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Interview

Kölns jüngster Chefarzt
„Meine Arbeit ist enorm abwechslungsreich“

Lesezeit 4 Minuten
Kölns jüngster Chefarzt: Daniel Boldt

Kölns jüngster Chefarzt: Daniel Boldt

Mit 37 Jahren ist Daniel Boldt seit Juni Chefarzt der Klinik für Notfallmedizin im Krankenhaus Kalk - und damit einer der jüngsten in Deutschland. Wir haben mit ihm gesprochen.

Warum haben Sie sich für die Notfallmedizin entschieden?

Ich habe während des Studiums in der Pflege auf der Intensivstation gearbeitet und da schon gemerkt, dass Situationen, in denen man mal einen Schritt schneller gehen muss, in denen es um was geht, mir liegen und mir viel Spaß machen. Man macht eine schnelle Diagnostik, man kommt im besten Fall zu einer schnellen Diagnose und kann zum Beispiel bei einem Herzinfarkt binnen kürzester Zeit den Unterschied machen zwischen Leben und Tod. Häufig haben wir ein schnelles Erfolgserlebnis und das finde ich total reizvoll.

Wie haben Sie es mit 37 bereits zum Chefarzt geschafft, während andere noch nicht mal den Titel Oberarzt innehaben? Haben Sie eine Klasse übersprungen oder waren besonders schnell im Studium?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin erst mit sieben eingeschult worden. Nach dem Abi habe ich noch ein Jahr aufs Studium gewartet. Da war ich jetzt gar nicht besonders schnell. Bei mir war nur die Zeit von Oberarzt zu Chefarzt extrem kurz.

Was haben Sie gedacht, als Sie das Angebot bekommen haben, Chefarzt zu werden?

Ich war ein bisschen überrascht. Allein aufgrund meines Alters und meiner noch nicht jahrzehntelangen Erfahrungen ist das keine Selbstverständlichkeit. Eigentlich war das nie mein Ziel, Chefarzt zu werden.

Hatten Sie Angst, dass Sie aufgrund Ihres Alters nicht ernst genommen werden?

Angst nicht, aber ich habe darüber nachgedacht. Ich glaube, die Gefahr besteht in manchen Situationen. Hier im Haus ist das sicherlich nicht so, weil mich alle gut kennen und wissen, wie wir gut zusammenarbeiten. Selbst wenn Oberärzte und Chefärzte meistens älter sind als ich.

Ist der Golfplatz ein Chefarzt-Klischee?

(lacht) Ich habe zumindest kein sehr gutes Handicap. Ich gehe gern essen und gucke viel Fußball. Ich bin FC-Mitglied und Fan. Und wenn ich die Möglichkeit habe, reise ich in meiner Freizeit viel.

Sie fahren neben Ihrer Arbeit als Chefarzt auch Dienste als Notarzt. Was reizt Sie daran?

Das unfassbar breite Spektrum, sozusagen vom Hahnwald bis zum Kölnberg. Ich fahre zu Notfällen in die JVA Ossendorf, ins ICE-Wartungswerk und die Philharmonie. Ich fahre zu einem Feuer, bei dem Menschenleben in Gefahr sind. Dann fahre ich zum Herzinfarkt oder zur Hirnblutung oder zum schwerverletzten Patienten bei einem Verkehrsunfall. Ich mache auch Todesfeststellung, bin bei Wohnungsöffnungen und Zwangseinweisungen dabei. Das ist enorm abwechslungsreich. Außerdem ist es sinnvoll, auch mal auf der anderen Seite zu sein und selbst die Patienten in die Notaufnahmen zu bringen.

Kommen Sie als Chefarzt nur zu den Privatpatienten?

Nein, das ist in der Notaufnahme anders. Die private Versicherung spielt bei uns gar keine Rolle. Notfall ist Notfall. Meine organisatorischen Aufgaben sind jetzt mehr geworden, aber prinzipiell bin ich auch weiter in der Patientenversorgung tätigt und bin, wenn es brennt, immer dabei.

Wie blicken Sie bezüglich des Krankenhausplans, der die stationäre Versorgungslandschaft in Nordrhein-Westfalen neu ordnen wird, in die Zukunft?

Prinzipiell finde ich es in Ordnung, Leistungen zu konzentrieren und gute Medizin anzubieten. Dass das im Einzelfall für viele Krankenhäuser schwierig ist, weil es jetzt darum geht, einzelne Abteilungen oder Teile von Abteilungen zu schließen, und am Ende auch für Leute bedeutet, dass sie keinen Job mehr haben, finde ich schwierig. Konkret können wir aber heute noch nicht sagen, was passieren wird. Ohne uns als Notfallmedizin geht es nicht. Zumindest nicht, wenn man ein Akutkrankenhaus betreiben möchte. Daher wird meine Abteilung wohl erstmal nicht infrage gestellt.

Was sind ihre Pläne für die Notaufnahme im EVK?

Wir werden noch in diesem Jahr das Ein-Tresen-Prinzip etablieren. Dazu müssen wir ein bisschen umbauen. Der Kassenärztliche Notdienst zieht zu uns in die Notaufnahme und es wird eine Anmeldung für alle geben. So soll die Notaufnahme entlastet werden, um echte Notfälle effizienter behandeln zu können. Im vergangenen Jahr hatten wir deutlich über 23.000 Patientenkontakte, in diesem sind es sogar noch mehr.

Woran krankt Ihrer Meinung das System Notaufnahme?

Viele Menschen kommen zu uns, weil sie ambulante Versorgung brauchen, sie aber nicht bekommen. Facharzttermine zum Beispiel. Ein Klassiker ist auch: ‚Ich habe seit gestern Halsschmerzen.‘ ‚Waren Sie denn beim Hausarzt?‘ ‚Ich habe keinen Hausarzt. Ich komme doch immer hier hin.‘ Wir müssen viel Aufklärungsarbeit leisten.


Zur Person

Daniel Boldt, 37, ist gebürtiger Bonner und in Siegburg aufgewachsen.

Er studierte Humanmedizin in Dresden und absolvierte sein Praktisches Jahr in der Schweiz, Südafrika und den USA. Im Anschluss startete Boldt als Assistenzarzt im Klinikum Merheim, wo er 2020 seine Facharztprüfung Innere Medizin ablegte.

2021 übernahm Boldt als Oberarzt die Rolle des stellvertretenden Leiters der Klinik für Notfallmedizin am EVKK. Im April 2024 erlangte er die Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“. Seit Juni ist er einer der jüngsten Chefärzte in ganz Deutschland.