AboAbonnieren

Kunst mit TiefeAuf reliefartigen Oberflächen schafft Patrizia Casagranda ihre Frauen-Porträts

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau im braunen Mantel lehnt an einer Wand neben einem großformatigen Porträt eines Mädchens.

Patrizia Casagranda neben ihrer „Müllsammlerin“

Starke Frauen sind derzeit im Kunstraum von St. Theodor zu sehen. Die Künstlerin hat Charaktere aus der ganzen Welt porträtiert.

Vorsicht ist in diesen Gesichtern zu erkennen, zuweilen ein Erschrecken, eine Herausforderung, aber auch Stolz. Gebrochen sind die zwölf Frauen auf den Porträts jedenfalls nicht, die derzeit im Kunstraum von St. Theodor ausgestellt sind, und sie sind allesamt sehr attraktiv. Die Künstlerin Patrizia Casagranda hat Frauen aus Afrika, Asien und Europa dargestellt, sie kommen aus ganz unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen, ein Model ist dabei, aber auch eine Müllsammlerin aus Indien.

„Ach, das ist das Model?“, fragt der arglose Betrachter vor dem Porträt einer besonders hübschen Frau. „Nein, das ist die Müllsammlerin“, klärt Casagrande lächelnd auf. In ihren Arbeiten, die sie in der Vingster Kirche unter der Überschrift „Belief“ – also: „Glauben“– zeigt, geht es weniger um die Darstellung wirtschaftlicher Realitäten, als vielmehr um die Frage nach der Stellung der Frau, auch in den unterschiedlichen Religionen: „Ob es der Islam ist, das Judentum oder das Christentum: Die Haltung gegenüber der Frau ist oft beschränkend, unterdrückend, manchmal gewalttätig. Das sieht man gerade wieder im Iran.“

St. Theodor und St. Elisabeth in Köln- Vingst veranstalten interreligiöses Gespräch

Die Porträts in St. Theodor stammen aus unterschiedlichen Werkgruppen, deren Titel auf Deutsch „Ermächtigung“, „Vielfalt“ oder „Kampf für Veränderung“ lauten und die gesellschaftspolitische Stoßrichtung der Arbeiten anzeigen. „Das passt sehr gut zu den Themen unserer Gemeinde“, sagt Beate Steven vom Organisationsteam der Ausstellungen im Kunstraum. Schließlich sei die Gemeinde St. Theodor und St. Elisabeth nicht nur für ihr soziales Engagement bekannt, sondern auch für das interreligiöse Gespräch. So fand anlässlich der Ausstellung bereits ein Gebetsabend mit „Internationalem Essen und Austausch“ statt.

Das Bild einer jungen Frau ist auf einem unregelmäßigen Untergrund zu sehen.

In den Oberflächen ihrer reliefartig zusammengesetzten Arbeiten sind Botschaften versteckt.

Steven und ihre Mitstreiter müssen dann allerdings höllisch aufpassen. „Einigen Besuchern haben wir fast auf die Finger gehauen, nicht nur Kindern, auch Erwachsenen“, erzählt sie lachend. Denn viele Betrachter können der Versuchung nicht widerstehen, die Bilder anzufassen, ihre Oberfläche abzutasten. Das liegt an Patrizia Casagrandas Technik, denn die Künstlerin lässt ihre Bilder aus bis zu 20 Schichten unterschiedlichster, oft rauer Materialen entstehen, darunter Holz, Karton, Gips, Jute oder Lkw-Planen. Auch reliefartige Buchstaben sind zu erkennen, die Zitate wie „Power to create happiness“ – von Charlie Chaplin – ergeben würden, wenn man sie korrekt zusammensetzen würde, aber das ist beinahe unmöglich. Ebenso unmöglich wie den fragmentierten Davidstern oder andere Symbole zu identifizieren, es handelt sich dabei eher um versteckte Botschaften.

Es ist ein unsicherer, collagierter Untergrund, auf den die Gesichtszüge der Frauen aufgetragen sind. Sie setzen sich zudem aus vielen Einzelpunkten zusammen, die Casagranda mit einer Rasterschablone aufgetragen hat. So sind sie zwar aus der Entfernung zu sehen, verschwinden aber, sobald man näher an das Bild herantritt. Diesen ungewissen, brüchigen, fragilen Charakter der Arbeiten unterstreichen auch die Farben, die zwar einerseits leuchtend hell scheinen, andererseits aber weich und zurückgenommen sind. „Es handelt sich um Pigmentfarben, die teils noch aus dem 17. Jahrhundert stammen. Ein Laden in Den Haag stand zum Verkauf, da habe ich den gesamten Bestand übernommen“, so Patrizia Casagranda.


Die Künstlerin lebt in Krefeld und zeigt ihre Arbeiten auch auf der Art Miami, der Biennale in Venedig, oder der Art Expo in New York. Zuletzt hat sie wieder den Lorenzo-il-Magnifico-Award der Florenzer Biennale gewonnen. Nach Vingst ist Casagranda gekommen, weil das Kunstraum-Team in der Publikation „Atelier“ zu Bewerbungen für die vier für 2024 geplanten Ausstellungen aufgerufen hatte. Die Arbeiten von Patrizia Casagranda sind noch bis Sonntag, 4. Februar, in St. Theodor, Burgstraße 42, zusehen, sonntags ab 12 Uhr, nach dem Gottesdienst, samstags von 13 bis 15 Uhr, sowie nach Vereinbarung.

Signale-aus-HoeVi.ausstellungen@gmx.de