KG Grüne Rheinfunken für NachhaltigkeitMuss der Karneval so viel Müll produzieren?
- Köln ist um eine Karnevalsgesellschaft reicher: Die KG Grüne Rheinfunken möchte Karneval und Nachhaltigkeit verbinden.
- Mit Olivér Szabó, dem ersten Vorsitzenden, und Dirk Vollmer, seinem Stellvertreter, sprach Johanna Tüntsch.
Es gibt bereits über hundert Vereine und Gesellschaften, die dem Festkomitee angeschlossen sind. Warum jetzt noch die „Grünen Rheinfunken“?
Szabó: Wir haben einen speziellen Fokus: Uns geht es um Nachhaltigkeit.Vollmer: Wobei wir das Wort nicht so überstrapazieren möchten, wie das derzeit vielfach passiert. Aber wir möchten ökologische und soziale Aspekte stärker in den Karneval einbringen.
Was läuft denn in dieser Hinsicht derzeit schief?
Vollmer: Für mich spiegelt der Karneval den gleichen Wahnsinn wider, den wir zu Teilen auch im Kapitalismus wiederfinden. Bei beiden gibt es eine extreme Wegwerfkultur.
Szabó: Momentan beschäftigt uns vor allem der Umgang mit dem Wurfmaterial. Es geht mir schon lange auf den Keks, was da stattfindet. Ich habe drei Kinder, und wenn wir vom Zug kommen, wird zu Hause erst einmal sortiert: Was ist böse? Was ist noch böser? Am Ende schmeißt man vieles weg, denn kein Mensch, wirklich: kein Mensch, der geradeaus denken kann, gibt seinen Kindern so viele Süßigkeiten! Und seien wir ehrlich: Es ist ja nicht nur zu viel, sondern es sind auch Dinge dabei, die niemand mag. Die werden schon produziert für den Müll! Oder dafür, dass man sie auf der Straße zertrampelt. Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein.
Beurteilen andere das Ihrer Erfahrung nach auch so wie Sie?
Szabó: Freunde von mir sehen es so, ja. Die waren auch gleich dabei, als ich in der Kneipe erzählt habe, dass ich einen nachhaltigen Karnevalsverein gründen will.
Es könnte aber auch Skeptiker geben, die befürchten, dass das Feiern weniger Spaß macht, wenn man sich jetzt auch noch im Karneval um die Nachhaltigkeit Gedanken machen muss.
Szabó: Natürlich. 2019 habe ich nach dem Veedels-Zoch in Nippes mit anderen Müll eingesammelt. Das hat nicht nur Zuspruch gegeben. Es gab auch Kommentare wie: „So Leute wie ihr machen den Kölner Karneval kaputt“. Ich finde sowas ja amüsant, aber dennoch fragwürdig. Ich verstehe auch, dass man große Massen braucht, um den ganzen Zug über etwas zu werfen. Aber müssen es Dinge sein, die für den Müll produziert sind? Im Übrigen habe ich einen älteren Nachbarn, der mir erzählt hat, dass schon früher selektiert wurde. Zertrampelt oder liegen gelassen wurde aber nichts. Immerhin handelt es sich um Lebensmittel. Mit der Tradition ist das also so eine Sache. Abgesehen davon, dass es manchmal auch einfach an der Zeit sein kann, mit Traditionen, zu brechen.
Welche Lösungen könnte es denn geben?
Szabó: Anderes Wurfmaterial! Sachen, die einen vernünftigen Hintergrund haben.
Klingt teuer.
Szabó: Die größte Hürde ist meistens gar nicht das Geld, sondern die Zeit, oder dass man nicht weiß, wo man ansetzen soll. Wir möchten Ideen entwickeln, die sich jeder leisten kann.
Vollmer: Eine Idee wäre ja auch, das mit dem Foodsharing zu verbinden. Ein Drittel der genießbaren Lebensmittel landet in Deutschland in der Tonne. Wenn man das in handelsübliche Mülltonnen füllen würde, könnte man von ihnen zehn Stück nebeneinander stellen und in dieser Breite eine Strecke vom Brandenburger Tor bis Lissabon pflastern – pro Jahr!
Lebensmittel lassen sich natürlich nicht so gut werfen wie Weingummitütchen.
Vollmer: Ich persönlich möchte den Leuten gar nicht die Kamelle vor die Füße werfen. Es ist doch viel netter, wenn man sie übergibt! Mit den Strüßjer wird das ja auch so gemacht.
Sie haben den Verein gerade erst gegründet. Können die Kölner die KG Grüne Rheinfunken in dieser Session schon sehen, und wenn ja, wo genau werden sie unterwegs sein?
Szabó: Wir werden beim Sülzer Dienstagszug mitgehen. Darüber, was wir dabei werfen werden, und auch über die Kostüme, stimmen wir uns gerade noch ab.
Würden Sie sich wünschen, dass andere Gesellschaften den Ansatz der KG Grüne Rheinfunken nachahmen?
Szabo: Auf jeden Fall! Wir wissen: Wir müssen mit der Welt nachhaltiger umgehen als es der Fall ist. Der Karneval kann nichts dafür, auch nicht der einzelne Verein. Aber Vereine und Veranstalter können gegensteuern.Vollmer: Wir feiern selbst gerne! Wir möchten keine Besserwisser sein und niemandem die Leichtigkeit nehmen. Für uns ist da kein Widerspruch. Das generationenübergreifende Schunkeln, Singen und Bierchen trinken ist für uns Tradition des Karnevals.
Mehr Teilnehmer, mehr Wurfmaterial
Im Straßenkarneval fällt viel Müll an. „In den vergangenen Jahren liegt die Gesamtmüllmenge bei 500 Tonnen“, berichtet Wilfried Berf, Pressespecher der AWB. Die Zahl berücksichtige die Hinterlassenschaften sämtlicher Züge im Stadtgebiet. Einen Teil des Müllvolumens machen Getränkeverpackungen aus, die die Zuschauer zum Zug mitbringen.
Weiterer Müll entsteht durch das Wurfmaterial, dessen Menge allein beim Rosenmontagszug bei 330 Tonnen liegt,Im Zusammenhang mit den Massen an geworfenen Süßigkeiten spielt eine Rolle, dass der Zug sich verändert hat. Zum einen gibt es mehr Teilnehmer: In den 1990er Jahren war eine Fußgruppe auf 25 bis 30 Personen begrenzt, heute zählt sie oft eher 80 bis 90 Köpfe. Anders ist zum Teil auch der Aufbau der Wagen. Noch vor etwa 20 Jahren wurde auf den Persiflagewagen den Karikaturen mehr Platz eingeräumt, der heute mitunter eher für mitfahrende Karnevalisten oder eben für die Vorräte an Wurfmaterial verwendet wird.
Ein dritter Punkt ist, dass sich die Zahl der mitlaufenden Musikanten etwa halbiert hat, unter anderem, weil entlang des Zugweges viele Lautsprecher aufgestellt werden : Da werfen die Jecken lieber Kamelle, als Musik zu spielen, die kaum Gehör findet. Dieser Problematik widmet sich jetzt auch das Festkomitee Kölner Karneval: Es plant, eine Studie zu beauftragen, um nachhaltigere Lösungen zu finden. (jot)