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Kita im Kölner WestenSexuelle Übergriffe von Kindern an Kindern gemeldet

Lesezeit 3 Minuten

Bei Fällen sexueller Übergriffe unter Kindern wird nach einem festgelegten Verfahren gehandelt, beteiligt sind Jugendämter und Beratungsstellen.

Köln – In einer katholischen Kindertagesstätte im Kölner Westen soll es über einen längeren Zeitraum zu sexuellen Übergriffen von Kindern an Kindern gekommen sein. Wie die Rundschau erfuhr, sollen mindestens vier Mädchen betroffen sein. Zwei Jungen sollen ihnen Stöcke in Vagina und Anus gesteckt haben. Das berichten Angehörige von in der Kita angemeldeten Kindern. Dabei soll es sichtbare Verletzungen gegeben haben, die Eltern aufgefallen waren. Eine Mutter hatte sich in einem Beschwerdebrief an das Landesjugendamt des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) gewandt.

Sexuelle Gewalt im Vorschulalter ist keine Seltenheit. „In jedem Einzelfall muss unterschieden werden, ob es sich um Doktorspiele handelt, bei denen die Kinder ihre Körper entdecken, oder ob Druck oder Macht auf andere ausgeübt wird“, erklärt ein Sprecher des Landesjugendamtes.

Es gebe immer wieder Fälle von grenzüberschreitendem Verhalten, bestätigt auch das Jugendamt der Stadt Köln.

Sofortmaßnahmen nach Bekanntwerden wurden ergriffen

Doktorspiele oder sexuelle Übergriffe?

Kindliche Sexualität

Doktorspiele gehören laut Zartbitter zur normalen Entwicklung von Vor- und Grundschulkindern. Mädchen und Jungen untersuchen ihre Geschlechtsorgane und imitieren das Verhalten von Erwachsenen. Dabei ist ihnen oft nicht bewusst, dass es zu Verletzungen kommen kann. Treten diese wiederholt auf und werden die bekannten Regeln missachtet, spricht man von sexuell übergriffigem Verhalten. Fachleute sprechen zudem von „sexuell übergriffigen Kindern“ – nie von Tätern.

Regeln für „Doktorspiele“

  1. Jedes Mädchen/jeder Junge bestimmt selbst, mit wem sie/er Doktor spielen will.
  2. Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen einander nur so viel, wie es für sie selbst und die anderen Kinder schön ist.
  3. Kein Mädchen/kein Junge tut einem anderen Kind weh.
  4. Niemand steckt einem anderen Kind etwas in den Po, in die Scheide, in den Penis, in den Mund, in die Nase oder ins Ohr.
  5. Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben bei „Doktorspielen“ nichts zu suchen.

Weitere Informationen unter www.zartbitter.de

Allein im Jahr 2016 erhielt der Kölner Verein Zartbitter mehr als 235 Beratungsanfragen bezüglich sexueller Übergriffe durch gleichaltrige Kinder und Jugendliche. Davon bezogen sich mehr als 135 Fälle auf sexuelle Übergriffe durch Kinder im Vor- und Grundschulalter. Entwickelt wurde daraufhin ein innovatives Präventionsprojekt, unter anderem für Kinder ab drei Jahren. Zartbitter ist eine der ältesten Kontakt- und Informationsstellen gegen sexuellen Missbrauch in Deutschland. Unter anderem hat der Verein eine Informationsbroschüre für Eltern mit dem Titel „Doktorspiele oder sexuelle Übergriffe?“ in zwölf Sprachen übersetzt (siehe Kasten).

Der Träger der Kita habe, nachdem er über die aktuellen Vorfälle informiert worden sei, sofort alle vorgesehenen Schritte veranlasst, teilte das Erzbistum auf Anfrage der Rundschau mit. „Jeder Hinweis wurde und wird ernst genommen und geprüft.“ Bei Übergriffen gibt es feste Verfahren: Die Einrichtung schaltet das zuständige Landesjugendamt ein, das mit den städtischen Jugendämtern zusammenarbeitet. Sowohl Eltern und Kinder als auch Mitarbeiter erhalten von den Behörden Beratungs- und Unterstützungsangebote, in Köln etwa von Zartbitter oder dem Kinderschutzbund.

Die Kita veranstaltete nach Bekanntwerden der Übergriffe bereits vor einigen Wochen einen Elternabend, verteilte dabei Info-Material an Mütter und Väter. Es wurden Regeln zu „Doktorspielen“ aufgestellt sowie das weitere Vorgehen erklärt. „Betroffenen Eltern und Familien wurden und werden konkrete Hilfsangebote gemacht“, teilte das Erzbistum mit. „Das oberste Credo ist: Kein Kind darf verletzt werden“, so ein Sprecher des Landesjugendamtes.

Angehörige sind dennoch unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Einige Eltern laden Jungen nicht mehr zu Kindergeburtstagen ein, heißt es aus dem Umfeld. Man sei „übervorsichtig“ bei Einladungen von Jungen nach Hause zum Spielen: „Das Vertrauen ist weg.“ Auch aus Datenschutzgründen wurden die Eltern nicht über die Namen der betroffenen Kinder informiert. „Für den umfassenden Informationswunsch aller, auch nicht betroffener Eltern, haben wir Verständnis“, so ein Sprecher des Erzbistums. „Allerdings ist die Weitergabe von Informationen zu Kindern sehr problematisch und erfordert eine hohe Sensibilität, um alle Kinder zu schützen.“ Auch sei der aktuelle Fall noch nicht abschließend geklärt. Am heutigen Mittwoch findet ein weiteres Gespräch mit der Kita, dem Erzbistum und den Jugendämtern statt.