Seit Jahrzehnten sichern soziale Träger den gesellschaftlichen Zusammenhalt, indem sie Menschen Teilhabe ermöglichen. Jetzt fürchten sie Kürzungen und Schließungen.
Jahresempfang der Caritas Köln und ihrer VerbändeStreiter für ein soziales Köln – Teilhabe und Würde statt Spaltung der Gesellschaft
Wer zum Jahresempfang der Caritas Köln kam, durfte erstmal in den Spiegel schauen. Dort sah er dann sich — und ein Signet mit dem Schwerpunktthema der Caritas und ihrer Fachverbände: „Frieden beginnt bei mir“. Frieden ist nicht nur Leitmotiv der Jahreskampagne, sondern auch der rote Faden der Arbeit der Caritas Köln und ihrer Fachverbände In Via, Malteser Köln, Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), Sozialdienst katholischer Männer (SKM) und Katholischer Jugendagentur (KJA).
Die würdigte Stadtdechant Robert Kleine in seiner Eröffnungsrede. Selbstverständlich seien der zwischenmenschliche und der soziale Frieden in einer Gesellschaft keinesfalls. „Auch in unserem Land wird geflüchteten Mitbürgern mit Remigration gedroht, wird von einem verurteilten Politiker Inklusion an Schulen als Ideologie bezeichnet, werden Menschen in Armut als Harzer verächtlich gemacht, Alte und Kranke an den Rand gedrängt“, sagte Kleine. Für alle diese Menschen, die keine oder nur eine leise Stimme in der Gesellschaft hätten, seien die Fachverbände Sprachrohr. Ihre Arbeit rüttle auf und ermögliche Teilhabe, so Kleine unter großem Applaus der rund 250 Gäste und Mitarbeitenden im Kapitelsaal von In Via, darunter auch Bundes-, Landes- und Ratspolitiker sowie Mitglieder der Stadtverwaltung.
Für die „gute und tagtägliche Zusammenarbeit“ dankte Bürgermeister Ralf Heinen den freien Trägern im Namen der Stadt Köln. „Es ist eine besondere Herausforderung für die Stadtgesellschaft, dieses Miteinander und Füreinander in den Mittelpunkt zu stellen. Und das leisten die freien Träger in vielgestaltiger Weise jeden Tag. Sie tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und agieren als Friedensstifter in vielen Bereichen.“
Eine Würdigung, die Caritas-Vorstandssprecher Peter Krücker auf sehr persönliche Weise aufnahm. „Keine unserer Jahreskampagnen ist mir so nahe wie diese. Ich wurde durch die Friedensbewegung sozialisiert, habe aus tiefster Überzeugung den Kriegsdienst verweigert und stattdessen an einer Kölner Schule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche gearbeitet. Die positiven Erfahrungen meines sozialen Dienstes am Menschen waren entscheidend für meinen weiteren Lebensweg. Ohne meine Friedensüberzeugung würde ich wohl heute nicht hier stehen“, sagte Krücker.
Die Caritas teile die Vorstellung einer offenen, demokratischen und solidarischen Gesellschaft, in der jeder Mensch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben habe. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen unabhängig von Herkunft, Status, Geschlecht, sexueller Identität, Alter, Leistung und Religion mit Liebe und Achtung zu begegnen“, so Krücker. „Immer und überall.“
Träger befürchte Schließungen auf breiter Ebene
Das geschehe etwa mit dem Angebot der „Arche für Obdachlose“ am Rande des Mülheimer Stadtparks. Und im Familienhaus des SkF in Chorweiler-Nord, wo Familien Hilfe bei der Bewältigung ihrer Erziehungsaufgaben bekommen. Die Erfahrung von Unterstützung schaffe die Basis für ein friedvolles Miteinander, so Krücker. „In der Radstation von In Via bekommen langzeitarbeitslose Menschen die Möglichkeit, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen, ihrer Ausgrenzung wird aktiv begegnet.“ In den Jugendbüros der KJA würden Jugendliche dabei unterstützt, sich persönlich und sozial zu stabilisieren – der Grundstein für ein friedvolles Zusammenleben als ein Teil der Gesellschaft.
„Unser Verbund steht verlässlich an der Seite der Menschen in Not, wir bieten der Stadt Köln qualitativ hochwertige Strukturen und Angebote. Um das weiter tun zu können, müssen die Angebote der freien Träger, die mit tarif- und krisenbedingt drastisch gestiegenen Personal- und Sachkosten zu kämpfen haben, weiter kostendeckend refinanziert und nicht auch noch mit zusätzlichen Eigenanteilen belastet werden. Sonst drohen Schließungen auf breiter Ebene.“ Die Ungleichbehandlung öffentlicher und freier Träger gefährde unser soziales System insgesamt und trage damit zur Spaltung der Gesellschaft bei, sagt Krücker. Jetzt müsse der Kölner Rat mit der Aufstellung des kommunalen Doppelhaushalts 2025/2026 darüber entscheiden, ob Köln eine soziale Stadt bleibe. Oder ob nicht.