Nolte-Bier aus EhrenfeldKölner Bier muss nicht immer ein Kölsch sein

Paul und Elisabeth Nolte freuen sich über ihr Produkt, das ganz in Kölscher Braukultur steht.
Copyright: Meike Böschemeyer
Köln – Die Sache mit dem Bier war in Köln viele Jahre lang ganz einfach. Bier gleich Kölsch, und Kölsch wird nach einem ganz bestimmten Verfahren hergestellt. Die Unterschiede waren und sind für Außenstehende nicht immer leicht zu bestimmen.
Aber das war nicht immer so. Auch in Köln wurde lange untergäriges Bier gebraut, etwa bei Sester in Ehrenfeld. Und genau da knüpfen nun Paul und Elisabeth Nolte wieder an: Sie haben Opa Sesters „Cristall“ wiederbelebt, ein untergäriges Lager, nicht einfach zu verorten: In Geruch und Farbe an klassisches Helles aus dem Süden der Republik erinnernd, im Geschmack aber erstaunlich spritzig und eher an schlanken Pilsenern orientiert. Mit ordentlicher, aber nicht übertriebener Bitternote – ganz anders aufgebaut als die heimischen Platzhirsche.
Enkel eines großen Brauers
Paul Nolte, 32 Jahre jung, ist der Enkel von Hermann Sester, einem der ehemals großen Namen der Kölner Brauer-Gilde. Sester gibt es heute noch, gehört aber seit Mitte der 90er Jahre zum Haus Kölscher Brautradition und hat mit Paul Nolte nichts mehr zu tun. Der kam bereits mit einem Brauer-Gen auf die Welt: „Der Geruch, wenn die Maische aufkocht – das ist für mich Heimat.“ Muss man mögen. Paul tat es und konnte fortab nicht mehr von der Braukunst lassen.

Im ehemaligen „Vogelsanger Hof“ befindet sich heute im Erdgeschoss der Vertrieb.
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Trieb sich im Betrieb herum, sog Düfte, Geschmäcker und Rezepturen in sich auf, machte bereits mit zwölf Jahren seine ersten Praktika. Studierte Betriebswirtschaft unter anderem in den Niederlanden und in Dänemark, sammelte Erfahrungen bei Sünner und Früh und merkte schon bald, dass Brauen sehr viel mehr ist als Zutat und Rezept: „Das reicht von der Biologie über die Chemie zur Physik bis in die Elektrotechnik hinein“, sagt Nolte. Nicht immer sein Fall, aber unabdingbar, um sein großes Ziel zu erreichen – den Brau- und Malzmeister. Den machte er dann an der Doemens Akademie bei München. Das Zertifikat zeigt er gerne und mit einigem Stolz – „mit dem BWL-Abschluss würde ich das sicher nicht tun“, sagt Nolte lachend. Mittlerweile ist dann auch der Bier-Sommelier noch dazugekommen.
Nur ein Wunsch: Zurück nach Köln
Einige Jahre lang gab es kaum Verbindungen nach Köln, Paul Nolte versuchte sich im Münchner Einzelhandel, machte einen Abstecher zu Anheuser-Busch (nach Absatz die größte Brauereigruppe der Welt) und hatte doch nur den einen Wunsch: Zurück nach Köln, die eigene Brauerei aufmachen und Opas Rezept neu auflegen.
Im Spätherbst 2019 war es dann soweit. Noch nicht mit der Brauerei, aber mit dem eigenen Bier. Nolte, mittlerweile verheiratet, hatte Glück und konnte die ausgediente Eckkneipe direkt gegenüber der ehemaligen Sester-Brauerei in Ehrenfeld pachten. Sie dient heute als „Hauptquartier“. Gebraut aber wird in Oberfranken, bei der Familienbrauerei Rittmayer. „Dafür sind wir sehr dankbar. Es ist nicht leicht, in einer Brauerei freie Chargen zu bekommen, in denen man sein eigenes Bier brauen kann.“ Etwa einmal im Monat fährt Nolte nach Bayern, mischt, setzt an, braut, füllt ab und stapelt das gelbe Gold auf den Lkw. Etwa 54 Hektoliter pro Fahrt in den Süden.
