Die Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz wird mindestens zwölf statt drei Jahre dauern.
Kann sich Köln diese Zitterpartie leisten?Eröffnung der Bühnen zur Spielzeit 2024/25 ist noch ungewiss
Es ist eines der teuersten Kulturprojekte in Deutschland: Die Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz wird mindestens zwölf statt drei Jahre dauern und inklusive der Kosten für Finanzierung und Interimsspielstätten mehr als eine Milliarde Euro verschlingen. Nun wackelt die geplante Eröffnung im Herbst 2024 bedenklich, es droht eine monatelange Zitterpartie. Fragen und Antworten.
Warum dauert die Sanierung so lange?
Lange Zeit stellte sich die Frage, ob der denkmalgeschützte Riphahn-Bau von 1957 überhaupt saniert werden kann. Nur zu gut erinnern wir uns an den spektakulär gescheiterten ersten Anlauf, der nicht nur in der Stunksitzung, sondern bundesweit durch den Kakao gezogen wurde. Kabelstränge, die größer waren als die Schächte, in denen sie verlegt werden sollten, waren nur eines von zahllosen Problemen.
Wie ist die aktuelle Lage?
Chef-Sanierer Bernd Streitberger hat versichert, dass man die technischen Probleme in den Griff bekommen werde. Doch mittlerweile sind nicht nur die Kosten explodiert. Auch der vor 18 Monaten festgelegte Termin für die Schlüsselübergabe am 22. März 2024 wurde auf den 28. Juni 2024 verschoben (die Rundschau berichtete). Der neue Termin ist laut Streitberger zwar realistisch. Aber ob er wirklich gehalten wird, kann derzeit niemand garantieren.
Welche Probleme ergeben sich daraus?
Je länger sich die Schlüsselübergabe verzögert, desto schwieriger wird es, die Wiedereröffnung wie geplant zum Beginn der Spielzeit 2024/25 umzusetzen. Die Intendanten planen deshalb bereits zweigleisig – mit Inszenierungen, die am Offenbachplatz Premiere feiern sollen, oder aber in den bisherigen Interimsstätten Staatenhaus und Depot. Doch dieser Spagat lässt sich nicht bis zur letzten Minute fortsetzen. Ohnehin braucht eine neue Spielzeit einigen Vorlauf. Programme müssen erstellt, Werbemaßnahmen umgesetzt werden und vieles mehr.
Wann bekennen die Bühnen Farbe?
Streitberger, der am Dienstagabend im Betriebsausschuss Bühnen Rechenschaft ablegen musste, erklärte auf die Frage der Rundschau, wann er definitiv sagen könne, dass der 28. Juni 2024 gehalten wird: „Voraussichtlich kann diese Aussage im Frühjahr 2024 zum Abschluss der Sachverständigen Abnahmen getätigt werden.“ Heißt: zwischen Anfang März und Ende Mai. Doch können Ensembles, Politik und Verwaltung so lange warten zu entscheiden, ob die sanierten Bühnen tatsächlich im Herbst eröffnet werden – notfalls eine nach der anderen?
Was spräche dafür, die Eröffnung zu verschieben?
Der Kultur-Experte der CDU, Ralph Elster, hatte in der Rundschau bereits betont: „Man darf die Bühnen nicht tröpfchenweise eröffnen. Dann lieber ein Jahr warten.“ Nun bekräftigte er seine Haltung: „Köln kann viel von der Elbphilharmonie lernen. Nach jahrelangen Debatten über Bauverzögerungen und Kostenexplosion hat sich Hamburg bei der Wiedereröffnung Zeit gelassen und diese als Kulturereignis von nationaler Bedeutung und Strahlkraft inszeniert. Und was war die Folge? Die Hamburger und ganz Deutschland sind begeistert, über die Kosten spricht kaum jemand.“ Köln müsse die Wiedereröffnung seiner Bühnen mit großen Premieren von Oper und Schauspiel inszenieren, so Elster, und dies rechtzeitig mit Werbeagenturen und bundesweitem Marketing begleiten, um auch von weiter her Publikum anzulocken. Wenn man erst im Frühjahr wisse, ob man im September eröffnen könne, sei es dafür womöglich zu spät.
Wie sehen das andere Fraktionen?
Derzeit seien viele soziale Einrichtungen in Köln in ihrer Existenz bedroht und wüssten nicht, wie sie ihr Personal bezahlen sollen, betont SPD-Kulturexpertin Maria Helmis. „Da dürfen die Kultureinrichtungen nicht mit Symbolpolitik wie dem Durchschneiden von seidenen Bändern falsche Schwerpunkte setzen. Herr Streitberger soll jetzt einen Weg finden, das Katastrophenprojekt Bühnensanierung möglichst kostengünstig zu einem akzeptablen Ende zu führen. Das heißt für mich auch, dass die Bühnen notfalls Zug um Zug eröffnet werden, falls ein zentraler Termin nicht zustande kommt.“ Es gelte „teure Doppelstrukturen“ zu vermeiden.
Brigitta von Bülow (Grüne) erklärte: „Die Stadtverwaltung darf keinesfalls die Augen vor der Realität verschließen und sollte alternative Pläne gemeinsam mit den Intendanten entwickeln. Ob diese Pläne eine tröpfchenweise Eröffnung beinhalten sollten, hängt unter anderem von den Fortschritten auf der Baustelle ab.“
Chronik der Kölner Bühnensanierung
2010: Eine Bürgerinitiative fordert den Erhalt des Schauspielhauses.2011: Der Stadtrat beschließt ein Sanierungsbudget für die Bühnen in Höhe von 253 Millionen Euro.2012: Am Offenbachplatz finden die letzten Aufführungen statt. Im Oktober 2013 wird beim Bau der Kinderoper der Grundstein gelegt, ein Jahr später Richtfest gefeiert.2015: Die Eröffnung von Oper, Schauspiel, Kleinem Haus und Kinderoper ist für den 7. November geplant. Die Programme für die Spielzeit 2015/16 sind schon gedruckt, als die Verantwortlichen im Juli wegen gravierender Probleme bei Brandschutz und technischen Anlagen alles abblasen müssen. Die Stadt kündigt dem Ingenieurbüro Deerns, das die Haustechnik (Elektrik, Lüftung, Sprinkler, Heizung, Klima) geplant hat.2016: Der frühere Kölner Baudezernent Bernd Streitberger wird als Chefsanierer geholt, um das Projekt neu aufzusetzen. Der Stadtrat erhöht das Budget auf 404 Millionen.2017: Streitberger legt einen neuen Kosten- und Terminplan vor. Er geht von Baukosten in Höhe von 545 bis 570 Millionen Euro aus und rechnet mit einer Fertigstellung bis Ende des Jahres 2022.2018: Die Stadt klagt vor dem Landgericht gegen das Planungsbüro Deerns und fordert 28 Millionen Euro Schadenersatz.
2019: Streitberger kündigt an, dass sich die Fertigstellung um sechs Monate verzögert. Die Kosten bezifferte er auf bis zu 571 Millionen Euro, sagt aber: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die 571 Millionen brauchen.“
2021: Jetzt soll die Sanierung bis zu 644 Millionen Euro kosten.
2022: Streitberger nennt den 22. März 2024 als geplanten Termin für die Schlüsselübergabe.
2023: Die Sanierungskosten steigen auf bis zu 674 Millionen Euro. (fu)