Interview mit Frankfurter Hochhausexperte„Köln hat keine Strategie“
Köln – Die Stadt erstellt ein Konzept , wo zukünftig Hochhäuser erlaubt sind und wo nicht. Der Geltungsbereich wird viel größer. Martin Wentz hat Ende der 90er-Jahre als Frankfurter Planungsdezernent einen Hochhaus-Plan erstellt, die Stadt gilt als Hochhaus-Metropole.
Die Flächen sind knapp in Großstädten, um neue Wohnungen oder Büros zu bauen. Muss es zwangsläufig mehr Hochhäuser geben?
Wentz: Nein, meiner Erfahrung nach ist das nicht zwangsläufig. Das liegt daran, dass die erzeugten Flächen in Hochhäusern unbedeutend sind gemessen am Gesamtbestand einer Stadt. Es kann trotzdem sinnvoll sein, in bestimmten Gebieten Arbeitsplätze in Hochhäusern zu konzentrieren, es braucht dafür aber ein Konzept. Aber allgemein: Ob eine Stadt jetzt zehn Hochhäuser oder mehr hat, ist keine logische Folge der Flächenknappheit. Sie sind nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Häuser sind in ihrer Außenwirkung dominanter, als sie neue Flächen schaffen?
Ja. Frankfurt etwa hat rund elfeinhalb Millionen Quadratmeter Büroflächen. Ein neues Hochhaus mit 50 000 Quadratmetern ist nicht sehr bedeutend. Noch krasser ist es bei Wohnhochhäusern, sie bringen keine Entlastung des Wohnmarktes. Das spricht nicht gegen das Hochhaus, aber ob mehr davon helfen, die Flächenknappheit zu lösen, muss eine Stadt sehr genau analysieren. In der Regel sind sie nicht die Lösung.
Demnach würde es eher helfen, wenn eine Stadt stadtweit ein oder zwei Geschosse mehr auf allen Häusern erlaubt?
Exakt. So ist das.
Warum haben Sie in Frankfurt als damaliger Planungsdezernent in den 1990er-Jahren einen Rahmenplan für Hochhäuser entwickelt?
Frankfurt wollte nach dem Krieg die Wirtschaftshauptstadt Deutschlands werden und hatte eine Vorgeschichte mit Hochhäusern. Und letztlich hat sich das Hochhaus als Gebäudetypus im Bankenviertel auch bewährt. Wobei Frankfurt sich dabei städtebaulich ganz bewusst für ein klar abgegrenztes Gebiet entschieden hat, in dem solche Hochhäuser erlaubt sind.
Warum?
Wenn sie Hochhäuser über die Stadt verkleckern, haben sie jeweils immer betroffene Bevölkerung, die sich vor den Folgen des Hochhausbaus fürchtet. Es ist unbestritten, dass Hochhäuser durch die Konzentration der Fläche, vor allem bei Bürobauten, zum Beispiel mehr Verkehr im Umfeld auslösen. Das sorgt für Ängste bei den Bewohnern im Umfeld. Das wollte ich abschaffen, und die Hochhäuser in einem Cluster, also einem Pulk, versammeln – und die anderen Stadtteile in Ruhe lassen.
Sollte es ein Kriterium sein, dass eine Stadt dem Ärger mit der Bevölkerung aus dem Weg geht?
Mittlerweile sorgt fast jedes Vorhaben für Konflikte, das „Not in my Backyard“-Phänomen, also: Neubauten ja, aber nicht bei mir.Das ist so, es gibt heute kaum noch Projekte, die im Einvernehmen mit der Nachbarschaft laufen. Aber Stadtentwicklung muss Konflikte durchstehen, sonst passiert nichts mehr in der Stadt. Die Sorgen der Anwohner sind aber auf keinen Fall das einzige Kriterium beim Hochhausbau, sondern es gibt klare städtebauliche Kriterien, also etwa, wie hoch eine Häuserzeile ist, wie sie sich in die Umgebung einfügt. Dafür braucht es Regeln.
