Im April 1848 kehrte Karl Marx, Autor des Kommunistischen Manifests, aus seinem Londoner Exil nach Köln zurück. Eine weitere Folge in unserer Serie „175 Jahre Revolution 1848“.
Revolution 1848Wie Karl Marx sich in Köln mit der Obrigkeit anlegte
Um einem alten, beim ersten Versuch schief gegangenen Projekt eine zweite Chance zu geben und auszutesten, ob die zugesicherte Pressefreiheit wirklich belastbar war. Deshalb kamen Karl Marx und Friedrich Engels am 11. April 1848 in Köln an. Am 1. Juni 1848 erschien erstmals die Neue Rheinische Zeitung, bezeichnet als „Organ der Demokratie“.
1842 hatte es bereits eine Rheinische Zeitung gegeben, mit dem damals 24 Jahre jungen Karl Marx erst als Mitarbeiter und schließlich als Chefredakteur. Die Rheinische Zeitung sei ein Blatt gewesen, „das nach fünfzehnmonatigem Bestehen unterdrückt wurde, von dem man aber den Beginn des modernen Zeitungswesens in Deutschland datieren kann“. So jedenfalls lautete die Einschätzung des wenig neutralen Friedrich Engels. Anfang 1843 wurde die Zeitung dann verboten. Karl Marx musste Deutschland verlassen.
Nun also sollte die Zeitung in die zweite Runde gehen. Druckerei und Redaktionsbüro waren zunächst An St. Agatha 12 untergebracht. Schnell gab es Probleme. Die Hälfte der Geldgeber sprang schon nach der ersten Ausgabe wieder ab, als sie realisierten, in was für ein Projekt sie investiert hatten. Sogar der Drucker und Vermieter der Büros distanzierte sich von der politischen Orientierung des von ihm hergestellten Blattes. In der Neuen Rheinischen Zeitung vom 19. Juli 1848 ließ er inserieren, er habe ausdrücklich „nur den Druck der neuen rheinischen Zeitung übernommen“ und könne daher „nirgend einen Einfluss auf den Inhalt derselben ausüben.“
Spannungen innerhalb der Redaktion
Kein Wunder, dass die Redaktion bald umzog zu Unter Hutmacher 17, dem heutigen Heumarkt 65. Um Gelder zu beschaffen, reiste Marx beständig durch Deutschland, was Auswirkungen auf den Alltag in der Redaktion hatte. „Die Verfassung der Redaktion war die einfache Diktatur von Marx“, erinnert sich Engels später. Was aber passierte, wenn der Diktator aus dem Haus war? Dann hatte Engels die Verantwortung. Ihm jedoch fehlte noch mehr als Marx das Fingerspitzengefühl, Konflikte diplomatisch zu lösen. Zwischenzeitlich spitzten sich die Spannungen innerhalb der Redaktion während der Abwesenheit von Marx so zu, dass man sie nur durch Duelle lösen zu können glaubte.
Die Staatsgewalt nahm dies amüsiert zur Kenntnis. Die Kölner Obrigkeit erachtete Marx und sein Blatt offenkundig nicht als sonderlich gefährlich. Kölner Revolutionäre wie Andreas Gottschalk und Fritz Anneke wurden als „staatsgefährdende Elemente“ verhaftet und mussten Monate in Haft verbringen. Marx und Engels blieben relativ unbehelligt. Kein Wunder. Marx führte sich meist so besserwisserisch, arrogant und undiplomatisch auf, dass er sich mit allen maßgeblichen lokalen Wortführern zerstritt und in Köln keine wirkliche Wirkung entfalten konnte.
So war einzig nennenswerter Zwischenfall, dass einmal zwei Unteroffiziere bei Marx in der Apostelnstraße 7 eingedrungen sein sollen. Sie sollen sich von einem Artikel in der Neuen Rheinischen Zeitung beleidigt gefühlt haben. Marx aber sei ihnen, berichtet Engels, in seinem Schlafrock entgegengetreten, aus dem wenig subtil eine geladene Pistole mit dem Kolben hervorlugte. Das habe, so Engels, ausgereicht, „dass die Herren Unteroffiziere auf weitere Auseinandersetzungen verzichteten und kleinlaut abzogen, trotzdem sie ihre Seitengewehre bei sich hatten“.
Engels setzte sich in die Schweiz ab
Dann jedoch kam es zu den sogenannten Septemberunruhen. Auch in Köln gab es Arbeiterproteste. Die Kommandantur der Festungsstadt Köln verhängte den Belagerungszustand. Zwar verbot sie die Neue Rheinische Zeitung nicht, aber leitete doch gegen die öffentlichen Reden zentraler Mitarbeiter Untersuchungen ein. Mit etlichen anderen Redakteuren zog es auch Engels vor, sich zumindest vorläufig in die Schweiz abzusetzen. „Wenn genügender Grund vorhanden, dass kein Untersuchungsarrest zu befürchten, komm' ich sofort“, versichert Engels Marx in einem Brief. „Nachher können sie meinetwegen mich vor 10.000 Jurys stellen, aber im Untersuchungsarrest kann man nicht rauchen, und da geh' ich nicht hinein.“ Anfang Januar 1849 kehrte er nach Köln zurück – und blieb unbehelligt.
Aber das Ende war absehbar. Daran änderte auch der „Kommunissorden erster Klasse mit zwei aufrecht übereinanderstehenden roten Fahnen“ nichts, den die Karnevalszeitung Kölner Funken Karl Marx am 28. Januar 1849 verlieh.
Das Ende kam durch einen bürokratischen Schachzug. Karl Marx, der mittlerweile quasi Alleineigentümer der Neuen Rheinischen Zeitung inklusive der Druckerpresse war, war offiziell staatenlos. So konnte ihn der Kommandant am 16. Mai problemlos ausweisen, weil, wie er es begründete, „man von einem bloß geduldeten Fremden es sich doch nicht gestatten zu lassen braucht, dass er alles mit seinem Gift begeifere, da ohnehin inländisches Geschmeiß dies hinlänglich tut.“
Am 19. Mai erschien die komplett rot gedruckte letzte, 301. Nummer der Neuen Rheinischen Zeitung. Die Zeitungsrevolution in Köln war vorbei.