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Riesige DatenbankDas Projekt „Köln im Film“ erforscht die cineastische Geschichte Kölns

Lesezeit 4 Minuten
Schauspielerin Angela Winkler als Katharina Blum in der Romanverfilmung ‚Die verlorene Ehre der Katharina Blum‘.

Schauspielerin Angela Winkler als Katharina Blum in der Romanverfilmung„ Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.

Die Datenbank bietet Einblicke in über 125 Jahre Film aus und über Köln sowie Informationen zur Kinogeschichte - eine Fundgrube auch für die Stadthistorie.

Die Dampflokomotive rollt langsam von der Brücke in den Kölner Hauptbahnhof ein. Der Zug hält, Reisende steigen aus, ein Mann im Gehrock läuft auf dem Bahnsteig mit einem Kind suchend an den Abteilen entlang. Die nur Sekunden dauernden Szenen von der Ankunft des Eisenbahnzuges, die der französische Kameramann Charles Moisson ohne Ton in schwarzweiß einfing, schreiben Filmgeschichte.

Es sind die ersten bewegten Stummfilm-Bilder, die in Köln gedreht wurden - und die ersten lebenden Fotografien, die in Deutschland gezeigt wurden: Am 20. April 1896 feierte die allererste Filmvorführung vor zahlendem Publikum Premiere. Nur wenige Monate nach der Geburtsstunde des Films 1895 in Paris durch die technische Erfindung der Gebrüder Lumière bestaunten Kölner Zuschauer in einem Saal am Augustinerplatz insgesamt zwölf 40 Sekunden kurze Sequenzen.

Szene aus Beitrag zu Demo gegen KVB-Fahrpreiserhöhung 1966 in Köln.

Szene aus Beitrag zu Demo gegen KVB-Fahrpreiserhöhung 1966 in Köln.

Cineastische Geschichte(n) wie diese erforscht das Projekt „Köln im Film“ seit über 20 Jahren (s. Info), der Verein wurde 2013 gegründet. Die Film- und Medienwissenschaftlerinnen Marion Kranen und Stefanie Wüster-Bludau führen als freie Honorarkräfte das virtuelle Archiv. Die Datenbank enthält über 6000 Filmbeiträge, von historischen Stummfilmen über TV-Dokumentationen bis zu aktuellen Kinoproduktionen. Sie bietet Einblicke in über 125 Jahre Film aus und über Köln sowie Informationen zur Kinogeschichte - eine Fundgrube auch für die Stadthistorie und Anschauungsmaterial für den gesellschaftlichen Wandel.

Szene von den Rheintreppen mit Blick auf Hohenzollernbrücke aus dem Film ‚Lichter der Stadt‘ (2019/20).déjà-vue Film

Szene von den Rheintreppen mit Blick auf Hohenzollernbrücke aus dem Film 'Lichter der Stadt' (2019/20).

Ein paar besondere Hingucker: Zu Perlen im Fundus zählt zum Beispiel der erste Kölnkrimi „Der Bettler vom Kölner Dom“. Der Stummfilm von 1927 setzt einen smarten Detektiv in Szene, der mit seinem schnittigen Wagen vorfährt, vom Portier empfangen wird und stilvoll im Hotel Excelsior vis-a-vis des Doms eincheckt - mit Blick auf die kriminellen Machenschaften im Schatten der Kathedrale.

Zu den wenigen Produktionen, die während des Zweiten Weltkriegs gedreht wurden, gehörten vor allem Propagandafilme der Nazis, aber am Ende historische Szenen der Befreiung Kölns am 5. und 6. März 1945 durch US-Truppen. Eine britische Produktion zeigte 1948 aufgenommene Bilder über das Wiederaufleben des Alltags in den Ruinen: „School in Cologne“ - ein Werbefilm, mit dem in England Geld für Kölner Schulen gesammelt werden sollte.

