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Nach Kunst-Raub in KölnFenster im Museum für Ostasiatische Kunst nur notdürftig geflickt

Lesezeit 5 Minuten
Das Museum für Ostasiatische Kunst am Freitagnachmittag.

Das Museum für Ostasiatische Kunst am Freitagnachmittag.

Ins Haus am Aachener Weiher kehrt der Alltag zurück. An der Einbruchstelle scheinen die kurzfristigen Sicherheitsmaßnahmen eher improvisiert.

Als wäre nichts gewesen, hämmert Wettergott Raijin noch immer auf seine Trommeln ein, um den Donner zu entfesseln. Ein paar Meter weiter zeigt sich auch die Holz-Skulptur des grimmigen Vogelwesens Karura mit seiner Querflöte unbeeindruckt von dem, was sich in der Nacht auf Mittwoch im Museum für Ostasiatische Kunst abgespielt hat. Am Freitagnachmittag, Tag drei nach dem Einbruch im Haus am Aachener Weiher, herrscht in der Ausstellung Totenstille. Ungewöhnlich ist das nicht. Für ein buntes Treiben ist das Museum schließlich nicht bekannt.

Wer das Museum vor dem Kunst-Raub nicht kannte, dem wird es vermutlich kaum auffallen. Doch der Ausstellungsraum, in den die Diebe einstiegen und Vasen, Töpfe und Schalen im Millionenwert mitgehen ließen, ist logischerweise deutlich leerer als vorher. Die drei Vitrinen, aus denen die Exponate entwendet wurden, hat das Museum entfernt. Ein Doucai-Topf aus der Ming-Dynastie, an dem die Diebe offenbar kein Interesse hatten, steht ziemlich verloren mitten im Raum. Nur die Infotafel über das „kaiserliche Porzellan aus China“, deutet darauf hin, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Im Fenster, durch das die Täter in das Museum gelangten, hängt nun ein milchiges Plexiglas im Rahmen, notdürftig mit einer Art Alufolie befestigt.

Eine sorgfältige und sachgemäße Neubestückung der Ausstellung ist innerhalb weniger Tage nicht machbar, Planungen dafür sind gerade in Arbeit
Stadt Köln

Mehr als eine notdürftige Reparatur ist das nicht. Auch die Dauerausstellung wird vorerst nicht durch neue Exponate ergänzt. „Eine sorgfältige und sachgemäße Neubestückung der Ausstellung ist innerhalb weniger Tage nicht machbar, Planungen dafür sind gerade in Arbeit“, teilt eine Stadtsprecherin am Freitag mit. Ob nun die Sicherheitsmaßnahmen erhöht wurden? „Ja“, heißt es seitens der Stadt.

Wie berichtet, hatten Unbekannte schon im Januar und Juni erfolglos versucht, in das Museum einzubrechen. Nach der Tat im Juni war ein beschädigtes Fenster nur durch eine Sperrholzplatte gesichert gewesen, eine so genannte „Notverglasung“. Durch dieses Fenster gelang nun beim dritten Einbruch der Diebstahl von Exponaten im Millionenwert. Liegt es da nahe, dass es dieselben Diebe waren? „Das ist nicht auszuschließen“, sagt Kriminaldirektor Martin Mehlhorn vom Landeskriminalamt NRW (LKA). Als Leiter des Dezernats 31 ist er unter anderem zuständig für den Austausch mit dem Bundeskriminalamt bei Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgütern.

Museum für Ostasiatische Kunst: Auftragsdiebstahl laut LKA-Experte denkbar

Wurde der Einbruch von Profis verübt, die den Coup von langer Hand geplant und vorbereitet haben? Zu den konkreten Ermittlungen wolle er sich nicht äußern, betont Mehlhorn auf Anfrage der Rundschau. „Aber allgemein kann man sagen: Wenn gezielt wertvolle historische Porzellanobjekte aus einem Museum gestohlen werden, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass so ein Einbruch von Gelegenheitstätern verübt wurde. Also von Menschen, die nachher gar nicht wissen, was sie mit der Beute anfangen sollen. In so einem Fall liegt es sehr nahe, dass es Profis waren, die wissen, wie man die Beute zu Geld macht. Das sind spezialisierte, sehr rational handelnde Täter.“

Nahansicht des notdürftig reparierten Fensters, in das die Täter in der Nacht auf Mittwoch eingestiegen sind.

