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Nach jahrelangem WartenNeues autonomes Frauenhaus für Köln in Arbeit – Weiterhin fehlen dutzende Plätze

Lesezeit 4 Minuten
Eine junge Frau sitzt auf einem Sofa in einem Wohnzimmer, ein Mann steht mit geballter Faust in Drohgebärde davor.

Symbolbild: In den beiden autonomen Frauenhäusern Kölns finden Frauen und Kinder Schutz vor Gewalt, Unterkunft und Unterstützung. Die Adressen der Häuser sind deshalb nicht öffentlich.

Um in Köln ein drittes Frauenhaus zu realisieren, plant der Trägerverein „Frauen helfen Frauen“ einen Neubau mit der GAG. Warum die Lage trotzdem angespannt bleiben wird.

Manche Frauen weinen, während sie anrufen. Das Frauenhaus sehen sie oft als letzten Ausweg, erzählt Doreen Röder. Teils auch aus Angst, den nächsten Angriff ihres Partners nicht zu überleben. „Ich kann leider nichts tun, weil ich keinen Platz frei habe“, müsse sie ihnen jedoch manchmal sagen. Die Lage in den einzigen beiden autonomen Frauenhäusern Kölns sei seit Jahren angespannt, auch bundesweit fehlen tausende Plätze. „Im Schnitt müssen wir in Köln täglich Frauen abweisen, weil wir keine freien Zimmer mehr haben“, erklärt Kollegin Juliana Damm.

Köln bekommt deshalb nach langem Drängen ein drittes Frauenhaus. Bereits 2019 hatte der Stadtrat den entsprechenden Beschluss gefasst. „Wir gehen gerade gemeinsam mit der GAG den Weg, um das neue Frauenhaus für Köln zu realisieren. Es wurde ein Standort gewählt und wir sind im Prinzip im Bauprozess“, freut sich Röder. Sie und ihre Kollegin Juliana Damm sind neben ihrer Arbeit in einem der Frauenhäuser in Köln auch im Vorstand des Kölner Vereins „Frauen helfen Frauen“ (FHF). Er ist Träger der Einrichtungen und des geplanten Hauses. Den Neubau wird der Verein später mieten.

Als der Ratsbeschluss durch war, machte das zuständige Landesministerium deutlich, dass eine Antragstellung zur Finanzierung des neuen Hauses erst möglich ist, wenn bereits eine Immobilie dafür gibt. Nachdem lange kein passendes Gebäude gefunden werden konnte, soll nun der Neubau das Problem lösen. Wann das Haus eröffnet wird und wie viele Frauen dort Platz finden werden, könne der Verein noch nicht sagen. Der Standort solle zum Schutz der späteren Bewohnerinnen unbekannt bleiben.

Uns fehlen auch mit dem neuen Frauenhaus immer noch grob die Hälfte der benötigten Plätze.
Doreen Röder, Vorstand „Frauen helfen Frauen“

Das neue Frauenhaus sei zwar ein wichtiger Fortschritt, aber trotzdem nicht genug. 80 Plätze für schutzsuchende Frauen sollte eine Großstadt wie Köln bieten, erklärt Röder. Das lege die Istanbul-Konvention fest, ein Abkommen des EU-Rats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die beiden Frauenhäuser Kölns haben zusammen 26 Plätze. „Uns fehlen auch mit dem neuen Frauenhaus immer noch grob die Hälfte der benötigten Plätze.“ Bundesweit gibt es laut der EU-Richtlinie rund 14.000 Frauenhausplätze zu wenig.

Gleichzeitig nimmt die häusliche Gewalt laut Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zu. 2023 sind die dokumentierten Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr um rund 6,5 Prozent gestiegen. Überwiegend betreffe das Frauen: 70,5 Prozent der Opfer waren weiblich, fast 76 Prozent der Täter waren Männer. Rund jeden zweiten Tag starb laut BKA eine Frau durch Partnerschaftsgewalt.

Für ihre Flucht haben die Betroffenen oft nur einen engen Zeitrahmen. „Eine Frau mit zwei Kindern muss dann in kürzester Zeit zumindest das Notwendigste zusammenpacken“, nennt Röder ein exemplarisches Beispiel. „Wenn sei bei uns anruft und wir keinen Platz frei haben, ist sie erstmal verloren. Sie sitzt auf gepackten Koffern und kann nirgends hin außer wieder zum Mann.“

Frauenhäuser in Köln: 620 Ablehnungen wegen Überbelegung

620 Frauen mussten die Kölner Frauenhäuser laut einem eigenen Bericht 2023 wegen Überbelegung eine Absage erteilen. Die Anrufe kommen aus allen Bundesländern. „Wir sind immer gut ausgelastet. Wenn es mal Tage gibt, wo ein Zimmer frei ist, ist das nur wegen Instandsetzung und nicht, weil es keinen Bedarf gibt.“

Den Betroffenen steht dann oft ein Telefon-Marathon bevor. „Es ist tatsächlich so, dass Frauen sehr viele Frauenhäuser anrufen müssen, um zu erfahren, ob ein Platz für sie und gegebenenfalls ihre Kinder frei ist“, erklärt Damm. In der Not bleibe den Frauen oft nur eine Wohnungsloseneinrichtung, die aber wenig Schutz biete und oft ungeeignet für Minderjährige sei. Damm arbeitet im Frauenhaus vor allem mit Kindern und Jugendlichen. Für die gibt es in den Frauenhäusern zusätzliche Plätze. Ihr Team leiste dabei wichtige Präventionsarbeit. „Gewalt ist oft eine Spirale. Es ist daher sehr wichtig, den Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen, dass es auch gewaltfreie Wege gibt Konflikte zu lösen, um diese Spirale zu durchbrechen.“

Frauenhäuser sind in Deutschland keine Pflichtaufgabe von Staat und Kommunen, sondern haben Projektstatus. Sie müssen ihre Fördermittel alle drei Jahre neu beantragen und sind deshalb stark abhängig von der politischen Lage. Aktuell stünden die Zeichen auf im sozialen Bereich aber auf Sparkurs, sagt Damm. Einem der Frauenhäuser in Köln werde deshalb bald vielleicht eine Stelle gestrichen. Der Trägerverein sei auch auf Spenden angewiesen. Denn Frauen, die nicht im Sozialhilfesystem sind, müssen ihren Aufenthalt eigentlich selbst bezahlen. Der Verein gleiche diese Finanzierungslücke mit Eigenmitteln aus.


Hilfe für Betroffene

Ein Beratungsangebot und Infos für Betroffene gibt es unter der 116 016 oder online. Eine bundesweite Online-Frauenhaussuche gibt es hier.