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Verkauf oder Abriss?Darum kann die Stadt Köln die Hallen Kalk nicht sanieren

Lesezeit 6 Minuten
Die KHD-Halle 75 in Köln-Kalk.

Die KHD-Halle 75 wurde von 1994 bis 2020 vom Schauspiel Köln als Spielstätte genutzt.

Die Stadt Köln hat eingeräumt, dass sie die denkmalgeschützten KHD-Hallen 75-77 in Kalk nicht aus eigener Kraft sanieren kann. Jetzt steht ein Verkauf oder gar der Abriss im Raum.

Mit ihren Kulturbaustellen ist die Stadt Köln zunehmend überfordert. Das Desaster um die Bühnensanierung, die Kostenexplosion beim jüdischen Museum „MiQua“, die bevorstehende Generalinstandsetzung des Römisch-Germanischen Museums und vieles mehr zeigen der Stadt ihre finanziellen und organisatorischen Grenzen auf. Nun wollen Baudezernent Markus Greitemann und Kulturdezernent Stefan Charles bei einem Projekt in Kalk, das seit vielen Jahren vor sich hindämmert, die Reißleine ziehen.

Die Rede ist von den denkmalgeschützten Industriehallen 75, 76 und 77 des einstigen Weltkonzerns Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) an der Neuerburgstraße in Köln-Kalk. Die Stadt hat sie über Jahrzehnte verfallen lassen. Jetzt sind sie so marode, dass teilweise Einsturzgefahr besteht. Teile der Fassade sind mit Zäunen abgesperrt, Netze schützen Passanten vor herabfallenden Teilen, Schilder warnen vor Lebensgefahr. Ein Sicherheitsdienst kontrolliert das Areal täglich, alle drei Monate prüft ein Statiker das Tragwerk.

Köln: Hallen Kalk sind einsturzgefährdet

Immer wieder hatten Politiker im Stadtrat betont, dass die KHD-Hallen saniert und einer kulturellen Nutzung zugeführt werden sollen. 18 Millionen Euro hatte der Rat dafür bereitgestellt. Doch jetzt räumen Greitemann und Charles ein, dass die Stadt das Projekt nicht aus eigener Kraft stemmen kann. Stattdessen sollen es Externe richten. Die Stadt solle einen Projektentwickler finden, der die maroden Hallen erwirbt, auf eigene Kosten saniert und „einer stadtentwicklungspolitisch sinnvollen Nutzung zuführt“.

Denkbar sei ein Verkauf oder Erbpachtvertrag, als mögliche Projektentwickler kämen Stiftungen, Gesellschaften, Einzelpersonen, und Vereine in Frage. So steht es in einer Beschlussvorlage, über die der Stadtrat am 14. November entscheiden soll. Demnach soll zunächst eine europaweite Markterkundung durchgeführt werden, „um zu ermitteln, welche Nutzungen zu welchen finanziellen Konditionen am Markt platziert werden können, um auf diese Weise ein erfolgreiches Vergabeverfahren zu ermöglichen“.

Dass die Stadt die Sanierung nicht selbst anpacken, sondern dafür einen externen Projektentwickler finden will, hat vor allem finanzielle Gründe. Die Verwaltung erklärte: „Aufgrund der aktuellen finanziellen Situation der Stadt ist dieses Vorgehen die realistischste und wirtschaftlichste Lösung, um die Liegenschaft einer geeigneten Nutzung zuzuführen, ohne die städtischen Ressourcen zu belasten.“ Denn die Kassen der Stadt sind leer. Die Aufstellung des neuen Haushalts 2025/26 musste bereits verschoben werden, im Rathaus wird derzeit um jeden Euro gerungen.

Die KHD-Halle 76 in Köln-Kalk.

Die KHD-Halle 76 wurde 1994 der Ludwig-Stiftung als Ausstellungsraum versprochen.

Den weiteren Umgang mit den Hallen 75, 76 und 77 müsse man aber auch im Zusammenhang mit den geplanten Nutzungen der östlich gelegenen KHD-Hallen 58 bis 71 betrachten, betont die Stadt. Hier entsteht in Halle 70 das Migrationsmuseum „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ (Domid). Im Osthof sollen Initiativen wie der Kulturhof Kalk und das Inklusive Kunsthaus Kalk samt Akademie eine Heimat finden. Da bleibt für noch mehr Projekte schlicht kein Geld übrig.

Das Kulturdezernat teilt dazu mit: „Weitere städtisch geförderte kulturelle Nutzungen in den Hallen 75, 76 und 77 lassen eine Schwächung dieser Initiativen bzw. Nutzungsideen erwarten und würden mit noch nicht abschätzbaren Bau- und Betriebskosten verbunden sein. Entsprechende Mittel stehen dem Dezernat für Kunst und Kultur nicht zur Verfügung.“

Hallen Kalk: Stadt Köln hat kein Geld für die Sanierung

Wie teuer eine Sanierung der besonders stark gefährdeten Hallen 76 und 77 wäre, hat die Stadt durch ein Ingenieurbüro prüfen lassen. Es hat fünf Sicherungsmaßnahmen untersucht und geschätzte Kosten von 46 bis 90 Millionen Euro ermittelt. Für eine reine statische Sicherung wohlgemerkt, ohne Einbauten für eine wie auch immer geartete Nutzung. Konkret betrachtet wurde etwa der Bau einer Schutzhülle, die die Fassaden und Dächer ummantelt, oder eine komplette Rekonstruktion.

