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Köln bleibt gelassenSo entwickelt sich Kölns Büro-Immobilienmarkt

Lesezeit 5 Minuten
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Hunderttausende Beschäftigte arbeiten momentan überwiegend von zu Hause aus.

Köln – London bröckelt. Nicht in der Substanz, aber was Großmieter in der Innenstadt angeht. Corona wirkt einmal mehr als Beschleuniger: Große Unternehmen mussten in der Krise umdenken und haben gemerkt, dass die Arbeit im Home Office nicht wirklich schlechter lief als vorher. Wozu also noch den gewaltigen Kostenapparat eines repräsentativen Bürohauses aufrecht erhalten. Und Köln?

Hier ist man noch einigermaßen entspannt, was die Lage auf dem Büro-Immobilienmarkt angeht. Zwar weisen die Halbjahresberichte der meisten Immobilienfirmen im ersten Halbjahr Dellen auf. Aber dramatisch sieht man die Lage noch nicht.

Leerstand bisher überschaubar

„Von einem Einbruch kann man sicher nicht sprechen“, sagt Benedikt Graf Douglas, Mitglied der Geschäftsleitung bei Greif und Contzen Immobilien. Corona habe zu Anpassungsprozessen geführt, aber der Leerstand wachse bislang in überschaubarem Umfang. „Es gibt derzeit eine vorsichtige Zurückhaltung, was Neuvermietungen angeht, wir haben geringere Flächenumsätze. Aber wir blicken positiv nach vorne und gehen von einer Erholung aus. Vorausgesetzt natürlich, die Wirtschaft kommt wieder richtig in Schwung.“ Womit sich momentan aber alle beschäftigten, sei die Frage, wie die Flächen künftig genutzt werden könnten.

Bei Projektentwicklern wie der Strabag gehen die Überlegungen in eine ähnliche Richtung. Corona-bedingte Beeinträchtigungen habe man nur unmittelbar während des Lockdowns gehabt, erklärte Sprecherin Rahel Willhardt. „Mittelfristig halten wir uns für neuartige Flächenanforderungen bereit, die sich aus der veränderten Balance zwischen Home Office und Präsenzbüro ergeben. Auch weiterhin werden sich Firmen über Gebäude inszenieren. Statt aber vorrangig als konzentrierter Ort des Arbeitens zu fungieren, werden sie verstärkt als Schauplätze zum Treffen und Kommunizieren genutzt.“

Interview

Dr. Ulrich Soénius ist Geschäftsführer Standortpolitik der IHK.

Flexible Modelle

Wie stellt sich der Markt aus Sicht der Industrie- und Handelskammer dar?

Dr. Ulrich Soénius: Vor dem Lockdown war freie Bürofläche in Köln Mangelware. Das heißt, wir hatten vorher großen Bedarf und werden diesen auch nach Corona haben. Wären wir aus einem hohen Leerstand gekommen, sähe die Situation schwieriger aus.

In Metropolen wie London oder Hongkong gibt es die Tendenz, dass sich Großmieter vom Markt zurückziehen, weil sie gemerkt haben, es geht auch im Home Office.

Die Tendenz mag es im ein oder anderen Fall auch hier geben, Siemens etwa erwartet langfristig eine Reduktion der Flächen. Auch andere Unternehmen denken ernsthaft nach. Grundsätzlich sehe ich aber den Flächenbedarf auch künftig als gegeben an – die Frage ist eher, wie wir mit diesen Flächen umgehen.

Das heißt?

Die Bürolandschaft wird sich nach Corona verändern. Nicht alle werden nur mobil arbeiten können und wollen. Aber es wird Modelle geben, die eine flexible Bürolandschaft und flexible Arbeitsplätze erfordern. Arbeitnehmer sind beispielsweise nicht mehr fünf Tage in der Woche im Büro, sondern nur noch an drei Tagen und wechseln sich mit Kollegen ab. Dafür werden aber mehr Räume für den Austausch und das kreative Miteinander gebraucht. Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern wie sich unsere Arbeitswelt verändern wird.

Können Modelle wie Co-Working-Spaces da eine Rolle spielen?

Zurzeit Corona-bedingt sicher kaum. Aber während es früher meist hippe Start-Ups waren, die solche Flächen genutzt haben, nutzen heute bereits auch alteingesessene Betriebe gemeinschaftliche Flächen. Im Büro-Markt insgesamt werden sie aber keine entscheidende Rolle spielen.

Sehen Sie Gefahren für Großprojekte wie I/D Cologne in Mülheim oder das Haus am Rudolfplatz?

Nein, die sehe ich nicht. Es wird eher die Frage sein, wie man diese Räume aufteilt und vielleicht auch neu denkt. Vieles wird sich erst nach Corona entwickeln. Wir haben ja in dieser Hinsicht noch keine Erfahrungswerte.

Wie sieht Ihr Ausblick auf die kommenden Monate aus?

Es wird voraussichtlich einen leichten, vorsichtigen Anstieg bei Vermietung und Verkauf geben. Aber das setzt natürlich voraus, dass die Wirtschaft auch wirklich wieder in Gang kommt. Die ist noch längst nicht da, wo viele sie bereits vermuten.

Interview: Tobias Wolff

Der Projektentwickler „Art Invest“ lässt gerade ein ganzes Büroviertel auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs Mülheim bauen, 7000 Menschen werden im „I/D Cologne“ arbeiten. Geschäftsführer Arne Hilbert wählt ein Bild, um die Entwicklungen zu beschreiben: „Wenn sie einen Körper in die Kälte stellen, werden die Extremitäten kalt und das Innere warm.“ Heißt: Bürogebäude im schlechteren Lagen könnten Probleme bekommen, zumal wenn sie kein leistungsfähiges Internet haben oder keine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. „Aber in Städten wie Köln wird es eher heißer.“ Daran ändere Corona nichts. „Maximal wird es flexibles Arbeiten geben“, sagt Hilbert. Ein dauerhaftes Home Office sei nicht darstellbar, allein wegen der Arbeitsplatz-Richtlinien oder des Datenschutzes. Zum Kölner Büromarkt sagt Hilbert: „Ich bin nicht beunruhigt, bei so wenig Leerstand tut ein wenig Abkühlung vielleicht ganz gut.“

Auch bei der Gewerbeimmobilienberatung Larbig & Mortag hat man umdenken müssen. Im Shutdown von März bis Juni lag der überwiegende Teil der Transaktionen auf Eis, die Kunden sind vorsichtiger geworden. Außerdem verzeichnet man einen Trend zur Nach- oder Untervermietung von Flächen, die zuvor als Puffer gedient hatten. Aber dramatisch sieht man die Situation noch nicht, auch wenn die Entwicklung schwer vorhersehbar sei: „Ein zweiter Lockdown wäre fatal“, erklärte Prokurist Steffen Gihr. Man erwarte einen leichten Anstieg der Leerstandsquote auf drei Prozent. Doch Flächen würden weiter benötigt: Allein dadurch, dass Abstandsregelungen eingehalten werden müssten und Home Office allein auf Dauer nicht umsetzbar sei.