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Praxis-Alltag im StresstestWie Kölner Hausärzte die Corona-Krise erleben

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Ein Arzt untersucht eine Frau auf das Coronavirus. (Symbolbild)

Köln – Wohin wenden sich die Menschen, wenn sie Fragen zu Corona haben? Nicht gleich an das Gesundheitsamt, sondern in erster Linie an ihre Hausarztpraxis – insbesondere, wenn sie befürchten, das Virus zu haben. Die Praxen der Allgemeinmediziner leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise. Wir haben nachgefragt, wie es vor Ort aussieht.

„Über die Sommermonate hatten wir im Grunde wieder Normalbetrieb. Aber seit den Herbstferien, als die Infektionszahlen wieder nach oben geschnellt sind, bekommen wir zum Teil rund 50 Prozent Anrufe mehr“, berichtet Klaus Leuschner aus seinem Praxisalltag. Viele Patienten wollten sich vor ihren Ferienreisen noch testen lassen oder hatten Fragen, wie sie sich wegen möglichen Infektionsgefahren verhalten sollen.

Zusätzliche Belastung deutlich spürbar

Der 54-jährige Facharzt für Innere Medizin gehört zum Vier-Ärzte-Team der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Köln-Poll, Siegburger Straße 380. Sieben Mitarbeiterinnen und zwei Auszubildende unterstützen die Ärzte bei der Patientenbetreuung. „Neben den Corona-Themen rufen die Leute aktuell wegen Grippe-Impfungen oder Erkältungssymptomen an. Wir schaffen das alles, aber spüren deutlich die zusätzlichen Belastungen“, so Leuschner weiter.

Die bestellten Grippe-Impfungen seien momentan aufgebraucht und mussten neu bestellt werden (siehe Kasten). „Die Anrufer zu vertrösten, dass es noch rund zwei Wochen dauern wird, bis die neuen Impfstoffsets da sind, ist für unsere Mitarbeiter dann nicht immer einfach.“ Die Patienten würden mit der angespannten Corona-Lage auch zunehmend dünnhäutiger und gereizter reagieren, so der Internist.

Klare Ansagen in Mülheim

Im Mülheimer Hausärztlichen Versorgungszentrum im Markgrafenhaus, Berliner Straße 140-158, ist die Stimmung deutlich anders. „Unsere Kassenpatienten kommen meist aus dem Arbeitermilieu, darunter viele mit Migrationshintergrund. Die Leute schätzen daher unsere klare, direkte Ansprache, die wir in unserer Gemeinschaftspraxis pflegen“, erzählt Allgemeinmediziner Peter Kreuz. Das funktioniere auch hervorragend.

Man müsse zwar in Corona-Zeiten viel erklären, aber unsere Patienten reagieren in der Praxis und am Telefon positiv, so Kreuz. Sicher, es passiere schon mal, dass sich jemand im Ton vergreife. „Aber wir haben dann auch kein Problem damit, die Empfehlung auszusprechen, dass er oder sie sich an einen anderen Arzt wenden soll.“

Impfungen und Krankschreibungen

Patienten, die wegen einer Grippe-Impfung in ihren Hausarztpraxen anrufen, werden aktuell in vielen Fällen auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet beziehungsweise kommen auf eine Warteliste. Der Grund: Die von den Praxen Anfang des Jahres bestellten und im September gelieferten Impfstoffsets sind in vielen Praxen wegen der hohen Nachfragen aufgebraucht. Derzeit gibt es einen Lieferengpass. Laut Aussage der von der Rundschau befragten Hausarztpraxen werden die neuen Grippe-Impfstoffe in rund zwei Wochen erwartet. Corona-bedingt sind Krankschreibungen über die Hausärzte auch telefonisch möglich. Allerdings gilt das nur für Erkältungserkrankungen. Bei allen anderen Krankheitssymptomen müssen die Patienten, wie bisher, persönlich ihren Arzt aufsuchen. (dhi)

Kreuz beschreibt die augenblickliche Lage für sich, seine zwei Ärztekollegen und sechs Mitarbeiter in der Gemeinschaftspraxis als Herausforderung. Man arbeite gar nicht so viel mehr als vor der Pandemie, aber die Arbeit sei viel dichter und anspruchsvoller geworden. Manchmal komme spontan ein Patient oder eine Patientin mit 41 Grad Fieber in die Praxis. In Corona-Zeiten heiße das „Alarmstufe Rot“, so Kreuz. Alle müssen dann konzentriert die besprochenen Corona-Regel-Abläufe abrufen und dürfen keine Fehler machen.

Bereits im Frühjahr habe man beispielsweise für diese Fälle ein Isolierzimmer eingerichtet, um die weiteren Behandlungen dort und nicht in den Praxisräumen, in denen auch andere Patienten sind, vornehmen zu müssen. „Das alles ist anstrengend, aber wir sind in einer Pandemie, also einer gesamtgesellschaftlichen Notsituation, in der wir uns alle anstrengen und ein bisschen mehr tun müssen als in normalen Zeiten.“ Kreuz würde sich aber wünschen, dass der wichtige Beitrag der Hausarztpraxen in der Corona-Krise mehr gewürdigt werde.

Nicht alle Praxen testen Patienten mit Corona-Symptomen

In Bayenthal, in der Praxis des Allgemeinmediziners Thomas Kurscheid, Bonner Straße 205, versucht man solchen Ansteckungsrisiken in der Praxis aus dem Weg zu gehen. Aus Sicherheitsgründen führe man keine Corona-Tests bei Patienten mit corona-typischen Symptomen wie Fieber, trockener Husten durch, sondern verweise diese dann zu den städtischen Testzentren, so Kurscheid. Das müsse natürlich erklärt werden, was nicht immer konfliktfrei ablaufe.

Hinzu kommen neben den aktuell vielen Anfragen wegen einer Grippe-Impfung noch die Patienten, die die neu eingeführte Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung für den Arbeitgeber nutzen (s. Kasten). Das bedeute letztlich auch regelmäßig ein paar Überstunden. „Unsere Mitarbeiter haben daher deutlich mehr Stress mit den Nachfragen, Erklärungen und Absagen – sowohl am Telefon als auch in der Praxis. Wir bekommen auch mal böse E-Mails. Die Menschen sind gereizter in dieser angespannten Corona-Situation“, so Kurscheid.

Schnelltests können für Entlastung sorgen

Was helfen würde, sei die Anerkennung und Bezahlung der seit rund drei Wochen eingeführten Corona-Schnelltests seitens der Krankenkassen, fordert Kurscheid. Dann fielen viele Wartezeiten auf die Ergebnisse der herkömmlichen PCR-Tests weg und auch die vielen nachträglichen Telefonate mit den Testpatienten, wenn die Ergebnisse vorlägen.

In dem Zusammenhang wirbt Kurscheid dafür, dass die Menschen sich die Corona-Warn-App auf ihr Handy laden. Viele Patienten kommen in die Praxis, weil sie sich vorsorglich testen lassen wollen. Diese Tests muss dann aber der Patient selbst zahlen, was immer wieder zu Diskussionen führe. „Wenn die App auf Rot stellt, weil man einem Infizierten zu nah gekommen ist, dann ist der Test kostenfrei.“