PersiflagewagenSo entsteht ein Wagen für den Kölner Rosenmontagszug

So sehen die fertig montierten Figuren aus.
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Köln – Etwa drei Wochen dauert der Bau eines Persiflagewagens für den Kölner Rosenmontagszug. Wir durften hinter die Kulissen blicken und die Entstehung eines Wagens von der ersten Konstruktionszeichnung bis zur Vollendung begleiten. Lisa Labusga formt bereits im zwölften Jahr Köpfe aus Styropor und Körper aus Draht und Papier.
Eine Eisenstange sorgt für die nötige Körperspannung der beiden Mariechen. Durch die Füße dringt sie in ihre Modell-Körper ein und endet erst im Kopf. Die Tänzerinnen scheinen auf zwei ausgebreiteten Handflächen zu schweben. "Das Sessionsmotto ist nicht einfach, denn vor allem die Tanzposen sind eine bauliche Herausforderung", sagt Lisa Labusga (37) und formt Maschendraht, drei Millimeter dick. Für fünf Wagen hat sie in diesem Jahr vom Festkomitee den Bauauftrag erhalten, darunter auch der Zugleiterwagen. "Eine besondere Ehre", freut sie sich.

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Sägen kreischen, Späne liegen am Boden. Lisa Labusga trägt dicke Schuhe und einen schwarzen Fleece-Pulli, um in der Wagenbauhalle am Maarweg in Braunsfeld der Kälte zu trotzen. Irgendwo im Gewirr der knapp 30 Persiflagewagen, die hier entstehen, bastelt auch ihr Vater. Herbert Labusga, 79, Maler und Bildhauer, gilt als Legende in den Kreisen der Karnevals-Künstler. Seit fast 50 Jahren entwirft er Wagenmotive und modelliert die Machthaber dieser Erde in lustigen Posen. "Ich habe in der Halle hier geholfen, seitdem ich laufen kann", sagt seine Tochter und lächelt. Sie selbst ist nun schon seit zwölf Jahren Wagenbauerin.
Im Mai starten die Vorbereitungen
Auf feinem Millimeterpapier fängt alles an. Im Mai trifft sich die Kreativ-Mannschaft des Kölner Karnevals, das "Kommando Kritzelköpp", zu dem auch Lisa Labusga gehört, um Ideen zu entwerfen. "Wir sind ein Team. Konkurrenz gibt es nur bei den Wagenbauern", erklärt sie. Immerhin geht es um Arbeitsaufträge. Das Festkomitee zahlt ausgehandelte Festpreise für den Bau der Wagen, "letztlich hängt die Bezahlung vom Aufwand ab", weiß Labusga. Eine Konstruktionszeichnung, Maßstab 1:20, ist das Erste, was von den auf Händen schwebenden Tänzerinnen zu sehen ist. Bunt sind ihre Kostüme, die Farben aller neun Traditionskorps sind enthalten.

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Die Kreativität der Künstler hat klar definierte Grenzen. Bei 4,60 Meter ist Schluss. Höher dürfen die Aufbauten nicht sein. "Wir müssen mit den Oberleitungen aufpassen", weiß Labusga. Die Künstler seien für die Sicherheit ihrer Wagen verantwortlich. "Wenn da ein Ast falsch hängt, ist schnell mal die Kopfbedeckung einer Figur ab", sagt sie. Ein wenig neidisch blickt sie auf den Karneval in Rio, wo die Prunkwagen die Ausmaße eines Mehrfamilienhauses annehmen. "Es wäre der Hammer, einfach mal zehn Meter höher bauen zu dürfen", meint sie sehnsüchtig. In Köln käme ein solcher Wagen um keine Kurve. Schon vor der Severinstorburg wäre Schluss.
Alte Wagen werden mit Gewalt abgebaut
In der zweiten Januarwoche nehmen die beiden Mariechen des Tanz-Wagens Konturen an. Lisa Labusga schneidet mit einer Stichsäge Umrisse der Innenverkleidung aus dickem Karton zurecht. Später schnitzt sie die Köpfe aus großen Styroporblöcken. „Hier kann ich meiner Fantasie freien Lauf lassen. Wenn Prominente nachgebildet werden, ist eine ganz andere Konzentration gefragt“, erklärt Labusga. Ob ihr schon mal Charakterzüge misslungen sind? „Ja, zu meiner Anfangszeit ist mir das passiert. Dann habe ich den Kopf abgerissen und einen Heulkrampf bekommen. Aber es ist besser neu anzufangen als dauerhaft unzufrieden zu sein“, meint sie.

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Die Bitterkeit der Zerstörung erlebt sie jedes Jahr im Oktober. Dann werden in der Halle in Braunsfeld die alten Wagen abgebaut - allerdings mit Gewalt. „Es kann richtig weh tun, wenn der Gabelstapler in eine Figur rammt und sie abreißt“, erzählt Labusga. Den überwiegenden Teil des Jahres arbeitet sie als Maskenbildnerin für Film- und Fernsehproduktionen. „Ich habe ein Filmleben und ein Karnevalsleben. Im November tausche ich dann den kleinen gegen den großen Pinsel“, meint sie. Grob geht es mitunter zu beim Wagenbau. Aus Maschendraht formt Labusga die Körper der Mariechen, darüber wird Papier gekleistert und dann bunt bemalt.
Drei Tage vor Richtferst ist Wagen fertig
Drei Tage vor dem Richtfest, jenem Tag, an dem sich die Tore der Wagenbauhalle in einer kleinen Zeremonie für die Karnevalsgesellschaften und Medienvertreter öffnen, pinselt Labusga entspannt die letzte Farbschicht auf den Rock eines Mariechens. „Wir waren früh fertig dieses Mal. In den vergangen Jahren haben wir fast immer bis auf den letzten Drücker gearbeitet“, erzählt sie. Zufrieden betrachtet sie ihr Werk. „Das sind zwei hübsche Mädchen geworden. Ich mag ihre Gesichter“, meint sie und lächelt. Die Botschaft des Wagens ist eindeutig: „Auf Händen getragen“ heißt es auf der Kanzel des Gefährts. Eine Hommage an die 60 Tanzgruppen im Kölner Karneval. „Ein Wagen muss in 90 Sekunden komplett erkannt und begriffen werden“, sagt Labusga. Früher seien mehr Schilder und Schriftzüge an den Persiflagewagen befestigt gewesen. Doch gute Wagen brauchen keine Erklärung. In der fünften Gruppe wird ihr Wagen zu sehen sein, bei den Roten Funken.
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Die Karnevalsession ist dieses Jahr recht kurz, daher auch der frühe Rosenmontags-Termin. Weil dennoch alle Gruppen im Hellen das Ziel in der Mohrenstraße erreichen sollen, ist die Teilnehmerzahl von 12.000 auf 11.000 reduziert worden. Zum Zug gehören dieses Mal 68 Gruppen.
Etwa 7,5 Kilometer ist der Zugweg lang, Start ist um 10 Uhr an der Severinstorburg.