Die Dezernenten Markus Greitemann, Andree Haack und Harald Rau sprechen über eine neue Zielsetzung beim Wohnungsbau in Köln.
Dezernenten-Interview„6000 neue Wohnungen pro Jahr sind derzeit nicht realistisch“
Das Gespräch führten Tobias Wolff und Moritz Rohlinger.
Der Wohnungsbau steckt auch in Köln in der Krise. Wie kritisch sehen Sie die Lage?
Haack: Das ist natürlich besorgniserregend. Mir ist immer wichtig zu betonen, dass es kein Kölner Phänomen, sondern ein bundesweites ist. Es hat sich in den letzten Monaten bereits angedeutet und spiegelt es sich so langsam auch bei den Zahlen der ausgestellten Baugenehmigungen wider. Wir sind in der Situation, dass wir eine Zinswende haben, die für den Markt überraschend kam. Dazu sind die Baupreise extrem gestiegen und auch die Inflation. Diese Themen haben sich so aufsummiert, dass der Wohnungsbau eingebrochen ist.
Müsste man sich da nicht langsam von dem Ziel verabschieden, jährlich 6000 Wohnungen bauen zu wollen?
Haack: Genau das haben wir im letzten Wohnungsbauforum mit der Wohnungswirtschaft verabredet. Wir stellen diese 6000 Wohneinheiten auf den Prüfstand. Früher gab es das Stadtentwicklungskonzept mit 3000 Wohnungen, was auch realistisch erreichbar war. 6000 sind unter den derzeitigen Bedingungen nicht möglich. Wir benötigen eine Planungsbeschleunigung beim Wohnungsbau, sonst kommen wir gar nicht hinterher.
Greitemann: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen. Das haben wir auch mit der Wohnungswirtschaft vereinbart. Es kann aber nur im Dreiklang gehen: Verwaltung, Politik und Wohnungswirtschaft. Dabei müssen wir aufhören, mit dem Finger auf einander zu zeigen. Damit kommen wir keinen Schritt weiter. Alle drei Gruppen haben ihre Aufgaben, das muss im Verbund gesehen werden.
Gefühlt läuft die Zahl aber auf null zu und es herrscht Stillstand auf dem Markt.
Haack: Der eine Effekt ist die extreme Verteuerung auf dem Markt – allein durch die gestiegenen Zinsen. Der andere ist, dass die Wohnungswirtschaft keine Projekte mehr anschiebt. Neue Projekte im frei finanzierten Bereich sind derzeit kaum rechenbar. In den nächsten ein bis zwei Jahren werden Häuser aus laufenden Projekten zwar noch fertiggestellt. Aber eigentlich müssten jetzt neue Projekte angeschoben werden – und das passiert gerade zu wenig. Da wollen wir versuchen gegenzusteuern, mit den Mitteln, die uns auf kommunaler Ebene zur Verfügung stehen, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln.
Und wie einen Sie drei Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Interessen?
Greitemann: Wir müssen uns zusammenschließen. Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, über alle Rahmenbedingungen nachzudenken. Denn wir möchten keine Abstriche bei der Qualität. Also ist zu klären, wer was macht und wer was finanziert. Als viertgrößte Stadt Deutschlands haben wir auch den Anspruch, das zum Land und zum Bund zu senden. Wir müssen da immer wieder Impulse setzen und die Bedingungen vereinfachen.
Warum machen die Bedingungen denn so große Probleme?
Greitemann: Sie sind so komplex geworden. Es existieren teilweise gegenläufige Verordnungen und Gesetze. Das muss aufgelöst werden. Das Investitionsklima ist sowas von pessimistisch und wenn wir immer wieder neue Regularien draufpacken, kommen wir keinen Schritt weiter. Und: Auch die Wohnungswirtschaft wird darüber nachdenken müssen, ob sie ihre Geschäftsstrategie ändert.
Und was muss die Stadtverwaltung überdenken?
