Johannes-Nepomuk-HausBegleitung bis zum Schluss

Sterben in häuslicher Atmosphäre: Pflegefachkraft Nico Blei, stellvertretender Hospiz-Leiter in Longerich, hält die Hand einer Patientin.
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Köln – Ihr Leben lang hat sie alles selbst geregelt. Sie hat das Haus versorgt, im Garten gearbeitet, sich um ihre Eltern gekümmert, den Sohn großgezogen, dem Ehemann zur Seite gestanden. Aber jetzt geht nichts mehr. Anna-Maria ist 82 Jahre alt. Sie hat Krebs. Sie wird daran sterben.
„Die Angst ist immer dabei“
Über ein Jahr lang war die 82-Jährige immer mal wieder im Krankenhaus. Seit wenigen Tagen ist sie nun im Longericher Caritas-Hospiz für Palliative Therapie. Hier im Johannes-Nepomuk-Haus wird sie die letzten Tage ihres Lebens verbringen. Sie ist froh, dass ihr Mann an ihrem Bett sitzt. „Damit ich einen Halt habe“, sagt sie. Es sei alles geregelt, was zu regeln gewesen sei. Nun möchte sie zur Ruhe kommen. „Mal sehen, wie es weitergeht“, sagt sie. Nur an einer Sache könne sie nichts ändern: „Die Angst ist immer dabei.“
Die Einrichtung in der Altonaer Straße wurde 1988 als erstes Hospiz in Köln und drittes in Deutschland gegründet. Miriam Arens leitet das Haus seit dem ersten Tag. Damals ein Modellprojekt: Sterben in häuslicher Atmosphäre. Neun Hospizbetten gibt es hier. Die Patienten werden von Fachpflegekräften versorgt, zwei Mitarbeiter bereiten in der Küche das Essen zu, niedergelassene Ärzte übernehmen die medizinische Versorgung.
„Der Kranke bestimmt den Tagesablauf“, sagt Arens. „Wir richten uns ganz nach den Wünschen des Patienten.“ Im Wohnzimmer steht ein Klavier und eine Musikanlage. In den Zimmern gibt es Fernseher. Ehrenamtliche Helfer lesen den Patienten vor und führen mit ihnen Gespräche. Im Rollstuhl können Ausflüge in den Garten, den nahe gelegenen Park oder zum Eiscafé unternommen werden. Manche aber möchten auch einfach nur ihre Ruhe oder sind bettlägerig.
„Aber es ist nicht nur traurig, nicht nur das Warten auf den Tod“, betont Arens. „Es wird hier gelebt.“ Und es sei sogar eine „intensive Phase des Lebens“. Deshalb versuchten sie, das Leben ins Haus zu holen: Es wird im Garten gegrillt, gemeinsam Fußball geguckt und auch Karneval gefeiert. „Das gehört dazu“, sagt Arens. Ebenso wie das Thema Religiosität. Manch einer sei wütend, andere würden am Ende versöhnlich. Besuch sei jederzeit willkommen, es gibt sogar zwei Gästezimmer für Angehörige.
Wird es für den, der das Kommen und Gehen, das Sterben täglich miterlebt, irgendwann leichter? „Nein“, sagt Arens. „Leichter nicht. Man lernt nur, wie wichtig es ist, bewusst Abschied zu nehmen.“ Wenn jemand alles geregelt habe, sei es besser. Belastend sei vor allem, wenn junge Menschen sterben, die vielleicht sogar kleine Kinder zurücklassen. Oder wenn es Konflikte gab, die der Patient mehr nicht beilegen konnte. „Um damit zurechtzukommen, tauschen wir Kollegen uns regelmäßig aus“, so Arens. „Das Verständnis füreinander ist wichtig.“
Es sei keine Verbesserung mehr möglich, hätten ihnen die Ärzte gesagt, erzählt eine Angehörige, deren 64-jähriger Ehemann seit einigen Tagen hier ist. Sie habe vorher keine Vorstellung von einem Hospiz gehabt. „Aber die Betreuung hier ist ganz toll“, lobt sie und kämpft mit den Tränen. Ihr Sohn pflichtet ihr bei: „Hier wird alles mit einem Lächeln gemacht“
Es gehe wirklich um die Begleitung, darum, für den Menschen da zu sein. Besonders froh sind Mutter und Sohn, dass sie persönliche Gegenstände ins Zimmer mitbringen durften, die dem 64-Jährigen wichtig sind – „seine Fotos, sein Whisky, seine Zigarren, seine eigene Bettwäsche“, zählt der Sohn auf. „Wir haben versucht, ihm seine Umgebung in die zwölf Quadratmeter zu bringen.“ Seit Monaten kämpft der Vater mit dem Krebs. Inzwischen hat er endgültig seine Sprache verloren. Der Sohn ringt um Fassung und sagt dann: „All das, was ich noch mit ihm besprechen wollte ...“
Für jeden Verstorbenen wird im Hospiz-Flur ein grünes Papierblatt an einen Baum aus Holz gehangen. Darauf werden Name und Sterbedatum vermerkt. Mehr als 130 waren es in diesem Jahr bereits. Am Volkstrauertag wurden die Blätter zu einer Gedenkfeier mit den Angehörigen in die Kirche gebracht. „Das ist auch für uns als Mitarbeiter ein wichtiger Abschluss im Jahr“, erklärt Arens. Der Baum im Flur wird heute ohne Blätter sein. „Und dann fangen wir wieder neu an.“