Kleinste HütteAuf Poller Campingplatz „Wiesenhaus“ in Tiny Houses übernachten
- 20.000 Euro müssen Interessierte für ein Tiny House mindestens ausgeben .
- Eine Nacht im in einem Tiny House im „Wiesenhaus“ kostet für ein bis zwei Personen zwischen 65 und 90 Euro pro Nacht.
- Eine baurechtliche Ausnahme stellt ein Campingplatz wie auch das „Wiesenhaus“ in Poll dar.
Köln-Poll – Die Diskussion war vorbei, bevor sie überhaupt losgehen konnte. Ohne dass Alexander Zug auch nur in Erwägung ziehen konnte, selbst im oberen Teil des Etagenbettes zu schlafen, haben seine Kinder, Moritz (10) und Merle (8), eben diesen schon in Beschlag genommen. Als alleinerziehender Vater hat man es zwar definitiv nicht immer leicht – die glücklichen Gesichter des Nachwuchses waren für den 44-Jährigen aber Trostpflaster genug. Also verzichtete er auf die grandiose Aussicht, die sich aus dem oberen Stockwerk des Bettes durch das große Panoramafenster entfaltet.
Nicht einmal hundert Meter sind es von dem Wochenendschlafplatz der Familie bis zum Rhein – fast meint man, die Schiffe vom Bett aus berühren zu können. Und selbst ein lautes Tönen eines Signalhornes kann das friedliche, beinahe schon meditative Idyll, das sich die dreiköpfige Familie aus München als Zwischenstation auf ihrem Weg in die Niederlande ausgesucht hat, nicht wirklich trüben.
Übernachtungen
Eine Nacht im in einem Tiny House im „Wiesenhaus“ kostet für ein bis zwei Personen zwischen 65 und 90 Euro pro Nacht, jede zusätzliche Person kostet 15 Euro, gebucht werden müssen mindestens zwei Nächte, die Endreinigung schlägt noch einmal 45 Euro zu Buche. Zusätzlich zu den Mietferienhäusern sollen Dauercampern künftig auch noch Stellflächen für eigene Tiny Houses zur Verfügung gestellt werden.
Zwei Nächte verbringen sie in einem sogenannten Tiny House (Englisch für „Winziges Haus“) auf dem Dauercampingplatz „Wiesenhaus“ am Weidenweg 100 in Poll. Und auch wenn die Familie durchaus Camping-Erfahrung vorzuweisen hat: „In einem solchen Haus haben wir noch nie geschlafen, dementsprechend gespannt sind wir natürlich. Aber es sieht schon sehr, sehr schick aus und riecht noch komplett neu“, schwärmt Alexander Zug noch vor der ersten Nacht.
Unweigerlich schießt einem, wenn man das erste Mal ein Tiny House sieht, Peter Lustig aus „Löwenzahn“ in den Kopf. Ebenso wie dessen umgebauter blauer Wohnwagen sind auch die Tiny Houses in der Regel mobil (zu den besonderen Bestimmungen hierzulande siehe Kasten). Gerade einmal 6,60 mal 2,55 Meter, also knapp 14 Quadratmeter misst das Modell „HAUSEN“, das die Familie bezogen hat.
Es ist eins von derzeit vier, sehr unterschiedlichen Tiny Houses auf dem Dauercampingplatz am Poller Rheinufer. „HAUSEN“ stammt aus dem Kölner Design- und Architektur-Atelier „Studio W“ von Wibke Schaeffer und Moritz Zielke, die mobile Minihäuser in Kooperation mit dem Tischlermeister Tom Jumpertz aus Jülich kreieren.
Der Diplom-Designer Zielke, der von 1992 bis 2017 den Momo Sperling in der „Lindenstraße“ mimte, ist gemeinsam mit Gary Meuser und Kerstin Wittmütz seit vergangenem November zudem Eigentümer vom „Wiesenhaus“. Nach mehreren Monaten Umbauarbeiten haben die neuen Eigentümer im Juli den Betrieb, zu dem neben dem Campingplatz auch eine Ferienwohnung und ein öffentliches Café gehören, wieder eröffnet. Bis zu zehn von den winzigen Häusern sollen auf dem Gelände mal stehen und gebucht werden können.