Greitemann: Unsere erste Aufgabe ist definitiv, dass wir für die Flächen, die wir haben, Planungsrecht schaffen. Und das tun wir. Aber auch da müssen Wohnungswirtschaft und Politik unterstützen. Ohne sie geht es nicht. Unsere zweite Aufgabe ist, Baugenehmigungen zu erteilen. Aber: Wir können nur so viele Baugenehmigungen erteilen, wie wir Anträge erhalten.
Das gilt auch für den sozialen Wohnungsbau. Ist die Situation da besser?
Rau: Bei uns als Bewilligungsbehörde haben sich die Anfragen im Vergleich zu den Vorjahren vervierfacht. Das sind keine Anmeldungen, aber Interessensbekundungen. Und wer Interesse bekundet, hat sich ja zumindest vorher schon orientiert. Wir sind hoffnungsvoll, was das neue Förderprogramm des Landes angeht.
Kann das mehr als bisher?
Rau: Es gibt teilweise höhere Kreditbeträge, günstige Darlehen und Tilgungsnachlässe von bis zu 75 Prozent. Die Bedingungen sind also richtig gut. Das manifestiert sich in diesem gestiegenen Interesse. Ich gehe also davon aus, dass es da in nächster Zeit Bewegung geben wird. Dabei sind besonders junge Wohngenossenschaften gefragt, die bekommen nämlich für ihre ersten sechs Projekte diese 75 Prozent Tilgungsnachlass.
Nichtsdestotrotz benötigen wir mehr Wohnungen, besonders sozialen Wohnraum. Aber gefühlt steht der Markt still.
Haack: Man wirft der Stadt immer vor: Ihr seid zu langsam. Aber wir haben fast 10.000 Genehmigungen für Wohnungen erteilt, die nicht gebaut werden. Da liegt ein riesiges Potenzial brach, das von den Antragstellern nicht genutzt wird. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Woran liegt das denn?
Greitemann: Viele dieser Grundstücke, auf denen wir Wohnungen genehmigt haben, wurden in einer Zeit verkauft, in der die Zinslage und auch die Baumarktpreise einen regelrechten Verkaufsboom ausgelöst haben. Jetzt die rapide gestiegenen Kosten und Zinsen aufzufangen und das Projekt mit einer schwarzen Null unterm Strich umzusetzen, ist eine riesige Herausforderung für die Wohnungswirtschaft.
Wie groß ist die Sorge, dass von diesen 10 000 genehmigten Wohnbauvorhaben die Hälfte platzen könnte?
Haack: Das können wir pauschal nicht einschätzen, dafür sind die Vorhaben zu individuell. Aber es hat sich ja jemand die Arbeit gemacht, ein Grundstück zu kaufen, einen Bauantrag zu stellen und auch ein Genehmigungsverfahren zu durchlaufen. Da steckt bereits viel Substanz hinter. Insofern habe ich Hoffnung, dass so viele Genehmigungen wie möglich ausgeschöpft werden.
Wie sieht es beim sozialen Wohnungsbau mit Zielen und Ergebnissen aus?
Rau: Bei uns ist die Zielgröße, 1000 neue öffentlich geförderte Wohnungen pro Jahr zu bauen. 1000 Anträge und Genehmigungen haben wir in den vergangenen Jahren überschritten. Aber die Genehmigungen wurden nur zu einem Teil auch tatsächlich „in Beton gegossen“. Es waren zuletzt meist rund 600 geförderte Wohnungen, die in Köln pro Jahr gebaut wurden. Dabei fließen rund 190 Millionen Euro an Fördermitteln des Landes nach Köln.
Wie steht die Chance, dass es in der Realisierung mehr werden?
Rau: Bei den vervierfachten Interessensbekundungen gibt es etliche größere Projekte, wo wir sehr, sehr zuversichtlich sind, dass diese auch realisiert werden. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Im Jahr 2025 werden beispielweise knapp 4000 Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen. 2031 nochmal knapp 4000.
Dann wird es de facto aber weniger soziale Wohnungen geben?