Das Unternehmen
2019 im Spätherbst ging das „Nolte Cristall“ an den Start – als „Premium Bier abseits des Mainstreams“. Das Rezept basiert auf den Überlieferungen des Großvaters Hermann Sester, der bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein in der Ehrenfelder Piusstraße ein helles, untergäriges Bier mit frischer Note braute. Sester wurde 1805 in Widdersdorf gegründet, zog aber 1917 wegen Platzproblemen nach Ehrenfeld (!) um. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Produktionsstätte zerstört und 1953 wieder aufgebaut. 1993 gingen die Marken- und Braurechte an die „Brau und Brunnen AG“, daraus wurde später das „Haus Kölscher Brautradition“.
Untergäriges Brauen war in vielen Brauereien allein deshalb nicht üblich, weil untergäriges Bier einem aufwändigem Kühlprozess unterzogen werden muss, während obergäriges Bier auch bei höheren Temperaturen und somit einfacher verarbeitet werden kann.
Das „Nolte Cristall“ mit einem Alkoholgehalt von 4,9 Prozent wird in Oberfranken bei der Familienbrauerei Rittmayer gebraut und in Köln in der Piusstraße 40 vertrieben. Langfristiges Ziel von Braumeister Paul Nolte ist es aber, wieder in Köln zu brauen. Im eigenen Online-Shop kosten 18 kartonierte Flaschen 33,99 Euro zzgl. Versand, im Lieferservice etwa bei „bring24“ kommt ein Kasten mit 20 Flaschen auf 23,99 Euro plus Pfand. Das Bier ist mittlerweile auch bei einigen Kölner Getränkehändlern erhältlich. Kontakt über die Mailadresse vertrieb@noltebier oder die Homepage. (two)
In Köln wird das Bier dann auf Bestellung ausgeliefert oder im „Hauptquartier“ abgeholt. Die Kundschaft ist sehr unterschiedlich, vom Sterne-Restaurant „Le Moissonnier“ über Burger-Bräter, den Ehrenfelder Hipster-Laden bis hin zum Privathaushalt. Und auch wenn sich der Name inzwischen herumgesprochen hat, Corona hat auch bei den Noltes heftig durchgeschlagen. „Gestartet haben wir das Projekt in erster Linie mit der Gastronomie. Die aber hat im Moment extrem zu leiden, das trifft uns natürlich auch.“
Zumal auch an der Haptik nicht gespart wird: Abgefüllt wird in eigens hergestellten 0,33-Liter-Flaschen mit eingelassenem Rand, einem passenden Kasten und einem Portrait des Glas erhebenden Großvaters auf dem Kronkorken. „Das Pfand deckt die Herstellung nicht ansatzweise“, sagt Nolte.
Die eigene Brauerei in Köln als großer Traum
Hilft aber nichts, Paul und Elisabeth Nolte müssen und wollen da durch, um irgendwann auch den zweiten Teil des Traums verwirklichen zu können: Die eigene Brauerei in Köln. Auch wenn es da einen „enormen Preisdruck“ gibt, wie Nolte sagt. Dass das alles im Zwei-Mensch-Betrieb passiert – die studierte Schauspielerin Elisabeth mit Engagements bis hin zu den Salzburger Festspielen kümmert sich zurzeit ums Marketing und den unumgänglichen Social-Media-Auftritt – sei zwar bisweilen schon sehr „heftig“. Zumal sich auch der Nachwuchs schon ankündigt.
Aber wenn sich bei Paul ein Grummeln anbahnt, hat seine Frau das passende Rezept: „Du bist unterhopft“, sagt sie dann. „Fahr’ ein paar Tage nach Franken, fachsimpeln mit den Kollegen.“ In der Regel bekommt sie dann einen wie ausgewechselten Mann wieder.