Ansicht vom früheren Broadway Kino in den 90ern Jahre auf der Ehrenstraße.

Ansicht vom früheren Broadway Kino in den 90ern Jahre auf der Ehrenstraße.

„In den 50er, 60er Jahren war filmisch noch nicht viel los“, so Kranen, „Köln war noch keine Produktionsstadt.“ Zum Kultstreifen wurde 1967 „Das heiße Pflaster in Köln“ über das Rotlichtviertel mit Verfolgungsjagden und schrägen Charakteren. In den 70ern rückten neben Mainstream-Stoffen wie sogenannte Aufklärungsfilme, Edgar-Wallace-Krimis, Winnetou & Co. der Neue deutsche Film Gesellschaftskritisches mehr in den Vordergrund. 1975 lief die Verfilmung des Böll-Romans „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ in den Kinos an, die unter anderem im Unicenter spielt. In den 80ern setzte die Alternativszene mit dem neuen Medium Video andere Akzente, zum Beispiel mit Berichten über die Stollwerck-Besetzung.

Medienbranche in Köln expandierte in den 90ern und 2000er Jahren

Die Medienbranche expandierte in den 90er und 2000er Jahren zusehends. Etliche private Sender und Produktionsfirmen siedelten sich in Köln an. Die Komödie „Der bewegte Mann“ mit Til Schweiger und Katja Riemann brachte die Domstadt 1994 mit unkonventionellen Drehorten wie Ehrenfeld und dem Gloria in der Apostelnstraße auf die Leinwand. Viele weitere, auch international beachtete Produktionen sollten folgen.

Neben der Fortführung des Archivs ist die Präsentation von Kölnfilmen den Expertinnen ein großes Anliegen, die Vermittlung in Veranstaltungen und Themenspecials von Stadtentwicklung bis Migration. „Uns ist sehr wichtig, die Kinokultur hochzuhalten, Filme in ihrem historischen Zusammenhang zu sehen und mit dem Publikum und Gästen ins Gespräch zu kommen“, betonen Marion Kranen und Stefanie Wüster-Bludau. In diesem Jahr lief die Reihe „Auf den 2. Blick“ unter anderem im Filmhaus Kino mit Spielfilm-Produktionen, die an eher untypischen Orten angesiedelt sind - auf einem Campingplatz am Rhein, am Niehler Hafen oder dem Ebertplatz, mit Schauspielstars wie Götz George in „Das Trio“ (1997) oder NewcomerInnen wie Regisseurin Barbara Ott mit „Kids Run“ (2021) über einen alleinerziehenden Vater. Fortsetzung folgt.


„Köln im Film“

Seit über 20 Jahren widmet sich „Köln im Film“ der Erforschung und Präsentation der Kölner Film- und Kinogeschichte. Über 6000 Filmbeiträge sind bereits in der Datenbank erfasst. Viele cineastische Schätze sind noch nicht gehoben, Datenbank und Mediathek werden stetig ausgebaut.

Stefanie Wüster-Bludau (l.) und Marion Kranen von „Köln im Film“.

Stefanie Wüster-Bludau (l.) und Marion Kranen von „Köln im Film“.

Als Verein wurde „Köln im Film“ 2013 gegründet und hat seitdem seinen Sitz in Räumen des Kölnischen Stadtmuseums, das zurzeit im Interim des umgebauten Modehauses Sauer an der Minoritenstraße 11 untergebracht ist. Für die neu konzipierte Dauerausstellung im Interim, dessen Eröffnung für das Frühjahr 2024 angepeilt ist, stellte der Verein eine Auswahl an Filmausschnitten zusammen. Auf der Homepage finden sich viele Filmausschnitte und Trailer, Zeitzeugenporträts und Hintergrundinfos sowie der Stadtplan zur Kinogeschichte. Aktuelle Veranstaltungen und Tipps teilt der Verein auch auf seinem Instagram-Kanal. www.koeln-im-film.de