Ohne GerüstChristian Körömi aus Köln hat das Klettern zu seinem Beruf gemacht
Köln – Wenn Christian Körömi arbeitet, hebt er ab. Ohne Fangnetze ist er unterwegs, hängt nur an zwei Sicherungsleinen. Sein Einsatzort diesmal: Das Dach eines Mehrfamilienhauses in der Kölner Südstadt. Mehr als zehn Meter über dem Erdboden ist der Blick auf Rhein, Dom und Kranhäuser inklusive.
An die Aussicht gewöhnt hat sich der 41-Jährige immer noch nicht. Wenn er am Museum Ludwig die Ausstellungsplakate drei Meter über dem Erdboden austauscht und dabei den Dom im Rücken hat, ist immer noch Zeit für ein Selfie.
Seit dem Jahr 2015 betreibt Christian Körömi sein Unternehmen „Alles Senkrecht“ in der Luxemburger Straße in Köln. Das Angebot: „Dorthin kommen, wo keiner hinkommt – jedenfalls nicht ohne Gerüst“, sagt der Kletterer. Der gelernte Dachdeckermeister kümmert sich weiterhin auf Wunsch um Ziegel, Dachrinnen und Kaminabdichtungen. Aber er hat sein handwerkliches Portfolio erweitert. Er verlegt jetzt auch Fallrohre, reinigt die Glasfassaden von Hotels oder restauriert die Mauern von Kirchen und Burgen.
Bis zu 70 Meter Höhe
Aufs Industrieklettern stieß Körömi, als er noch seinen eigenen Dachdeckerbetrieb führte. Anfang der 2000er betreute er auch die Hochhäuser am Kölnberg in Meschenich. Der Hausmeister dort brauchte häufiger Hilfe in bis zu 70 Metern Höhe. Irgendwann sagte Körömi im Scherz, dass hier wohl eher ein Kletterer als ein Dachdecker gefragt sei. Und der Hausmeister fragte: „Warum lernst Du das dann nicht?“ „Da dachte ich mir: Ja, warum eigentlich nicht?“, erinnert sich Körömi.
Er kam erst Jahre später dazu, die Idee umzusetzen. Denn Ende 2011 gab Körömi die Dachdeckerei erst einmal auf. „Ich hatte einfach keinen Bock mehr, das war mir zu stressig und zu eintönig. Ich wollte was anderes ausprobieren.“ Eine Zeit lang war Körömi Leiter einer Autowaschstraße. Bis er 2014 wieder an den Job in luftiger Höhe dachte und eine Spezialausbildung zum Industriekletterer machte.
Der Dachdecker lernte dabei vor allem den Umgang mit Seilen: wie man sie an Trägern festmacht, wie man sich selbst sichert, und was zu tun ist, wenn ein Kletterer in die Gurte fällt. Das ist wichtig, denn: Wer länger als 30 Minuten ohnmächtig in den Seilen hängt, stirbt. Wichtige Organe werden dann nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, erklärt Körömi. „Der Rest ist Learning by Doing.“
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Angst hat der Kletterer nicht – nur den nötigen Respekt vor jeder Aufgabe. „Ich sage meiner Familie immer: Wenn’s gefährlich wäre, würde ich’s nicht machen.“ Körömi wägt das Risiko schon vor Beginn der Arbeit genau ab, erklärt er. Er macht sich mit komplizierten Stellen vertraut – und ist außerdem nie allein unterwegs. „Deswegen ist mir ja auch noch nichts passiert“, sagt Körömi. Industriekletterer müssen immer mindestens zu zweit arbeiten, um sich gegenseitig retten zu können. „Ohne Teamwork geht gar nichts.“ Körömi hat eine Gruppe von Kletterern gegründet, die seit drei Jahren sogar gemeinsam in den Winterurlaub verreisen. Er selbst klettere zwar im Urlaub nicht, „aber ich habe genug Kollegen, die auch ihre Freizeit gern in den Seilen verbringen“, sagt Körömi und lacht.
Dieses Netzwerk von Kletterern, die gleichzeitig Handwerker sind, ist auch für den Job wichtig: Denn Körömi weiß, wen er für welche Aufgabe anrufen muss. Schweißer, Elektriker, Gebäudereiniger – alles Leute, die woanders angefangen haben und jetzt eben auch das Industrieklettern gelernt haben.
Körömi selbst lernt ständig dazu: zuletzt, wie man in dutzenden Metern Höhe Fenster putzt. „Das nördlichste Kranhaus zu reinigen ist einer meiner Lieblingsjobs“, erklärt er mit einem Lächeln. Das geht auch bei schlechtem Wetter, versichert Körömi: „Da werden wir dann halt nass – aber arbeiten können wir trotzdem.“