Stadtspaziergang durch Köln-KalkFabrikfassaden und Kathedralen entdecken
- Um der Stadt zu entfliehen, muss man sie nicht unbedingt verlassen.
- Unsere Autoren zeigen neue Wege durch die Veedel.
- Die heutige Tour führt durch Kalk und Humboldt/Gremberg.
Köln-Kalk – Mitte der 70er Jahre begann das große Fabriksterben in Kalk. Seitdem standen dieser Stadtteil und – wenn auch weniger ausgeprägt – der Nachbar Humboldt/Gremberg für Arbeitslosigkeit und Armut. Vor 30 Jahren war die Skepsis groß, dass sich das jemals wieder ändert.
„Du bist keine Schönheit“, diese auf Bochum gemünzte Zeile von Herbert Grönemeyer, gilt nach wie vor auch für Teile der beiden Kölner Stadtteile. Aber vieles entwickelt sich auch zum Guten.
Start an der Haltestelle Kalk Kapelle
Wir starten an der Haltestelle Kalk Kapelle und orientieren uns an St. Marien. Rechts neben dem Christophorus ist der Eingang zur Pilgerkapelle. Kalk war ein kleines Dorf, beherbergte aber seit jeher die 600 Jahre alte Holzskulptur der lächelnden Maria mit ihrem toten Sohn in den Armen – ein Ort der Besinnlichkeit. Die Glasfenster auf der anderen Seite erlauben einen Blick auf den schmalen Hof der benachbarten Kirche.
Wir gehen außen um die Kapelle, überqueren mit Blick auf das von Gottfried Böhm geplante Bezirksrathaus die belebte Straße und stehen bald gegenüber der Sünner-Brauerei (1). Es ist das einzige Industriegebäude des 19. Jahrhunderts in ganz Köln (!), das heute noch seiner ursprünglichen Bestimmung dient. Den Beinamen „Zechenbrauerei“ erhielt Sünner, weil die Brauerei auf dem Grundstück einer gescheiterten Kohlenzeche errichtet worden war.
Wir biegen in die Eythstraße. In der Allee wurden Anfang des 20. Jahrhunderts repräsentative Wohnhäuser errichtet, was an den Stuckverzierungen diverser Giebel zu erkennen ist. In der Thumbstraße links sehen wir gleich ein ganzes Ensemble solch denkmalgeschützter Häuser. An der Steinmetzstraße wird es bunt. Die GAG ersetzt hier nächstes Jahr einen alten Häuserblock durch Neubauten. Leere Erdgeschosswohnungen werden vorübergehend Künstlern zur Verfügung gestellt. Nach rechts gehen wir um den Block herum und die Lilienthalstraße entlang. Gegenüber steht das Nikolaus-Groß-Haus. Das heutige Wohnheim war früher Teil der 1896 hier errichteten Kaserne.
Wir biegen hinter der Jesus-Christus-Kirche links in die Buchforst- und gleich rechts wieder in die Steinmetzstraße. Auf dem Weg wird deutlich, wie viele Wohnungen neu gebaut oder zumindest saniert wurden und werden – Kalk boomt. Am Ende geht es links in die Manteuffelstraße, die über die Feldstraße auf den mit vielen Bäumen bepflanzten Platz (2) führt. Längst wurde aus dem früheren Markt- ein beliebter großer Spielplatz.
Gegenüber ist das empfehlenswerte Restaurant „Blauer König“. Der Weg führt uns nun durch die Kapitelstraße. Bald sehen wir die leicht erhöht und frei stehende Kirche St. Joseph. Weiter geht es zur Kalk-Mülheimer-Straße. Im Bürgerhaus gleich links bietet das „Café Kalka“ – sofern geöffnet – unter anderem sehr feine Patisserie-Erzeugnisse an.
Fabrikfassaden wie Kathedralen
Wir wenden uns aber nach rechts und bald links in die Engelsstraße. Unerwartet stehen wir an deren Ende einer Industriehalle gegenüber, deren Fassade fast wie eine Kathedrale wirkt. Hier war – bis zur Insolvenz 1979 – der Stahlbauer Liesegang aktiv.
Wir gehen daran vorbei und dann nach rechts. Kurz darauf weitet sich der Blick auf das ehemals dicht bebaute Gelände der untergegangenen Chemischen Fabrik Kalk (CFK): Seit 2007 liegt der Bürgerpark (3) vor uns. Wir schlagen den Weg zum ehemaligen Wasserturm der CFK ein und gehen direkt daran vorbei einmal quer durch das Einkaufscenter.
Motive von Caspar David Friedrich an Kalker Hausfassade
Auf dem Platz gegenüber ist vom prachtvollen Kaiserlichen Postamt kaum Erkennbares geblieben. In den umliegenden Straßen wurden dagegen etliche Gründerzeit-Häuser ansprechend saniert. Wir gehen rechts an der Post vorbei durch die Trimbornstraße. Hinter der ersten Bahnunterführung ist eine 260 Quadratmeter große Fassade professionell bemalt: Motive von Caspar David Friedrich mischen sich mit dem Köln-Panorama. Hinter der zweiten Bahnunterführung kommen wir ins Zentrum von Humboldt/Gremberg und biegen gleich in die Lahnstraße, wo – wie parallel in der Hachenburger Straße – eine Reihe großzügiger Wohnhäuser errichtet wurde. Wir gehen links und kurz durch den Humboldt-Park, den es seit mehr als 100 Jahren gibt.