Nahansicht des notdürftig reparierten Fensters, in das die Täter in der Nacht auf Mittwoch eingestiegen sind.

Dass es sich in Köln um einen Auftragsdiebstahl gehandelt haben könnte, sei denkbar, so Mehlhorn. Verschwinden die gestohlenen Vasen also für immer in einer Privatsammlung? Derartige Objekte seien auf dem Kunstmarkt praktisch unverkäuflich, so der Experte. Sie könnten nur auf dem Schwarzmarkt verkauft werden oder dem Graumarkt, einem Nischenmarkt zwischen legal und illegal. „In der Regel verschwinden sie Jahre oder Jahrzehnte von der Bildfläche, bis sie irgendwo auf einer öffentlichen Auktion oder im Internet wieder auftauchen. Manchmal bieten die Täter auch an, sie den Eigentümern gegen Zahlung eines hohen Geldbetrags zurückzugeben.“

Solche Erklärungsversuche, wie sie bereits in Büchern und Filmen thematisiert werden, sind nicht unrealistisch.
Kriminaldirektor Martin Mehlhorn (LKA)

Beim Einbruch im Januar hatten die Täter bereits Vasen zurechtgestellt, sie dann aber zurückgelassen, weil die Tat aufgefallen war. Bei dem jetzt gestohlenen Porzellan handelt es sich laut Polizei um andere Exponate.

Hat die Polizei bei solchen Profis eine Chance, die Einbrecher dingfest zu machen? „Vielleicht haben die Täter Fehler gemacht. Dann gibt es Ansatzpunkte“, sagt Mehlhorn. „Möglicherweise lassen sich Spuren sicherstellen – etwa an dem Deckel der Vase, den die Täter zurückgelassen haben.“ Und was sagt der LKA-Experte zu Berichten, reiche Chinesen würden gezielt chinesische Kunst aus europäischen Museen stehlen lassen, um die einst von Kolonialmächten geraubten Kunstgegenstände „nach Hause“ zu holen? „Solche Erklärungsversuche, wie sie bereits in Büchern und Filmen thematisiert werden, sind nicht unrealistisch. Aber uns liegen dazu keine Erkenntnisse vor.“


Spektakuläre Diebstähle chinesischer Kunstwerke

Elf chinesische Porzellanobjekte wurden am 13. Februar 2023 aus dem niederländischen Nationalmuseum für Keramik im Princessehof in Leuwaarden geraubt. Zwei Wochen vorher hatte es dort ebenfalls einen erfolglosen Einbruchsversuch gegeben - eine Parallele zu Köln. Auf der Flucht ließen die Diebe sieben der Objekte fallen, sie gingen zu Bruch. Die anderen vier sind verschwunden.

2015 stahlen Unbekannte aus Schloss Fontainebleau bei Paris herausragende asiatische Kunstwerke, die französische Truppen im 19. Jahrhundert aus dem alten Sommerpalast in Peking hatten mitgehen lassen. Weitere spektakuläre Diebstähle chinesischer Kunst ereigneten sich 2019 in Genf, Schweiz, 2013 und 2010 in Bergen, Norwegen, 2012 im Oriental Museum der Durham University, England, und im Fitzwilliam Museum, Cambridge, sowie 2010 im Chinesischen Pavillon des schwedischen Königspalastes, Stockholm.

In Investigativberichten wird spekuliert, Chinas Regierung und reiche Chinesen würden seit 2010 immer offensiver das Ziel verfolgen, in der Kolonialzeit aus China geraubte Kunstwerke zurück in die Heimat zu holen, auch auf illegalem Weg. Dieses Thema diente bereits als Romanvorlage. (fu)