Wir erklären, warum das Museum nicht 2025 fertig wird. Und auch, was die Kölnerinnen und Kölner am Ende auf dem ehemaligen KHD-Gelände in Kalk erwartet.
Dokumente des AlltagsKölner Migrationsmuseum ist frühestens 2027 fertig
150.000 Zeugnisse der Migrationsgeschichte hat der Verein „Domid“ zusammengetragen, seit fünf Jahren steht die ehemalige KHD-Halle 70 als Ort für das bundesweit einmalige Migrationsmuseum fest – doch seitdem tut sich nichts.
Was für ein Museum ist eigentlich geplant?
Eines, dass den Alltag von Menschen mit Migrationsgeschichte dokumentiert, ihn durch persönliche Zeugnisse und Gegenstände des täglichen Lebens erfahrbar macht. So wie die Waage aus einem der ersten italienischen Gemischtwarenläden im Köln der 1970er. Oder die Schreibmaschine des Kinderarztes Dr. Sukil Lee, auf der er in den 1960er Jahren seine Korrespondenz für die Anwerbung koreanischer Krankenschwestern verfasste. Aber auch Interviews, Radiosendungen, Tagebücher, betriebsinterne Schreiben oder Fotografien, etwa von Arbeitern, die zwischen den Stockbetten ihrer kleinen Mehrbettzimmer musizieren.
Die Ausstellungsstücke sind Schenkungen oder Leihgaben an den gemeinnützigen Verein Domid (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland). Seine Mitglieder, darunter viele Menschen mit Migrationsgeschichte, sammeln seit 1990 Zeitzeugnisse der deutschen Migrationsgesellschaft zwischen 1945 und 2023.
Warum verzögert sich die Eröffnung bis 2027?
Die erste Zeitplanung von Domid sah eine Eröffnung des Museums „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ im Jahr 2025 vor. Jetzt ist Ende 2027 das Ziel. Das hat mehr als einen Grund. Die Pandemie habe den Prozess verzögert, dazu seien strukturelle Probleme gekommen, erklärt Domid-Sprecher Timo Glatz. „Lange gab es keine Einigung darüber, wer für uns zuständig ist. Bis alle Fördermittelgeber an einem Tisch saßen, hat es länger gedauert als ursprünglich geplant und erhofft.“
Ein weiterer Faktor: Lange Zeit habe zwischen der Stadt Köln und dem Land NRW Uneinigkeit über die Modalität der Gebäudeübergabe geherrscht, der Zustand des Gebäudes sei unter den Partnern strittig gewesen, so Glatz. „Die Verhandlungen darüber, wer für die Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen zuständig ist, gingen nicht voran.“
Eine Sanierung und Erschließung des Gebäudes sind Voraussetzung dafür, dass in der leerstehenden Fabrikhalle ein Museum entstehen kann. Die Kosten für die Herrichtung sind noch nicht bekannt. Komplexe Fragen wie etwa der Brandschutz konnten noch nicht geklärt werden. Entscheidend dafür wie auch für die gesamte Kostenschätzung ist, wie die an der Längsachse nebenliegende Halle 71 genutzt wird. Die Machbarkeitsstudie für diese Halle werde im Juli 2023 fertig, so die Stadt.
Kommt jetzt Bewegung in die Sache?
Zur Sanierung der Halle 70 liefen derzeit weitere Gespräche zwischen Land und Kommune, die sicherlich zeitnah zu Ergebnissen führen würden, teilte ein Sprecher des NRW-Kultusministeriums mit. „Jetzt bewegt sich endlich etwas. Wir hoffen sehr, dass der Prozess jetzt zügig weitergehen kann“, sagte Glatz.
Optimistisch ist er in Sachen Erbbaurechtsvertrag, dem den Verein gerne mit der Stadt abschließen möchte. „Wir haben ein Angebot erhalten, in dem die größten Eckpunkte sehr positiv geregelt sind. Und in dem die finanzielle Belastung für uns jenseits der Investitionskosten tragbar ist. Wir sind zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr den Vertrag unterzeichnen können.“
Für den an die Sanierung anschließenden Bau und die Gestaltung des Museum mit 8500 Quadratmetern Fläche hatten Land und Bund bereits im Jahr 2019 eine Fördersumme von 44,26 Millionen Euro zugesagt.
Was macht dieses Museum anders?
Schon in der Konzeptphase gestalten Kölnerinnen und Kölner ihr Museum mit – in vier „Laboren für partizipative Museumsgestaltung“. Die Fabrikhalle soll als Ganzes, ohne trennende Querwände erlebt und auf verschiedene Ebenen begangen werden können. In Konzepträumen sollen übergeordnete Themen, die die Gesellschaft strukturieren und zu denen Besuchende Anknüpfungspunkte im Alltag haben, thematisiert werden – etwa Identität, Sprache, Nation, Wahrnehmung, Wandel, Erinnerung oder Fremdheit. „Einer der sechs bis neun Konzepträume wird pro Jahr neu genutzt, so können wir auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren“, erläuter Timo Glatz. Geplant ist auch eine offene und vielfältige Nutzung der Halle oder einzelner Bereiche für Ausstellung, Forschung, historische Bildung, Workshops, Kunst, Veranstaltungen und Gastronomie, ein Digitallabor sowie das Archiv als Herzstück des „Haus der Einwanderungsgesellschaft“.
Warum soll eine Fabrikhalle zum Museum werden?
„Die große Produktionshalle ist ein Teil der Migrationsgeschichte“, sagt Glatz. „Hier haben sehr viele der Menschen gearbeitet, um die es im Museum geht. Als „stadträumlich wesentlich prägender historischer Identifikationsort“ wird das Areal auch in der Machbarkeitsstudie gesehen. Die Hallen sollen in großer Struktur erhalten und nicht zergliedert werden. „Einige der Arbeiter der Halle sind heute unsere Mitglieder und setzen sich für das Migrationsmuseum ein“, sagt Timo Glatz. „Als sie die Halle betreten haben, war das ein sehr bewegender Moment.“
Bundeskunsthalle
„Wer wir sind. Fragen an ein Einwanderungsland“ lautet der Titel einer Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn, die diese Woche beginnt. Kooperationspartner ist der Kölner Verein Domid; er steuert Exponate und Expertise bei. Die Ausstellung thematisiert Migration als „Normalzustand, überall und jederzeit auf der Welt“. Dennoch sei Diskriminierung eine Alltagserfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichte. Künstlerisch werden Fragen aufgeworfen, etwa „Wer spricht in Medien und Politik?“ Die Ausstellung findet vom 26. Mai bis 8. Oktober in der Bundeskunsthalle, Helmut-Kohl-Allee 4, statt. (bos)