Infos zur Tour
An- und Abfahrt: Haltestelle „Kalk Kapelle“ der Bahn-Linien 1 und 9 sowie der Bus-Linien 159, 171, 179 und 193. Der Bus hält unmittelbar neben der Kalker Kapelle bzw. am Bezirksrathaus gegenüber.
Länge: Der Rundweg ist gut sieben Kilometer lang. Deutlich kürzer wird er, wenn Spaziergänger auf dem Rückweg von Humboldt/Gremberg auf der Rolshover Straße in Kalk nicht rechts zum Ottmar-Pohl-Platz und den KHD-Hallen abbiegen, sondern stattdessen noch ein kurzes Stück geradeaus gehen, dann links über die Johann-Mayer-Straße zur Haltestelle Kalk Post und von dort aus zurückfahren.
Jenseits der Gremberger Straße folgen wir kurz der Flammersfelder Straße und biegen links auf den Weg ab, der zur Westerwaldstraße führt. An der nächsten Kreuzung sehen wir die Kirche St. Engelbert von 1927 (4) mit äußerst ungewöhnlichem Turmaufbau sowie rechts die schöne Grundschule. Unmittelbar dahinter befindet sich das Georg-Simon-Ohm-Berufskolleg. Der Campus wirkt, als sei er gerade erst eröffnet worden – dabei ist er 20 Jahre alt. Der großzügige grüne Spielpark wurde erst kürzlich der Öffentlichkeit übergeben.
Die Zukunft der KHD-Hallen ist ungewiss
Wir gehen aber durch die Usingerstraße. Hier wurde seit den 1870er Jahren eine Werkssiedlung des Kalker Maschinenbauers Humboldt (später KHD) errichtet –Einfamilienhäuschen mit Nutzgärten. Geblieben ist davon das Haus Nummer 69. Etwas weiter steht aus dem Jahr 1875 eine der ältesten Schulen Kölns (5). Dahinter biegen wir rechts ab. Bevor wir uns an der Rolshover Straße wieder links nach Kalk wenden, sehen wir rechts eine weitere ehemalige Fabrik: Dort hat Gottfried Hagen über viele Jahrzehnte Akkumulatoren, Bleiwaren, Gummiprodukte und ab 1904 für kurze Zeit sogar Elektro-Autos hergestellt.
Nach Überquerung der Dillenburger Straße folgen wir dem Fußweg nach rechts. Zwischen relativ neuen Wohnungen und einigen städtischen Ämtern kommen wir auf den mit Kirschbäumen bepflanzten Ottmar-Pohl-Platz und stehen vor drei alten KHD-Hallen. Allein die mittlere ist 4300 Quadratmeter groß und mehr als 15 Meter hoch. Links steht die seit 1994 vom Schauspiel Köln bespielte Halle Kalk. Das innen nach wie vor schöne Gebäude ist einsturzgefährdet und kann nur noch für Proben genutzt werden. Die Zukunft aller drei Hallen ist ungewiss.
Bummeln entlang der multikulturellen Einkaufsstraße
Wir wenden uns nach links und kommen über die Sieversstraße (hier versteckte sich 1996 der Reemtsma-Entführer Thomas Drach in einem Gästehaus) zur Kalker Hauptstraße (6). Wir spazieren (mit Maske!) nach rechts auf der quirligen, multi-kulturellen Einkaufsstraße mit einer bunten Abfolge von Imbiss, Bank, Juwelier, Nagel- und Fotostudio, Friseur, Lebensmittelhändler, Handy-Laden, Apotheke und der sehenswerten Kaffeerösterei Hogrebe bis zum Stadtgarten.
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Eine letzte Pause hier tut gut: Etwa im Freiluft-Café der Konditorei Schlechtrimen innerhalb des kleinen Parks oder auch mit einem Eis aus einem der beiden Salons auf einer Parkbank. Dank einer Spende der Grün Stiftung von gut 50000 Euro sollen im Park demnächst unter anderem 14 neue Sitzbänke aufgestellt, Zier- und Solitärsträucher gepflanzt sowie der Eingangsbereich neu gepflastert werden.
Ehemaliges Klarissenkloster
Zuletzt geht es rechts in die Wiersbergstraße. Gegenüber der vor allem bei Jüngeren beliebten vegetarischen Kneipe „Trash Chic“ sehen wir den schmucken neuen Anbau des Theophanu-Gymnasiums und links davon auch eine gewaltige Front ehemaliger KHD-Hallen. Einige davon wurden saniert.
Die Humboldt-Halle mit den riesigen goldenen Lettern am Giebel gehört nicht dazu. An den Abenteuer-Hallen Kalk (AHK) biegen wir ab in die Heinrich-Bützler-Straße. Auf der Brachfläche rechts standen früher stets hunderte fabrikneue Deutz-Traktoren. Auf der anderen Seite der Kapellenstraße liegt nun der alte Friedhof vor uns. Links davon befindet sich das ehemalige Klarissenkloster (7) – früher eine abgeschlossene Welt. Vor wenigen Jahren wurde das Gelände umgebaut und es öffnet sich seitdem ein neu entstandener Platz. Die hier errichtete Anlage für rund 100 Bewohner hat bereits mehrere Architektur-Preise gewonnen. Ein kurzer Rundgang lohnt sich. Auf der Kapellenstraße erreichen wir dann bald den Ausgangspunkt.