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Gesamtschulen in KölnJedes vierte Kind darf nicht an seine bevorzugte Schulform

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Seit Jahren kämpfen Eltern für eine Gesamtschule in Rondorf.

Köln – Die Zahlen sind besser als 2020, aber weiterhin dramatisch: Bei der Vergabe der begehrten Plätze an Gesamtschulen gehen erneut hunderte Schülerinnen und Schüler leer aus. Laut Stadt wurden für das kommende Schuljahr 2963 Kinder an den 15 städtischen Gesamtschulen angemeldet, aber mangels Plätzen nur 2268 angenommen, davon 255 mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.

Das bedeutet: 695 Schülerinnen und Schüler – fast jeder Vierte – dürfen ab Sommer nicht wie gewünscht zur Gesamtschule gehen. Ihre Eltern müssen sie nun zwischen 1. und 5. März an einem Gymnasium, einer Realschule oder einer Hauptschule anmelden.

Wie bewerten Elternvertreter die Zahlen?

„Katastrophal“ findet Andreas Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft, die Entwicklung. „Erneut fehlen fast 700 Plätze, das sind mindestens 25 Eingangsklassen. Die Stadt schafft es seit zig Jahren nicht, genug Gesamtschulplätze anzubieten.“ Achim Schmitz, Elternvertreter für alle Kölner Gesamtschulen, pflichtet ihm bei: „Es passiert einfach viel zu wenig. Wenn die Stadt selbst baut, dauert alles ewig.“

Was sagt Schuldezernent Robert Voigtsberger dazu?

„Die hohe Zahl an Ablehnungen an den Gesamtschulen ist sehr belastend. Mir ist bewusst, hinter diesen Zahlen stehen Kinder und Familien, die sich aus guten Gründen für diese Schulform entschieden haben“, erklärte Voigtsberger auf Anfrage der Rundschau.

„Leider lassen sich die Versäumnisse in der Vergangenheit gerade in einer Großstadt mit insgesamt 260 Schulen nicht innerhalb von ein paar Jahren aufholen – schon gar nicht, wenn die Zahl der Kinder beständig steigt.“ Bei der Schaffung von Plätzen habe sich viel getan, „aber noch nicht genug, wie die Ablehnungszahlen uns eindringlich vor Augen führen“.

Ist kurzfristig Besserung in Sicht?

Kaum. Die Nachfrage dürfte weiter steigen, neue Gesamtschulplätze werden aber kaum geschaffen. Laut Schuldezernat soll zum Schuljahr 2022/23 lediglich die Lise-Meitner-Gesamtschule in Porz um zwei Züge (54 Plätze) erweitert werden. Weitere Neu- und Erweiterungsbauten in Ossendorf, Deutz und Nippes würden erst 2027 fertiggestellt, dann gebe es mindestens zehn zusätzliche Züge (270 Plätze).

Streng euch mehr an! Michael Fuchs zum Schulbau in Köln

Es ist das drängendste Thema der letzten Jahre: Wann wird die Stadt endlich genügend vernünftig ausgestattete Schulplätze für alle Kölner Pänz anbieten können? Und zwar in der Schulform, die Eltern und Kinder wünschen. Und in Gebäuden, die zum Lernen einladen – nicht in zahlreichen Provisorien und heruntergekommenen Bauten, die jahrzehntelang vernachlässigt wurden.

Ende Januar hat die Stadt große Pläne verkündet: 372 Millionen Euro stehen 2021 für Schulbau bereit, eine neue Schulbau GmbH soll künftig das Bauen beschleunigen. Es ist gut, wenn die Versäumnisse der Vergangenheit jetzt konsequenter angepackt werden sollen als zuvor.

Doch die dringend benötigten Schulen hätten in der wachsenden Stadt eigentlich längst fertig sein müssen, nicht erst in ein paar Jahren. Die erneut hohe Zahl von Ablehnungen an Gesamtschulen zeigt: Die Stadt muss sich noch viel mehr anstrengen. Und dabei die Schulangebote schaffen, die gewollt sind.koeln@kr-redaktion.de

Die Frage, wann Köln genug Gesamtschulplätze für alle Interessierten hat, „kann nicht beantwortet werden“, so Voigtsberger, „weil weder die Entwicklungen der Schülerzahlen und der Elternwunsch, noch der Baufortschritt sowie weitere Maßnahmen mit Sicherheit vorhergesagt werden können“.

Die Stadt müsse ihre Anstrengungen erheblich vorantreiben. Um das Bauen zu beschleunigen, setze man neben der Vergabe an General- und Totalunternehmer auf die Gründung einer neuen externen Schulbau GmbH. Zudem sei „die Anmietung von Gebäuden zur schulischen Nutzung kurzfristig vorgesehen“, so Voigtsberger.

Was sagt die Politik zu der Entwicklung?

Oliver Seeck, schulpolitischer Sprecher der SPD, übt scharfe Kritik: „Jährlich grüßt das Murmeltier. Wir reden hier nicht von Statistiken, sondern von Schicksalen!“ Der Elternwunsch werde wieder einmal missachtet. „Köln schafft es weiterhin nicht, den Pänz die Bildungschancen zu geben, die sie verdient haben.“

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Helge Schlieben (CDU) sagte der Rundschau: „Jedes Kind, das einen Gesamtschulplatz möchte, soll diesen in Köln perspektivisch auch erhalten. Daher werden wir die Schaffung zusätzlicher Gesamtschulplätze auch weiterhin forcieren, um die Lücke an fehlenden Plätzen zu reduzieren. Das geht leider nicht von heute auf morgen.“

Bärbel Hölzing (Grüne) sagte, positiv sei, dass die Zahl der fehlenden Plätze im Vergleich zu früher kleiner geworden ist. Man habe viel auf den Weg gebracht, müsse aber noch mehr tun.