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Interview mit Pianistin Olga Scheps„Ich werde meine Meinung nicht ändern“

Lesezeit 6 Minuten

Die Pianistin Olga Scheps tritt mit dem Nationalorchester der Ukraine in der Philharmonie auf.

KölnMit dem Krieg in der Ukraine änderte sich einiges für die Kölner Pianistin Olga Scheps. Sie meldet sich zu Wort, was früher für sie eher ungewöhnlich war. Jan Sting sprach mit ihr über Friedensbotschaften.

Sie haben in den sozialen Medien schon ganz früh Position gegen den Krieg bezogen. Mit dem National Symphony Orchestra of Ukraine spielen Sie in der Philharmonie Franz Liszt unter dem Titel „Für den Frieden“. Verstehen Sie sich als Botschafterin?

Ich bin ganz klar für den Frieden. Wenn ich eine Botschaft mit diesem Konzert vermitteln kann, mache ich das sehr gerne, mit großer Freude und Überzeugung.

Woraus schöpfen Sie Hoffnung?

Ich hoffe, dass die Situation deeskaliert, dass es sich nicht weiter immer mehr aufbauscht. Ich hoffe auf eine diplomatische Lösung.

Ihre Eltern kommen aus der Ukraine, was berührt Sie persönlich jetzt besonders stark?

Meine Mutter und mein Vater sind in Gegenden in der Ukraine geboren, die betroffen sind. Meine Großeltern auch, meine jüdische Oma, die auch hier lebt, hat immer gesagt: „Schwierigkeiten gehören zum Leben dazu, man kann alles lösen, schaffen, Hauptsache, es gibt keinen Krieg.“ Sie redet aus Erfahrung.

Zur Person

1986 wurde Olga Scheps als Tochter zweier Pianisten in Moskau geboren und begann als Vierjährige mit dem Unterricht. Zwei Jahre später intensivieren sich ihre Studien nach dem Umzug der Familie nach Deutschland 1992.

Alfred Brendel entdeckte ihr Talent, er förderte die junge Olga Scheps. Ihr Studium bei Prof. Pavel Gililov in ihrer Wahlheimat Köln schloss die Stipendiatin der „Deutschen Stiftung Musikleben“ und der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ 2013 mit dem Konzertexamen mit Auszeichnung ab.

„Für den Frieden“ , Sonntag, 6. November, 16 Uhr, in der Philharmonie: Lyatoshynsky Symphonic poem „Grazhyna“; Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 1 in Es-Dur; - Ludwig van Beethoven; Sinfonie Nr. 8 in F-Dur, op. 93. (jan)

Was bereitet Ihnen Sorgen?

So viele Menschen sterben, leiden. Es tut weh, über das alles zu hören und zu lesen. In der Ukraine leiden und sterben Menschen, verlieren ihre Angehörigen, in Russland auch und in so vielen anderen Regionen. Wir haben in der aktuellen Zeit 35 Kriege auf der Welt. Ich versuche alles zu tun was ich kann, um zu helfen. Sei es mit Spenden, Flüchtlingen mit Übersetzungen und Anderem zu helfen, mit Musik Trost, Hoffnung und Freude zu geben.

In Ihrem Video betonten Sie auch, dass es in Russland viele Gegner des Krieges gebe. Die Regierung reflektierte nicht, was das Volk wolle.

Ja. Es ist bei Weitem nicht so, dass alle Russen innerhalb und außerhalb Russlands Putins Angriff befürworten. Natürlich gibt es in Russland Menschen die das gut finden, aber die gibt’s auch hier. Generell gibt es überall auf der Welt Idioten, Nationalsozialisten und Kriegstreiber, in Russland, in der Ukraine, in Deutschland, wo auch immer. Leider.

Die Musik kann sicher manche Wogen glätten ...

