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Aus nach fast 100 JahrenKölner Fachgeschäft „Stoff Müller“ schließt Ende Februar

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau steht inmitten von Stoffballen.

Sandra Haschke-Hagdorn hat 2016 Stoff Müller von ihrem Vater übernommen.

Das Geschäft ist eine Institution in Köln: „Stoff Müller“ am Offenbachplatz. Aber das Ende ist eingeläutet. Ein Räumungsverkauf läuft.

„Räumungsverkauf“ verkünden große Banner an der Fensterfront von Stoff Müller am Offenbachplatz direkt gegenüber der Opernbaustelle. „Ja, es stimmt, wir schließen“, erklärt Inhaberin Sandra Haschke-Hagdorn immer wieder. Ende Februar soll das letzte Mal Stoff verkauft werden.

„Ich bin traurig und die Kunden sind es auch. Immer wieder bekommen wir das zu hören“, sagt Haschke-Hagdorn. Es gibt gleich mehrere Gründe dafür, dass das Traditionsgeschäft, das Julius Müller 1930 gründete, geschlossen wird. „Das Haus wird umgebaut, und die Mieten in der Innenstadt werden immer höher. Gleichzeitig wird die Innenstadt immer unattraktiver“, sagt die Inhaberin, die das Geschäft 2016 von ihrem Vater übernommen hat. Der wiederum war Lehrling bei Müller gewesen.

Personalmangel führt zu Schließung

Der wichtigste Grund aber, weshalb Haschke-Hagdorn aufgibt, ist der Personalmangel. „Ich finde einfach keine Mitarbeiter mehr“, klagt sie. Einige sind in Rente gegangen, nachgekommen ist niemand. Aber wiedergekommen.

Christine Bromand, die mit 70 eigentlich schon in Rente ist, hilft aus. „1968 haben wir bei Stoff Müller mit sechs Lehrlingen angefangen. Das war die Adresse für Stoffe und Kurzwaren“, sagt sie. Von überall her seien die Kundinnen und Kunden gekommen. Aus der Eifel, aus dem Bergischen und sogar aus Duisburg. Viele waren Stammkundschaft. Schneider und Schneiderinnen aber auch Frauen, die für sich und ihre Familie nähten. Sie kamen mit Ideen, und das Fachpersonal half dabei, dass diese umgesetzt werden konnten.

Eine Frau zwischen Stoffballen.

Räumungsverkauf bei Stoff Müller, Christina Bromand ist seit 1968 Mitarbeiterin

„Ich liebe diese Firma. Ich bin fast mein ganzes Leben hier gewesen “, sagt Bromand, die mit 15 ihre Lehre begonnen hat. Kurzwaren, also Bänder, Nähgarn, Reißverschlüsse und Knöpfe sind ihr Spezialgebiet. Die Fachfrau für Stoffe ist Angelika Lesser. Auch sie ist schon seit 1986 dabei. „Ich habe Stoffe von der Pike auf gelernt“, sagt sie nicht ohne Stolz. Wolle, Cord, Seide, Tweed, Spitzen in allen möglichen Ausführungen - ganz gleich, welches Material ein Kunde möchte, Lesser weiß Bescheid und kann helfen.

Tausende Stoffe unter einem Dach

Tausende verschiedene Stoffe gibt es bei Stoff Müller, das 2009 aus der Schildergasse an den Offenbachplatz gezogen ist.„Mode, Deko, Kinderstoffe und Karnevalsstoffe“, unterteilt die Inhaberin, während sie mit einer Elle aus Holz den Stoff abmisst. Es ist viel los im Geschäft, das vor einigen Wochen wegen des Personalmangels bereits auf ein Drittel der ursprünglichen Fläche verkleinert wurde. Das Untergeschoss und ein Teil im Nebengebäude werden nicht mehr genutzt.

Außenansicht des Geschäfts Stoff Müller.

Räumungsverkauf bei Stoff Mülle.

„Ich möchte einen hellgrünen Cordstoff, der ein bisschen samtig ist“, sagt ein junger Mann, der zum ersten Mal im Geschäft ist. Er möchte erstmals einen Vorhang nähen. „Es kaufen immer mehr Männer bei uns ein. Und die Kunden kommen aus allen Altersstufen“, sagt die Inhaberin. Vor allem die Reste gehen gut weg. „Bis vor kurzen hatten wir immer noch Kindertüten mit Stoffresten, aber wir schaffen es nicht mehr, die zu machen“, bedauert Haschke-Hagdorn.

Vieles ist reduziert

Vieles im Geschäft ist reduziert. Selbst die Regale stehen zum Verkauf. Trotzdem bleibt die Beratung nicht auf der Strecke. „Für eine Hemdbluse brauchen Sie einmal die Länge und die Arme“, sagt Lesser gerade zu einer Kundin, die vor den einfarbigen Baumwollstoffen steht. „Warenkunde ist wichtig. Wir sind schließlich ein Fachgeschäft“, sagt Lesser.

Viele Kunden fassen die Stoffe auf den Regalen an. „Das ist in Ordnung. Stoff kauft man auch mit den Fingern“, weiß Haschke-Hagdorn. Auch sie hat bei Stoff Müller gelernt. Und ganz aufgeben will sie nach der Schließung nicht. „Vielleicht gehen wir dann auf Stoffmärkte“, sagt sie.