Die Stadt hat den Bauzustand der um 1905 errichteten Gebäude 2022 bis 2023 untersuchen lassen. Das Gutachten bestätigte, dass die Hallen 76 und 77 „stark einsturzgefährdet“ sind, im Bericht heißt es: „Sowohl die West- als auch die Südfassade sind im Begriff zu versagen. Jüngste Bauteilöffnungen ergaben, dass die Schäden sich schon auf das Stahltragwerk ausgeweitet haben.“

Neben asbestbelasteten Baustoffen habe man „an allen Stahlelementen PCB-haltige Anstriche identifiziert“. Diese Mängel und irreparable Schäden erforderten bauliche Pflichtmaßnahmen. Konkret müsse die gesamte Dachfläche sowie die komplette West- und Südfassade zurückgebaut und das Stahltragwerk ertüchtigt werden. Fazit der Stadt: „Eine Sanierungsmöglichkeit unter normalen Umständen ist nicht gegeben. Es bedarf besonderer Sicherheitsvorkehrungen.“

Die Frage ist nun, ob sich ein Entwickler findet, der ein solch kompliziertes und teures Projekt durchführen möchte. Und falls ja, für welche Nutzungen. Eigentlich sollten die Hallen ja für Kulturzwecke hergerichtet werden. Bereits vor 30 Jahren hatte der Stadtrat die Annahme einer Schenkung von 82 Kunstwerken des Sammlerehepaars Peter und Irene Ludwig beschlossen. Und zwar mit der Auflage, dass das Museum Ludwig in der KHD-Halle 76 eine Ausstellungshalle für Gegenwartskunst bekommt. Doch passiert ist nichts.

2015 drohte die Ludwig-Stiftung mit dem Abzug der Kunstwerke, drei Jahre später kündigte die damalige Kölner Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach an, man erarbeite jetzt ein Konzept für einen „rechtsrheinischen Präsentationsraum“ des Museum Ludwig in Halle 76. Vorgelegt wurde es bis heute nicht.

Köln: Hallen Kalk droht der Abriss

Wenn die Stadt nun von einer „stadtentwicklungspolitisch sinnvollen Nutzung“ spricht und zugleich das geplante Kulturangebot im Osthof betont, deutet sich an, dass es in den Hallen 75 bis 77 womöglich nichts mehr wird mit Kultur. Für Investoren dürften eher Wohnen oder Gewerbe attraktiv sein. Falls sich überhaupt jemand findet. Mit der Ludwig-Stiftung habe man bereits Gespräche „über mögliche Alternativstandorte aufgenommen“, so Kulturdezernent Charles.

Denkbar ist auch, dass die Hallen am Ende abgerissen werden. Die Stadt führt dazu aus: „Der Rückbau der Hallen stellt grundsätzlich eine sechste Handlungsoption dar.“ Da alle drei Hallen unter Denkmalschutz stehen, gebe es dafür aber hohe rechtliche Hürden.

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite ist entsetzt. „Schon 2022 haben wir vorgeschlagen, dass die Stadt auch andere Nutzungsmöglichkeiten ins Auge fassen könnte.“ Das habe das Ratsbündnis verhindert, dadurch sei viel Zeit verloren worden.


Die Hallen 75-77 von Klöckner-Humboldt-Deutz

1905 wurde die Halle 75 an der Neuerburgstraße/Ecke Sieversstraße errichtet. Sie diente zuerst als Lehrwerkstatt und zur Produktion von Schaltschränken. Von 1994 bis 2020 wurde das Gebäude vom Kölner Schauspiel als Spielstätte unter dem Namen „Halle Kalk“ genutzt.

Auch die Halle 76 wurde 1905 erbaut – als Werkhalle auf dem Gelände der Firma Maschinenbau-Anstalt Humboldt AG. Im 2. Weltkrieg wurden mindestens 40 Prozent des Dachs und große Teile der Fassade beschädigt. 1967 wurde das innere Tragwerk verändert und eine neue Kranbahn eingezogen. Ab 1993 fanden in der Halle unregelmäßig Ausstellungen des Museum Ludwig statt. Später lagerte das Museum hier Kunstwerke ein. Mit einer Grundfläche von 2625 Quadratmetern ist sie die größte der drei Hallen.

Ältester Bauteil ist die Halle 77, deren Westwand auf ungefähr 1872 datiert wird. Das innere Tragwerk und die Ostwand stammen größtenteils aus der Bauzeit 1897 bis 1905. Nach massiven Kriegsschäden 1944 wurde sie zu einer dreischiffigen Halle umgebaut. Im Herbst 2014 wurden die Hallen 76 und 77 wegen Einsturzgefahr geschlossen. (fu)