Ja, Musik ist etwas, was uns alle verbindet, egal woher wir kommen. Ich bin seit vielen Jahren in so vielen Ländern unterwegs, unsere ganze Branche ist sehr international. Egal wo man herkommt, Musik erzählt über Gefühle und Emotionen, die doch die gleichen sind bei uns allen. Ich werde oft gefragt ob ich mich als Russin, Jüdin, Ukrainerin fühle oder Deutsche. Ich weiß nie wirklich, was ich darauf antworten soll. Wie fühlt man sich als Deutscher, als Ukrainer, als Chinese, als Amerikaner? Keine Ahnung. Ich fühle mich als Mensch auf dieser Welt.

Sind solche Fragen seit Februar denn häufiger aufgetreten?

Ich werde seit März ständig gefragt, wie ich zu diesem Krieg dort stehe, ob ich Putins Angriff befürworte. Ich finde es verletzend, wenn mir jemand aufgrund meiner Wurzeln und des Ortes meiner Geburt unterstellt, ich würde Putins Morde befürworten.

Auch Oksana Lyniv hat mit ihrem Jugendorchester der Ukraine zu Frieden und Dialog aufgerufen. Es sei eine neue und starke Generation, die keine Gewalt mehr ertragen werde. Teilen Sie die Ansicht, dass sich gerade die jungen Menschen in der Ukraine behaupten können?

Sie hat recht. Ich sehe das so wie sie. Auch ich möchte zum Frieden und Dialog aufrufen. Ich hatte die Freude, mit Oksana Lyniv und den Grazer Philharmonikern im Musikverein in Graz zu spielen, da haben wir auch Liszt gespielt, das Konzert Nr. 1 und die „Malediction“. Sie ist eine wunderbare Musikerin und ich finde es großartig, dass sie sich dafür einsetzt, jungen Leuten mehr Perspektiven zu geben, und der Welt zu zeigen, was sie draufhaben.

Wie ist die Situation für Künstler jetzt überhaupt, wie sieht Ihr Terminkalender aus?

Das Konzertleben lebt nach und nach wieder auf, und ich finde es sehr erfüllend, wieder öfter auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Die letzten Jahre waren für unsere Branche nicht einfach, einige Agenturen, Veranstalter und Künstler sind sogar ganz verschwunden, die die geblieben sind, haben noch mit den Folgen zu kämpfen.

Können sie irgendwann wieder Fuß fassen?

Als Musiker ist es wichtig, dass man sich regelmäßig vorbereitet. Der größte Teil der Arbeit findet hinter den Kulissen statt.

Wenn jemand darauf angewiesen ist, einen anderen Beruf auszuüben, um damit sein Geld zu verdienen, dann bereitet sich dieser Musiker nicht mehr regelmäßig auf Konzerte vor. Das ist jetzt etwas allgemein ausgedrückt. Ich freue mich, dass ich Pianistin sein darf, nach wie vor, dass ich zu denen gehöre, die es bisher überstanden haben. Das ist nicht selbstverständlich, und ich weiß es zu schätzen.

Ein Auftritt in Ihrer Geburtsstadt Moskau dürfte in nächster Zeit wohl eher unwahrscheinlich sein, das haben Sie bei Ihrer Kritik in Kauf genommen.

Ja, wenn das so ist, dann ist das eben so. Ich werde deshalb meine Meinung nicht ändern.

Ihre Heimat ist jetzt Köln ...

Ich lebe seit über 30 Jahren mit meiner Familie in Deutschland, meine Eltern haben Russland 1992 verlassen. Ich fühle mich in Köln wohl, es ist eine sehr lebendige Stadt, ich mag die Mentalität, die Offenheit der Menschen hier.

Was wünschen Sie sich für das Konzert?

Ich wünsche mir und ich weiß es auch, dass wir an diesem Abend zusammenkommen werden um die Musik, unser friedliches Miteinander und das Event gemeinsam zu erleben und zu empfinden.

Der Konzertsaal ist einer der friedlichsten Orte der Welt, dort feiert man gemeinsam das Leben und die Musik. Ich wünsche mir, dass es auf der ganzen Welt so ist, wie dort. (js)