Mit der Aeropress holte er im australischen Melbourne den Vize-Titel. Der Weg dahin glich einem wissenschaftlichen Experiment.
Kölner KaffeerösterCarlo Graf Bülow ist Kaffee-Vizeweltmeister

Carlo Graf Bülow mit seiner silbernen Aeropress in der Schamong-Rösterei.
Copyright: Costa Belibasakis
Dass Carlo Graf Bülow durch sein Hobby einmal bis ans andere Ende der Welt reisen würde, hätte er sich ganz zu Beginn niemals vorstellen könnte. Gehofft hatte er es irgendwann, als aus dem Hobby langsam mehr wurde. Ende 2023 trat er schließlich die Reise nach Australien an. In Melbourne kämpfte er als Deutscher Meister um den Weltmeistertitel an der Aeropress. Vereinfacht erklärt ist die Aeropress eine manuelle Kaffeemaschine, bei der der Kaffee mithilfe eines Presskolbens durch einen Zylinder gepresst wird. Der Trip in die australische Metropole war erfolgreich. Graf Bülow, der als Kaffeeröster für die älteste Kölner Rösterei Schamong arbeitet, kehrte mit dem Vize-Weltmeistertitel zurück.
Und auch wenn die Regeln bei den Weltmeisterschaften ziemlich einfach sind, gleicht die Teilnahme einem komplexen wissenschaftlichen Experiment. Alle Teilnehmer bekommen die gleichen Kaffeebohnen zur Verfügung gestellt. Wer daraus in den Augen der Jury das beste flüssige Ergebnis in die Tasse bringt, gewinnt. „Auch für den Laien sind Unterschiede in den Ergebnissen deutlich zu schmecken“, sagt Graf Bülow.
Die Stellschrauben, die den Teilnehmern unter anderem zur Verfügung stehen: der Mahlgrad des Kaffees, die Wassertemperatur, die Ziehzeit oder das Wasser. Auf das legte er in diesem Jahr den Fokus. Kölner Leitungswasser kommt für den Profi übrigens nicht in Frage. „Das ist sehr hart und nimmt viel vom Geschmack des Kaffees raus.“ Graf Bülow baute sich sein Wasser einfach selbst zusammen. Destilliertes Wasser ist der Ausgangspunkt. Tröpfchenweise modifizierte er das Wasser mit Mineralien: Magnesium, Calcium, Natrium oder Kalium. Das intensive Ergebnis stieß bei der Jury auf Anklang. Nur der Kaffee des thailändischen Teilnehmers – im Vergleich deutlich leichter und eleganter - kam besser an.
Netzwerken am anderen Ende der Welt
Neben dem Wettkampf steht bei den internationalen Meisterschaften vor allem aber auch das Miteinander im Vordergrund. „Spannend ist in erste Linie dieses Zusammenkommen von Leuten aus der ganzen Welt, die sich austauschen und merken, dass es auf der ganzen Welt ähnlich verrückte Leute gibt, die sich so intensiv mit dem Kaffee-Thema auseinandersetzen.“ Da treffen mitunter völlig verschiedene Kaffee-Kulturen aufeinander. „Länder im Mittleren Osten wie die Vereinigten Arabischen Emiraten haben eine sehr alte und ganz andere Kaffee-Kultur als wir. Und trotzdem brühen alle am Ende mit dem gleichen Kaffee und dem gleichen Equipment.“
Intensiv mit dem Thema Kaffee kam Carlo Graf Bülow erstmals 2006 in Kontakt. Als Student arbeitete er damals in Bonn bei der Restaurant-Kette Vapiano. Dort gab es eine Siebträgermaschine. „Relativ schnell kam ich dann gemeinsam mit einem Kollegen auf das Thema Latte Art.“ So heißt die Kunst, mit aufgeschäumter Milch filigrane Muster in ein Espresso-Getränk zu gießen. Aus den internen Wettkämpfen entstand der Ehrgeiz, irgendwann an Latte-Art-Wettbewerben teilzunehmen. 2015 war es soweit. Bei den Deutschen Meisterschaften wurde Graf Bülow auf Anhieb Dritter. 2018, im dritten Anlauf, gewann er den Titel und durfte als deutscher Vertreter zur Weltmeisterschaft nach Brasilien fliegen. Für einen vorderen Platz reichte es dort nicht, mit einem Geißbock-Motiv sorgte er dennoch für Aufsehen.

Latte Art mit Geißbock.
Copyright: Carlo Graf Bülow
Spezialitätenkaffee wie ihn die Rösterei Schamong anbietet, hat in den vergangenen Jahren, vor allem während Corona-Zeiten einen Aufschwung erlebt. Schamong röstet schon lange nicht mehr im kleinen Lokal auf der Venloer Straße. Seit 2021 befindet sich Graf Bülows Arbeitsplatz in einer deutlich geräumigeren Halle in Ossendorf. „Die Leute genieße bewusster und viele sehen den Kaffee nicht nur als Wachmacher am Morgen, sondern als Genussmittel“, sagt Graf Bülow.
Wir haben alle das gleiche Ziel. Wir wollen die Leute wegholen vom Griff ins Supermarktregal, wo der Kaffee fünf Euro pro Kilogramm kostet.
Immer wieder eröffnen neue Röstereien, die hochwertigen Spezialitäten-Kaffee anbieten. „Auf dem Niveau von Berlin oder Hamburg sind wir hier noch nicht. Aber es tut sich gerade sehr viel.“ Als Konkurrenz sieht er die vielen neuen Anbieter nicht. „Wir haben alle das gleiche Ziel. Wir wollen die Leute wegholen vom Griff ins Supermarktregal, wo der Kaffee fünf Euro pro Kilogramm kostet. Wir wollen den Leuten zeigen, was Kaffee auch sein kann und dass man vielleicht lieber weniger Kaffee kauft, aber dafür besseren.“ Für den höheren Preis wisse der Kunde dann, wo der Kaffee herkomme und ob er beispielsweise nachhaltig produziert und fair gehandelt wurde.
Ob Carlo Graf Bülow noch einmal um den Weltmeistertitel kämpfen wird, ist noch offen. „Dafür müsste ich erstmal erneut die Deutsche Meisterschaft gewinnen. Bei der WM habe ich dann als Vizeweltmeister natürlich mehr zu verlieren als zu gewinnen.“ Einmal um die halbe Welt reisen müsste Carlo Graf Bülow immerhin nicht für einen erneuten Anlauf. Die nächste WM findet in Lissabon statt.