen von 17,5 Prozent Risikozuschlag aus, der aber sinkt, je detaillierter die Planungen sind, letztlich sind es zwischen 5 und 12 Prozent. (mhe)
Eine weitere Gefahr führt der Bericht der Kommission an: „Die Bildung von Rücklagen für Risiken im Haushalt darf nicht dazu führen, dass sich die Projektverantwortlichen weniger um die Vermeidung und Minderung von Risiken kümmern als ohne die Risikovorsorge (...).“ Nach dem Motto: Der Risikopuffer ist ja da, das wird schon. Im Bericht heißt es: „Mit pauschalen Ansätzen geht der Anreiz zu einer differenzierten Betrachtung von Einzelrisiken zurück, was oft in einer fehlenden Maßnahmenplanung endet.“
Was sagt die Stadt dazu?
Sie verteidigt sich, spricht lediglich von einem ersten Schritt, um die Kostengenauigkeit zu erhöhen, Behrisch sagt: „Es ist nicht so, dass wir die 25 Prozent pauschal ansetzen und damit einen Freifahrtsschein gegenüber der Politik erlangen wollen. Der Ansatz von pauschal 25 Prozent ist eine Übergangslösung, bis wir ein System entwickelt haben, wie wir die einzelnen Risiken besser als bisher erfassen.“ Baudezernent Markus Greitemann sagt: „Der 25-Prozent-Risikozuschlag ist dafür da, eine Bewertung zum Zeitpunkt des Baubeschlusses durch den Stadtrat zu haben. Das wird jedoch nicht die Bewertung der einzelnen Risiken ersetzen.“ Er soll frühzeitige Informationen liefern, wo die Reise hingeht bei den Kosten.
Und wie geht es jetzt weiter?
Gute Frage. In der Mitteilung der Stadtverwaltung heißt es ziemlich final ausgedrückt: „Auf Basis dieses Richtwerts hat die Verwaltung entschieden, künftig in allen Bauprojekten der Gebäudewirtschaft einen Risikozuschlag von 25 Prozent anzusetzen.“ Doch daraus wird wohl nichts, Teile der Politik haben Nachfragen und das Thema vertagt. Die Linken lehnen es ab. Behrisch spricht nun gegenüber der Rundschau nur noch von einer Handlungsempfehlung, verweist auf eine Anregung zur Erhöhung des Risikobudgets aus dem Ausschuss Gebäudewirtschaft aus dem Jahr 2019.
Gibt es eine zentrale Kontrolle der Bauprojekte?
Nein. Das Projekt verzögert sich, dabei hatte Kämmerin Dörte Diemert im Februar 2020 zur Rundschau gesagt: „Um die Projekte und die finanziellen Ressourcen besser steuern zu können, benötigen wir einen zentralen Gesamtüberblick über unsere Großprojekte. Ein gutes und möglichst umfassendes Finanzcontrolling ist daher zwingend erforderlich und deswegen führen wir es jetzt ein.“ Aus dem Jetzt wurde aber bislang nichts.