Rau: Wir fluktuieren bisher eigentlich immer so um die 500 Wohnungen, die aus der Preisbindung fallen. Das heißt, unser Ziel von 1000 neuen Wohnungen hätte, wenn sie realisiert worden wären, sogar für Wachstum gesorgt. Das wird nun eindeutig ins Negative gehen. Trotzdem darf dieses Ziel von 1000 Wohnungen für den Bereich öffentlich gefördertes Wohnen überhaupt nicht in Frage gestellt werden. Es muss idealerweise erhöht werden.
Greitemann: Das ist ein Punkt, bei dem wir uns sehr einig sind. Wir müssen mit der Wohnungswirtschaft diskutieren, dass mehr öffentlich geförderte Wohnungen errichtet werden. Die Förderbedingungen sind großartig und wir unterstützen gerne bei den Rahmenbedingungen, damit die Förderung auch greift.
Wird es denn bei all den Vorgaben und der wirtschaftlichen Lage nicht schwieriger, Investoren zu überzeugen, den sozialen Wohnungsbau umzusetzen?
Rau: Der geförderte Wohnungsbau wird durch die verbesserten Förderungen und Rahmenbedingungen attraktiver. Darauf zielt das Förderprogramm des Landes ab. Damit werden auch die kommerziell und an Rendite orientierten Investierenden möglicherweise ihr Geschäftsmodell überdenken.
Bauen wir dann demnächst nur noch sozialen Wohnraum?
Rau: Am Ende kann es sein, der geförderte Wohnungsbau die wirtschaftlich tragende Säule ist. Ungefähr jeder Zweite in Köln hat den Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, die Nachfrage ist also vorhanden.
Müssen Sie dann das kooperative Baulandmodell, also die Pflicht Bei Wohnungsbauprojekten 30 Prozent sozialen Wohnraum zu schaffen, auch auf den Prüfstand stellen?
Greitemann: Das kooperative Baulandmodell aufzureißen und die Quoten zu erhöhen, würde das Investitionsklima nur noch mehr verschlechtern. Das wäre schlichtweg falsch. Wir müssen darüber nachdenken, wer was macht. Im Wohnbündnis sind die Aufgaben klar verteilt: Wer für was verantwortlich ist und wer was finanziert. Da müssen Politik, Wirtschaft und Verwaltung sich gegenseitig in die Augen sehen und klären, wer wofür Verantwortung übernimmt. Das geht nur im Verbund.
Gibt es andere Ideen, um diese Probleme zu lösen?
Rau: Wir haben 2021 in Köln eine Grenze gerissen: Seitdem bewohnt eine Person mehr als 40 Quadratmeter Fläche. Das heißt: Obwohl alles immer teurer und immer knapper wird, wird die Wohnfläche, die die Bürgerinnen und Bürger wollen, immer größer. Die große Frage ist: Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Meine Antwort ist „Shared“, also gemeinsam genutzter Wohn- und Lebensraum. Weniger privater Raum, dafür mehr öffentlicher, aber auch halb-öffentlichen Raum. So stelle ich mir neue Quartiere vor. Das hat ganz viel Charme und da sehe ich in Köln tolle Entwicklungsmöglichkeiten.
Diese Zukunftsvision löst aber nicht die aktuellen Probleme. Wie viele Baugenehmigungen könnten denn in den nächsten Jahren noch eingehen?
Haack: Da sind die fünf Großprojekte Kreuzfeld, Mülheim-Süd, Deutzer Hafen, Rondorf-Nordwest und die Parkstadt Süd. Das sind 320 Hektar Fläche, auf denen über 20 000 Wohneinheiten in den nächsten Jahren errichtet werden. Wir haben ein Wohnungsbauprogramm mit kurzfristigen und langfristigen Zielen. Und es gibt den Wunsch der Stadt, weitere 760 Hektar Siedlungsflächen auszuweisen. Es ist schön, wenn wir vermutlich im nächsten Jahr über 700 Hektar mehr im Regionalplan für Wohnen bekommen, aber das heißt nicht, dass wir das sofort zur Verfügung haben.
Was heißt es denn?
