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JubiläumskonzertKölner Kurrende gibt Frauen aus Konzentrationslager Stimme

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Jubiläumskonzert der Kölner Kurrende.

Köln – Dunkel und getragen eröffnet das Gürzenich Orchester unter der Leitung von Michael Reif das „Lacrimosa“ von Krzysztof Penderecki. Angela Postweilers flehender Sopran mischt sich, untermauert vom Chor in das Crescendo des Orchesters, das in anschwellender Spannung an die gefallenen Danziger Werftarbeiter des Aufstandes von 1970 erinnert. Eindringlich verdichten sie geballte Emotionen zum Bruch im Diskant, um in einem weichen Ausklang mit der Bitte um ewige Ruhe und Frieden zu enden.

Kantate nach Gebet aus Frauenkonzentrationslager uraufgeführt

Das Herzstück des Jubiläumskonzerts zum 50-jährigen Bestehen der Kölner Kurrende aber ist die Uraufführung der Kantate von Stefan Heucke nach einem Gebet aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, die anlässlich dieses Ereignisses in Auftrag gegeben wurde. Im Ringen darum, in der Unmenschlichkeit ein Mensch zu bleiben, verfasste eine der unzähligen Frauen, die an diesem Ort von den Nationalsozialisten verfolgt, misshandelt und ermordet worden sind, dieses Zeitzeugnis.

Sanft fließen alle Stimmen des Chores a-cappella ineinander, unschuldig, wie die Begrüßung eines Engels „Friede den Menschen“. Fast unbemerkt setzen Streicher ein, schwellen an, das Bild verändert sich. Schläge, Diskant, das freundliche Motiv wird gebrochen durch „Menschen, die bösen Willens sind“. Harmonisch und atonal wechseln sich ab, überlagern und kontrastieren sich und skizzieren die Welt des Konzentrationslagers, einen Ausschnitt aus den Grausamkeiten, die „Spotten allem je dagewesenen“.

Spöttisch werden auch die Sängerinnen und Sänger, die Spannung des Unbegreiflichen entlädt sich im metallenen Schlag des Gongs. Doch unter die Trauer um die Märtyrer liegt Zorn ob der unnötigen Opfer. Dennoch entringt sich den gequälten Stimmen die Bitte um Gottes Gnade für die Täter, baut auf im Crescendo, welches die gesamte Stimmkraft der 65 Sängerinnen und Sänger über das Spiel des Orchesters fordert.

Jeder Satz steht zwischen weicher Sehnsucht nach Vergebung und Erlösung und schrillem, brechendem Täterhandeln aus Grausamkeit. Die Herausforderung im Kontrast zum Orchester zu bestehen, meistert Altistin Ingeborg Danz scheinbar mühelos und klangvoll. Michael Reif kann die Spannung des inszenierten Chaos und pointierten Rhythmen mit klaren Taktstrichen zusammenhalten und wieder zurückführen zum Festhalten am Guten. Weder „als Opfer weiterleben“ noch in eine Spirale aus Vergeltung fallen, sondern „Leben dürfen, als Menschen unter Menschen“ wollen die Frauen.

Über den Chor

1970 als Kinder und Jugendchor gegründet, tritt die Kölner Kurrende als Laienchor mit Werken der A-cappella-Literatur und großen Oratorien auf. Eine Kurrende war ursprünglich ein aus bedürftigen Schülern bestehender Chor an protestantischen Schulen, der unter Leitung eines älteren Schülers von Haus zu Haus zog oder bei Festen für Geld sang.

In beeindruckender Präzision gelingen dem Chor die Wechsel zwischen den Stimmungen im Mit- und Gegeneinander, in der Spitze gnadenlos vom Orchester überrollt. Der finale Triumph kehrt zurück zum Anfang in der Bitte um Friede auf Erden für alle, versöhnlich, jedoch nicht verklärt. Atemlose Stille liegt über dem Raum, bevor sich der Taktstock senkt und minutenlanger Applaus diese Meisterleistung honoriert.

Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ widmet sich der dunkelsten Stunde der biblischen Leidensgeschichte und nimmt die menschliche Seite des Gottessohnes in den Blick. Zwischen Todesangst und Opferbereitschaft steht Wolfgang Klose mit dramatischem Tenor, untermalt vom Chor mit fast opernhaften Zügen zwischen Christlicher Erlösungshoffnung und Verdammung für die Frevler. In der weiten Entfaltung der Arie des Engels brilliert Postweiler erneut auch gegen den menschlichen Zorn von Raimund Nolte als Petrus.

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Stark erklingt der Männerchor und treibt die Geschichte weiter, jedoch ohne die Brüche des vorherigen Stückes. Im fulminanten Schluss des meisterlich gesungenen Konzerts erklingen noch einmal alle Stimmen des Chores in jubelndem Lob. Die Botschaft des Konzertes ist klar: ein deutlicher Aufruf gegen Hass und Gewalt.