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Interview mit Roncalli-Chef Bernhard Paul„In Köln bin ich sehr stiefmütterlich behandelt worden“

Lesezeit 5 Minuten
Bernhard Paul, Gründer des Circus Roncalli

Bernhard Paul, Gründer des Circus Roncalli

Roncalli-Chef Bernhard Paul (76) spricht im Rundschau-Interview über das Gastspiel in Köln, ein eigenes Museum und sein schwieriges Verhältnis zur Stadt

Bernhard Paul ist Circus-Chef und Veranstalter. Thorsten Moeck sprach mit ihm über das Gastspiel in New York, Weihnachten und den globalen Rechtsruck.

Sie werden Weihnachten mit Ihrer Familie in Bremen feiern. In einem Zirkus-Wagen. Bleibt da noch Platz für einen Tannenbaum?

Es ist alles sehr stimmungsvoll dekoriert, natürlich auch mit Weihnachtsbaum. Auch die Familie meiner Frau wird zu Besuch sein. Unsere Show in New York ist gerade verlängert worden, es ist alles wunderbar.

Sind Sie überrascht, wie sehr sich die Menschen in New York durch Ihr Zirkusprogramm verzaubern lassen?

Das habe ich in New York nicht unbedingt erwartet und hätte es nie zu träumen gewagt. New York ist noch lauter geworden, dort ist 24 Stunden Rush-Hour, und es fahren die größten SUV's durch die Stadt, die ich je gesehen habe. Wenn das die Klimakleber sehen würden, bekämen die einen Herzinfarkt. Das ist weit weg von unserer Lebenswirklichkeit.

Ein Kulturschock?

Nein, ich denke, wir sind manchmal weiter weg von der Realität mit dem Bedürfnis die Welt zu retten. In New York steht an jeder Ecke ein Hot Dog-Laden mit Discomusik.

Gibt es wenigstens vegane Hot Dogs?

Es ist alles anders und bei uns in Deutschland vielleicht ein bisschen naiv manchmal.

Sie feiern im Zirkus nicht nur die Kunst, sondern ein großes Miteinander. Bereitet Ihnen die politische Entwicklung in vielen Teilen Europas Sorge?

Manchmal bereitet mir eher der Linksruck Sorge. Mir wird zu viel verboten, selbst Winnetou wird in Frage gestellt. Dabei war die Geschichte, die Karl May erzählt, ein Stück Völkerverständigung. Wir haben in unserem Zirkusteam immer Menschen unterschiedlichster Hautfarben und Religionen, das funktioniert seit Generationen. Wir haben auch Ukrainer und Russen, die sich helfen.

Sie betreiben Weihnachtsmärkte und Ihr Zirkus gastiert in Amerika. Ein enormes Pensum.

Das ist wie beim Klavierspielen, man muss mit allen zehn Fingern spielen. Manchmal auch vierhändig. Meine Aufgabe ist es, aus den vielen Nationen und Menschen eine große Familie zu formen. Das ist bei uns gelungen. Wir machen Weihnachtsmärkte von Hamburg bis Hannover, da bin ich manchmal schon innerlich etwas zerrissen.

Bernhard Paul, Direktor des Circus Roncalli

Bernhard Paul, Direktor des Circus Roncalli

Von April bis Ende Mai steht das nächste Heimspiel in Köln an. Steht das Programm schon?

In zwei Jahren feiern wir unser 50-jähriges Bestehen, die Programme sind ein fließender Prozess. Man kann gute Nummern nicht früh genug buchen und sich Gedanken über das Programm machen. Unser Programm „Art for all“, in dem es um Kunst und Künstler ging, ist so gut angekommen und war so erfolgreich, dass ich mir eine Fortsetzung erlaube. Wie in Hollywood. Wir haben verschiedenste Künstler noch nicht im Programm verarbeitet, beispielsweise die Zirkusgemälde von Henri de Toulouse-Lautrec. Und die schönsten Zirkusbilder von Pablo Picasso können als Inspiration für die Gestaltung von Kostümen dienen. Man kann viel lernen und sich inspirieren lassen.

Die Ticketpreise bewegen sich zwischen 30 und knapp 100 Euro. Ein wenig mehr als zuletzt.

Wir haben Ticketpreise moderat angepasst, wir sind aber fast überall ausverkauft. Momentan stellen wir eine große Nachfrage fest. Die Menschen wollen wieder entspannen und abgelenkt werden. Brot und Spiele sozusagen.

Die Idee des Gastspiels in New York ist von Andy Warhol geboren worden. Bis zur Umsetzung hat es mehr als 40 Jahre gebraucht. Wie sieht es mit Ihrem Traum von einem Roncalli-Museum in Köln aus?

Dieser Traum ist bislang an den Auflagen und Vorgaben der Stadt Köln gescheitert. Wir waren schon mehrfach startklar, es gab Versprechungen der Oberbürgermeisterin Reker, dann sind wieder zwei Jahre ins Land gegangen. Ich werde 77 Jahre alt, so viel Zeit habe ich also nicht mehr. Aber es geht in Köln nicht weiter. Wissen Sie, wir werden nach New York geholt, in Hamburg haben wir ein Roncalli-Café, in Düsseldorf veranstalten wir kommendes Jahr einen Weihnachtsmarkt. In Köln habe ich mich passenderweise dreimal für den Weihnachtsmarkt auf dem Roncalliplatz beworben, dreimal wurde ich abgelehnt. Und andere Städte fragen uns an.

Wo könnte das Roncalli-Museum entstehen?

Im Stadtmuseum, das ja leer steht. Wir haben Originalkostüme der Beatles, auch von Marlene Dietrich, Musikinstrumente. Ich stelle mir ein lebendiges Museum zur Popkultur vor, zu Zirkus und Clowns. Mit einem Sponsor würde ich versuchen das Haus wieder in Schuss zu bekommen. Und dann würde ich meine weltweit geachtete Sammlung dort präsentieren und den Menschen in Köln zur Verfügung stellen. Aber auch dafür braucht es Politiker mit Visionen.

In Köln gibt es Visionen für die Gestaltung des Neumarkts. Werden Ihre Interessen dabei berücksichtigt?

Ich hoffe es. Aber neulich rief mich die Oberbürgermeisterin an und sagte: Auf dem Neumarkt können Sie nicht mehr spielen, da entsteht jetzt ein Café. (Anmerkung der Redaktion: Laut Ratsbeschluss kann der Neumarkt auch nach dem Bau des Brunnens und der Inbetriebnahme eines Caféswie gewohnt bespielt werden). Wenn man mich fragen würde, wie das Kölner Zentrum, also der Neumarkt zu einer schönen Insel werden kann, hätte ich drei Konzeptideen.

Und zwar?

Das würde jetzt den Rahmen sprengen. Aber wir stehen beispielsweise in Wien am Rathausplatz. Und für das übernächste Jahr dürfen wir das Jubiläumsfest für Johann Strauss gemeinsam mit der Stadt Wien gestalten. Mein Urgroßvater war mit Johann Strauss befreundet, es gibt für mich also einen familiären Bezug. Nur in Köln bekomme ich nicht mal eine Frittenbude. In ganz Deutschland machen wir schöne Weihnachtsmärkte, nur nicht in Köln, wo wir Steuern zahlen. In Köln bin ich sehr stiefmütterlich behandelt worden. Aber ich mag die Menschen in der Stadt sehr gerne.