Greitemann: Das muss alles planerisch umgesetzt werden. Wir benötigen Flächennutzungspläne, Bebauungspläne, das muss in den Genehmigungsverfahren umgesetzt werden. Das dauert in Deutschland zu lange. Wir benötigen mittlerweile im Schnitt drei Jahre für ein Bebauungsplanverfahren. Nicht weil wir langsam sind, sondern weil die rechtlichen Anforderungen so unglaublich hoch geworden sind. Bevor Sie bauen können, müssen Sie zahlreiche Gutachten erstellen lassen und sich mit unterschiedlichsten Behörden abstimmen und das dauert zu lang. Da haben wir meiner Meinung nach definitiv Verbesserungspotential.
Bedeutet das gepaart mit der wirtschaftlichen Lage, dass alles noch viel länger gedauert?
Haack: Wir wollen alles versuchen, damit das nicht so ist, denn die Stadt Köln hat ein Interesse daran, dass ausreichend Wohnungen gebaut werden. Die aktuellen Rahmenbedingungen machen es aber nicht leichter.
Keine rosigen Aussichten.
Greitemann: Jede zusätzliche Regulierung, die unklar ist oder ohne die Förderung deutlich herauszuarbeiten, wäre der nächste Rückschritt. Die Stimmung ist fast auf dem Nullpunkt und so etwas können wir uns in Deutschland nicht mehr leisten.
Wird denn bereits etwas getan, um der wirtschaftlichen Krise entgegen zu wirken?
Haack: Die Investoren gehen viel mehr ins standardisierte Bauen. Da wird mit Modulbauweisen gearbeitet, eben auch um die Kosten zu optimieren. So wird kaum noch irgendwo Beton vor Ort gegossen, sondern es werden Fertigteile angeliefert und darin sind z.B. schon die Fenster, die Jalousien und Stromleitungen vorhanden. Da steckt Potenzial drin, die Digitalisierung am Bau wird sich weiter fortsetzen.
Das Geld ist aber nur das eine Problem. Das andere ist der Platz. Viele Familien verlassen die Stadt, ziehen ins Umland, spätestens wenn sie das zweite Kind bekommen. Stimmt der Eindruck, dass der Wohnungsmarkt in Köln familienunfreundlich ist?
Haack: Wir können aus den aktuellen Daten ablesen, dass wir in der Altersgruppe zwischen 35 und 45 den größten Bevölkerungsverlust zu verzeichnen haben. Wir planen für Ende dieses Jahres eine Wegzugsmotivbefragung. Wir werden uns ganz gezielt anschauen, wer aus Köln weggezogen ist und nach dem Grund fragen. Wir wollen über die Befragung verlässliche Daten sammeln, die es uns möglich machen, in der Steuerung präziser sagen zu können, welche Wohnungen wir in welcher Qualität bauen müssen. Bisher läuft statistisch alles unter dem Begriff der „Wohneinheit“. Wir wollen das stärker klassifizieren, also darüber sprechen, wie viele Wohnungen wir in welcher Größe benötigen.
Wie wichtig ist es, die Infrastruktur gleich mitzudenken? Familien benötigen nicht nur Wohnraum, sondern auch Einkaufsmöglichkeiten und Schulen.
Haack: Die Infrastruktur muss mitwachsen. Das ist genau der Grund, warum sich so viele Städte im Speckgürtel mittlerweile schwer damit tun, mehr Wohngebiete auszuweisen. Köln hat da aber als Metropole andere Möglichkeiten.
Zum Abschluss noch eine provokante Frage: Muss Köln überhaupt weiter wachsen?
Greitemann: Ich finde ja, aber das ist auch eine Entscheidung der Politik.
Haack: Da schließe ich mich an. In meinen Augen ist das Leben in der Stadt mit seinen kurzen Wegen besonders nachhaltig. Wenn die Städte wachsen, ist das also aus ökologischer Sicht nicht verkehrt.
Rau: Mir ist vor allem wichtig, dass sich in Köln jeder, der hier leben möchte, eine Wohnung leisten kann. Wenn Köln dafür wachsen muss, lautet meine Antwort: ja.