Köln – „Als ich erfuhr, dass ich für das Konzert ausgewählt worden war, dachte ich, dass ich riesiges Lampenfieber haben würde. Dann war es soweit und ich wartete, dass die Aufregung einsetzte. Aber sie kam nicht – auch nicht während des Spielens.“

Angesichts der Tatsache, dass besagtes Konzert in der Kölner Philharmonie stattfand, zeugt das Zitat schon von einer ziemlich „coolen“ Grundhaltung – erst recht aus dem Mund einer Zwölfjährigen. Von Nervosität und Lampenfieber scheint sich On-You Kim aber ohnehin nicht aus dem Konzept bringen zu lassen: „Je größer die Bühne, desto besser “ findet sie.

Bei allem – berechtigtem – professionellen Selbstbewusstsein wirkt Kim aber im Interview keineswegs abgehoben, sondern wie ein ganz normaler Teenager. Nur dass sie eben über ein besonderes Talent verfügt. Seit frühester Kindheit bestimmt die Musik das Leben der Kölnerin. Mit vier Jahren erhielt sie Klavierunterricht an der Rheinischen Musikschule. Ihre Grundschulzeit verbrachte sie an der erzbischöflichen Domsingschule, wo sie Ausflüge ins Blockflöten- und Geigenfach unternahm. Dazu bekam sie privaten Cembalounterricht. All das aber bestätigte sie nur in ihrer Überzeugung: „Mein Instrument ist das Klavier.“ Als ihr der Musikschulunterricht keine Herausforderung mehr bot, bewarb sie sich beim Pre-College Cologne.

Das Ausbildungszentrum für musikalisch hochbegabte Kinder und Jugendliche wurde im Wintersemester 2005/2006 an der Hochschule für Musik und Tanz Köln installiert. Kim bestand die Aufnahmeprüfung und wurde 2017 in die Klasse von Professorin Sheila Arnold aufgenommen. Sie gehört zu den Jüngsten. „Die Ältesten sind 15, 16 Jahre alt“, berichtet sie. „Aber Altersunterschiede spielen keine große Rolle. Uns eint ja alle dieselbe Leidenschaft.“

Schule, Musik, Lernen – da bleibt nicht viel Freizeit. Beneidet sie manchmal ihre Mitschülerinnen, die sich spontan für den Nachmittag verabreden können? „Das kommt vor“, räumt sie ein. „Aber abgesehen davon, dass während Corona ohnehin kaum Verabredungen möglich sind, sind das nur kurze Momente. Am Ende siegt immer meine Musikleidenschaft. Ich empfinde den Unterricht nicht als Pflicht, sondern als Freude. Deshalb habe ich auch keine Angst, etwas zu verpassen.“

Trotz des Erfolges weiterhin selbstkritisch

Ihr Status als Pre-College-Studentin und die zahlreichen Preise, die sie bei „Jugend musiziert“ und anderen Wettbewerben gewann, machen On-You Kim schon jetzt zu einer gefragten Konzertpianistin. Ihrer Leidenschaft für große Bühnen konnte sie in den vergangen Jahren schon in Hamburg, Düsseldorf, München und sogar im japanischen Osaka frönen. „Das ist jedes Mal etwas Besonderes“, sagt sie, „Es zeigt mir, dass man mich als Musikerin schätzt und für mich interessiert.“

Zu ihrem Auftritt in der Philharmonie hatte Kim keine weite Anreise. Dennoch nimmt er unter ihren bisherigen Gastspielen einen besonderen Stellenwert ein. Sie gehörte zu den Absolventen, die das Konzert zum 15-jährigen Bestehen des Pre-Colleges mitgestalten dürfen. Unter dem Dirigat von Cristian Măcelaru spielte sie - begleitet vom WDR-Sinfonieorchester - den ersten Satz aus Mendelssohns Klavierkonzert g-moll op. 25. „So eine Chance bekommt man nicht oft“, sagt sie und bedauert, dass das Konzert vor leeren Rängen stattfinden musste. „Die Publikumsreaktion und der Applaus fehlen in solchen Momenten schon sehr.“

Aufgeführt und aufgezeichnet wurde das Konzert am 14. März. Bei der Radioübertragung von WDR 3 am 6. Mai wird On-You Kim (dann 13 Jahre alt) gespannt vor dem Empfänger sitzen. „Dann werde ich mir in Ruhe die Beiträge meiner Kommilitonen anhören.“ Auch ihrer eigenen Darbietung wird sie mit besonderer Aufmerksamkeit lauschen. „Im Nachhinein findet man ja immer irgendetwas, das man beim nächsten Mal noch besser machen kann.“