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Kölner Kultsitzung„Kling, klang, stoß einmal an“ - So lief die Premiere des „Jeckespills“

Lesezeit 3 Minuten
Ausverkauft: Gut 180 Gäste kamen zur Premiere in die Südstadt.

Ausverkauft: Gut 180 Gäste kamen zur Premiere in die Südstadt.

Die Kneipensitzung feierte mit rund 180 Jecken und versteckten Perlen vergangener Tage Premiere in der Wagenhalle der Comedia. 

Tanzen geht auch im Sitzen. Das ist vor allem dann praktisch, wenn ohnehin kein Platz ist, um aufzustehen. „He es et hot, he küss do nit fott, et es eng, dröm es et klor: Mir danze hück em Setze“, singt die Zwei-Mann-Saalkapelle Botzeraf auf der engen Bühne in der Wagenhalle der Comedia und gibt damit die Richtung vor. Vorhang aufs fürs „Jeckespill“. Bei der mittlerweile kultigen „Weetschaffssitzung“ hängt der Erfolg des Abends nicht von tanzenden, springenden und grölenden Jecken ab. Frohsinn funktioniert auch im Sitzen. Auch mit ruhigeren Tönen.

Im 16. Jahr ihres Bestehens haben die „Jeckespill“-Macher um Helmut und Mica Frangenberg wieder nach Schätzen des kölschen Liedguts gegraben. Eine dieser versteckten Perlen ist das Trinklied „Kling, Klang“ aus dem Jahr 1930, das nicht zum ersten Mal Teil der Kneipensitzung ist. „Kling, klang, stoß einmal an, führe den Becher zum Mund. Kling, klang, zeig dich als Mann, leere das Glas bis zum Grund.“ Das würde heutzutage kaum noch jemand so texten, aber genau nach diesen Liedern vergangener Tage suchen die Macher schließlich abseits des zeitgenössischen jecken Einheitsbreis - ohne dabei zu sehr in die Früher-war-alles-besser-Schiene abzurutschen.

Auftritt von „Nubbel“ Michael Hehn, Volker Weininger und Willi und Ernst

Allzu schlüpfrig und politisch unkorrekt wird es in diesem Jahr nicht. Obwohl auch ein Lied von Horst Muys, der schon zu seiner Zeit als humoristischer Grenzgänger galt, einen Platz im Programm bekommt. „Dä Dingens us dr Dingensstroß“ ist aber weder schlüpfrig noch sonst irgendwie kritisch, sondern einfach nur unterhaltsam – noch so eine Perle also. Und dank des 22-seitigen Liederheftes singen die rund 180 Premieren-Gäste lautstark mit.

„Nubbel“ Michael Hehn mit Dudelsack auf der kleinen Bühne des „Jeckespill“.

„Nubbel“ Michael Hehn mit Dudelsack auf der kleinen Bühne des „Jeckespill“.

Nur, weil „Jeckespill“ draufsteht, heißt das aber nicht, dass das aufmerksame Publikum den Künstlern alles durchgehen lässt. Kurze Buh-Rufe kassiert „Nubbel“ Michael Hehn für seinen Bodyshaming-Gag über die Ex-Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Davon abgesehen ist Hehn genau wie das Zwiegespräch Willi und Ernst bestes Beispiel dafür, dass die kleine Bühne des „Jeckespill“ wie geschaffen ist für Vertreter der ruhigeren Töne. Das Zuhören fällt im engen Brauhaus-Setting auch nach mehr als drei Stunden niemandem schwer und ist ganz wesentlicher Teil des Konzepts. Stimmung kann Hehn im Übrigen auch. Erstmals marschiert er mit Dudelsack auf die Bühne und verpackt gemeinsam mit der spielfreudigen Saalkapelle den Berbuer-Klassiker „Heidewitzka, Herr Kapitän“ in ein neues schottisches Gewand. Einer der Höhepunkte des Abends ist der Auftritt von „Sitzungspräsident“ Volker Weininger, dem mit seinen Geschichten aus dem Delirium ohnehin keine Bühne zu klein oder zu groß ist – und der natürlich perfekt ins „Jeckespill“ passt.

„Jeckespill“ in Köln: Brauhaus-Elfen haben sich vermehrt

Neu in dieser Session: Die singenden Brauhaus-Elfen sind nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt. „Unkontrollierte Zellteilung“, kommentieren Willi und Ernst die Entwicklung. Tradition hat an jedem Abend die Taufe der Elfen mit Namensvorschlägen aus dem Publikum. Die Wahl fällt auf „Jede“, „Ovend“, und „Anders“. Da ist bei den folgenden zehn Terminen bis zum 20. Februar noch Luft nach oben.

Die Band Halvlang sorgte für den Abschluss des Premierenabends.

Die Band Halvlang sorgte für den Abschluss des Premierenabends.

Für den krönenden Abschluss einer abwechslungsreichen Premiere sind die drei Musiker von Halvlang zuständig. Es ist der erste Auftritt der Band auf einer Karnevalsbühne überhaupt. Der kölsche Irish-Folk-Punk von Halvlang ist an diesem Abend am nächsten dran und dennoch meilenweit entfernt von dem, was das „Jeckespill“ nicht sein will: dem ballermannisierten Karneval. Beim „ohoho“-Mitmach-Teil hält sich eine Frau, die kurz zuvor noch strahlend den Bläck-Fööss-Zungenbrecher „Schäle Schäng“ textsicher mitsingen konnte, die Ohren zu und verzieht das Gesicht. Dem Großteil der Jecken in der Wagenhalle gefällt’s aber. Stark auch der schunkelnde Abgesang „Stadt am Engk“, über die vielen Missstände in der geliebten Stadt: „Stadt am Rhing, blind vür Jlöck, in rut-wieß Zuckerwatt injepack“. Und am Ende steht dann doch die halbe Wagenhalle. Wenn die Stimmung passt, kann das auch die engste Wirtschaft nicht verhindern.