Kölner „Spurensuche“Arbeiterführer August Bebel wuchs in Köln-Deutz auf
Köln – Als der große Gegenspieler von Otto von Bismarck verbrachte „Arbeiterkaiser“ August Bebel, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, etliche Jahre seines Lebens im Gefängnis.
Seinen ersten Gefängnisaufenthalt hatte er bereits als Kind in Brauweiler bei Köln – kein Wunder, wurde er doch schon als Unruhestifter in Deutz geboren. Eine Gedenktafel findet sich in der Kasemattenstraße 8.
Geboren in Köln-Deutz
„Das ,Licht der Welt', in das ich nach meiner Geburt blickte, war das trübe Licht einer zinnernen Öllampe, das notdürftig die grauen Wände einer großen Kasemattenstube beleuchtete, die zugleich Schlaf- und Wohnzimmer, Salon, Küche und Wirtschaftsraum war“, so schildert Bebel in seiner Autobiographie seine Geburt am 22. Februar 1840 in Köln-Deutz.
Sinnbildlich für das Leben des Sohnes eines Unteroffiziers war der Geburtszeitpunkt, denn, so berichtet Bebel, zur Welt kam er, „als eben draußen vor der Kasematte der Hornist den Zapfenstreich blies, bekanntlich seit ,unvordenklichen Zeiten' das Zeichen, dass die Mannschaften sich zur Ruhe zu begeben haben. Prophetisch angelegte Naturen könnten aus dieser Tatsache schließen, dass damit schon meine spätere oppositionelle Stellung gegen die bestehende Staatsordnung angekündigt wurde.
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Denn streng genommen verstieß es wider die militärische Ordnung, dass ich als preußisches Unteroffizierskind in demselben Augenblick die Wände einer königlichen Kasemattenstube beschrie – und ich soll schon bei meiner Geburt eine recht kräftige Stimme gehabt haben –, in dem der Befehl zur Ruhe erlassen wurde.“
Ihm und seinen Geschwistern gefiel es in der Kasematte gut, „verhätschelt oder auch gehänselt von Unteroffizieren und Mannschaften“. August Bebel stibitzte häufig die Gitarre seines Taufpaten, auf der er dann „so lange musikalische Übungen betrieb, bis keine Saite mehr ganz war“ – sehr zum Leidwesen seines Taufpaten, der Bebel „aus einem Brett ein gitarreartiges Instrument, das er mit Darmsaiten bezog“ schnitzte: „Ich saß nunmehr mit diesem in Gesellschaft meines Bruders stundenlang auf der Türschwelle zu einem Hof in der Deutzer Hauptstraße und malträtierte die Saiten, was die beiden Töchter eines gegenüberwohnenden Dragonerrittmeisters so 'entzückte', dass sie uns öfter für meine musikalischen Leistungen mit Kuchen oder Konfekt regalierten.“
Nach dem Tod des Vaters
Die Kasematte verlassen musste die Familie, als der Vater im Alter von 35 Jahren starb, „ohne dass die Mutter die Berechtigung zum Bezuge einer Pension hatte“. Helfer in der Not war der Zwillingsbruder des Vaters, der die Frau seines verstorbenen Bruders im Herbst 1844 heiratete.
Der ehemalige Soldat war aus Krankheitsgründen aus dem Dienst entlassen worden und verdiente nun sein Geld als Revieraufseher in der Provinzial-Korrektionsanstalt Brauweiler, der ehemaligen Abtei Brauweiler, wohin die Familie im Spätsommer 1844 zog und wo der gerade vierjährige Bebel die Dorfschule besuchte.
„Die Anstalt bildete einen großen Komplex von Gebäuden und Höfen und umschloss auch Gartenland. Das alles war mit einer hohen Mauer umzogen“, erinnert sich Bebel: „Um nach dem Arresthaus zu gelangen, in dem sich auch unsere Wohnung befand, musste man über mehrere Höfe schreiten, die durch schwere verschlossene Türen voneinander getrennt waren.
Das Arresthaus war also von jeder menschlichen Umgebung abgeschieden. Allabendlich, sobald die Dämmerung eintrat, flogen Dutzende von Eulen in allen Größen mit ihrem Gefauche und Gekrächze um das Gebäude und jagten uns Kindern Angst und Schrecken ein. Der Aufenthalt dieser Eulen war der Turm der nahen Kirche. Auch sonst war dieser Aufenthalt für uns Kinder, und vermutlich auch für meine Eltern, kein erfreulicher.“
Unmenschlichkeit im Strafvollzug
Besonders bedrückend war die damalige Unmenschlichkeit im Strafvollzug: „Ich habe mehr als einmal mit angesehen, dass junge und ältere Männer, die extra schwer bestraft wurden, sich der scheußlichen Prozedur des Krummschließens unterziehen mussten“, berichtet Bebel: „Dieses Krummschließen bestand darin, dass der Delinquent sich auf den Boden der Zelle auf den Bauch zu legen hatte, alsdann bekam er Hand- und Fußschellen angelegt.
Darauf wurde ihm die rechte Hand über den Rücken hinweg an den linken Fuß und die linke Hand ebenfalls über den Rücken an den rechten Fuß gefesselt. Damit noch nicht genug, wurde ihm ein leinenes Tuch strickartig um den Körper über Brust und Arme auf dem Rücken scharf zusammengezogen. So als lebendes Knäuel zusammengeschnürt, musste der Übeltäter zwei Stunden lang auf dem Bauch liegend aushalten. Alsdann wurden ihm die Fesseln abgenommen, aber nach wenigen Stunden begann die Prozedur von neuem. Das Gebrülle und Gestöhne der so Misshandelten durchtönte das ganze Gebäude und machte natürlich auf uns Kinder einen fürchterlichen Eindruck.“
Umzug nach Wetzlar
Die Schwindsucht des Stiefvaters setzte dem ersten Gefängnisaufenthalt Bebels bereits im Jahr 1846 ein Ende und hinterließ die Mutter, die in drei Jahren zweimal zur Witwe geworden war, wieder mittellos. Die Familie zog deshalb nach Wetzlar, der Heimat der Mutter: „Anfang November wurden abermals die Siebensachen auf einen Wagen geladen und die Reise nach Köln angetreten. Das Wetter war hässlich. Es war kalt und regnerisch. In Köln wurde der Hausrat am Rheinufer unter freiem Himmel aufs Pflaster gesetzt, um von dort per Schiff nach Koblenz und von dort wieder per Wagen das Lahntal hinauf nach Wetzlar transportiert zu werden.“
Im Verlaufe seines Lebens kam Bebel noch einige Male nach Köln, etwa zum Parteitag in Köln 1893. Und in Köln, der Stadt, wo sich Marx und Engels erstmals begegneten, sagte er auch jenen Satz, der seitdem häufig zitiert wird: „Wenn eine Stadt in Deutschland, sofern das überhaupt möglich ist, für sich die Ehre in Anspruch nehmen kann, sich als die Geburtsstätte des Sozialismus zu betrachten, so ist es Köln“.