Die gibt es in Köln seit 2007 und sollen jetzt neu aufgestellt werden.
Das bisherige Kölner System hat sich aber eigentlich nie an städtebaulichen Kriterien orientiert, sondern ist eher nur eine Vermeidungsstrategie gefahren: Im inneren Stadtbereich gibt es keine Hochhäuser und sonst ist alles frei verhandelbar. Das ist aber keine städtebauliche Strategie einer Hochhausentwicklung.
Neues Konzept für Hochhäuser und drei aktuelle Bauvorhaben
2007 hat der Stadtrat ein Höhenkonzept für die erweitere Innenstadt beschlossen, Auslöser war der Streit um Hochhäuser in Deutz. Die Unesco setzte den Dom auf die Liste der gefährdeten Güter, sie sah den Blick darauf gefährdet. Das Konzept sollte Kirchen schützen. Je nach Lage in dem Gebiet durften neue Häuser die Traufhöhe von 13,50 bis 22,50 Metern nicht überschreiten. Nun will die Stadt ein neues Konzept aufstellen (siehe Text rechts).
Zuletzt standen drei Projekte im Fokus. Erstens: Zwei neue Bürotürme am Fernsehturm, doch sie sind fast ausgeschlossen, wenn der „Colonius“ zum Denkmal erklärt wird. Der Landschaftsverband Rheinland befürwortet das, die Stadt will es sich anschauen. Zweitens: Ein bis zu 99 Meter hohes Hochhaus am Friesenplatz, die Politik hat es vertagt. Und drittens: Die Pläne der Versicherung DEVK an der Zoobrücke für ein bis zu 145 Meter hohes Haus. Das ist aber noch weit weg. (mhe)
Weil es beliebig ist?
Es ist ein Vorgehen, bei dem der beste und einflussreichste Verhandler etwas bekommt und andere Bauherren mit weniger Einfluss auf Politik und Verwaltung das Nachsehen haben. Köln hat bezüglich Hochhausstandorten keine städtebauliche Strategie, es ist Stadtentwicklung im Verhandlungsverfahren. Es ist deshalb gut, wenn sich die Stadt jetzt erst sortiert, um zu wissen, was sie selbst will – und nicht mit jedem Investor einzeln aushandelt, was möglich ist.
Was ist dabei wichtig?
Dass das Konzept samt den städtebaulichen Kriterien nachvollziehbar ist – und zwar für Bürger und potenzielle Investoren.
Das Konzept schafft also Klarheit für alle?
Ja, aber die Stadt muss sich dann unbedingt daran halten. Ich habe in meiner Zeit in Frankfurt erlebt, dass Investoren trotzdem Ausnahmen wollten. Da müssen Stadt und Politik standhaft bleiben. Das ist zwingend nötig, sonst kann man es lassen. Und: Solche Regelwerke sind nicht für die Ewigkeit, aber über einen Zeitraum von zehn Jahren sollten sie schon halten.
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In Köln ist der Kölner Dom stadtbildprägend, es gab in der Vergangenheit viel Streit wegen geplanter neuer Hochhäuser in Deutz und den Auswirkungen auf den Dom. Wie sehen Sie die Rolle des Doms?
Köln ist damit nicht allein, in München sind es die Frauenkirche und das Alpenpanorama. Jede Stadt hat eine eigene Identität und die ist ganz entscheidend für ihre zukünftige Entwicklung. Diese Identität muss man wahren und schützen, in Köln ist das der Dom mit seiner mächtigen Höhe von mehr als 157 Metern. Er ist das Wahrzeichen Kölns weltweit. Deshalb muss die Stadt Köln darauf achten, dass seine wichtigen Sichtbezüge nicht von Hochhäusern zugebaut werden. Das war beim Konzept von 2007 so richtig, wie es heute noch ist. Aber es wird auch in Köln Standorte geben, an denen Hochhäuser den Blick auf den Dom in der Fernwirkung nicht wesentlich beeinträchtigen.