Der Hintergrund
Kosten und Rechtliches
20 000 Euro müssen Interessierte für ein Tiny House mindestens ausgeben – dafür erhalten Besitzer aber auch nur den absoluten Standard – ein Badezimmer ist nicht mitinbegriffen. Das von der Familie Zug bezogene Modell „HAUSEN“ vom „Studio W“ kostet inklusive Kombitherme, Badezimmer, Küche und Panoramafenster aus Massivholz rund 58 000 Euro.
Im Gegensatz zu den USA, wo die Tiny-House-Bewegung seinen Ursprung hat, gelten in Deutschland und EU-weit besondere Voraussetzungen, um ein mobiles Minihaus nutzen zu dürfen – unabhängig von der Nutzung auf öffentlichen Straßen oder zu Wohn- oder Gewerbezwecken. Grundsätzlich bedürfen mobile Tiny Houses in Deutschland einer straßenverkehrstechnischen Zulassung durch eine zuständige Einrichtung wie TÜV oder DEKRA.
Die baurechtliche Zulassung ist abhängig von der Nutzungsart. Wird ein Tiny House etwa als Wohn-, Ferien- oder Wochenendhaus genutzt, ist eine dafür erforderliche Baugenehmigung einzuholen, die sowohl für eine dauerhafte als auch für temporäre Nutzung erteilt werden kann. Zu beachten ist dabei jedoch, dass sich der Standort auf einer von der jeweiligen Kommune dafür geplanten oder genehmigungsfähigen Fläche befindet. Zu den baurechtlichen Anforderungen zählt auch die Versorgung mit Strom, Wasser sowie Abwasser und Müllabfuhr. Hinzu kommen noch etwaige brandschutzrechtliche Anforderungen an die elektrotechnischen Systeme.
Eine baurechtliche Ausnahme stellt ein Campingplatz wie auch das „Wiesenhaus“ in Poll dar. Dort dürfen Tiny Houses grundsätzlich ohne Baugenehmigung aufgestellt werden. Weitere Bedingungen – etwa die hinsichtlich eines dauerhaften Bewohnens oder der Nutzung als Erst- oder Zweitwohnsitz – regelt die Campingverordnung des jeweiligen Bundeslandes respektive die Vorgaben der jeweiligen Kommune. (roe)
„Es besteht total viel Interesse, die Leute suchen einfach nach Alternativen, aus der Stadt herauszukommen“, ist sich „Wiesenhaus“-Miteigentümerin Kerstin Wittmütz sicher. Das spiegelt auch die Nachfrage wider: Wer derzeit Nächte in einem der vier Tiny Houses verbringen möchte, braucht entweder Glück oder Geduld. Für den Spätsommer sind nahezu alle Nächte ausgebucht
. „Für viele“, so Wittmütz weiter, „ist es zudem auch eine willkommene Alternative zum Wohnwagen, da die Minihäuser aus Holz gefertigt werden und somit nachhaltiger sind – und auch die Dämmung sorgt für einen entsprechenden Komfort.“
Diesen konnten auch Alexander Zug samt Nachwuchs nach ihrem Besuch bestätigen. „Man fühlt sich tatsächlich wie in einem richtigen Haus – alles ist sehr ruhig und gemütlich“, so das Fazit des Vaters. Ob er sich ein Tiny House als dauerhafte Wohnung vorstellen könne, könne er jedoch nicht sagen „Jetzt gerade ist das mit Familie noch etwas schwierig, aber später als Sommersitz könnte ich mir das schon vorstellen. Wahrscheinlich müsste es aber eine größere Variante sein.“
Zumindest Töchterchen Merle und Sohn Moritz hätten wohl nichts gegen einen solchen Umzug einzuwenden. Diese nämlich hätten gerne noch etwas mehr Zeit in dem winzigen Haus am Rheinufer verbracht. Kein Wunder, bei der Aussicht.