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Interview mit der Geschäftsführerin des Vereins AmerikaHaus NRW„Trump ist unberechenbar, und das ist er auch ganz bewusst“

Lesezeit 4 Minuten
Eine Rede des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump wird live auf einen Monitor im Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt übertragen.

Donald Trumps Wahlsieg war auch in Deutschland, wie hier an der Frankfurter Börse, großes Medienthema.

Bei der Wahlparty des Vereins „AmerikaHaus NRW“ in Köln verfolgten 400 Amerikaner und Deutsche das Rennen.

Viktoria Harbecke ist Geschäftsführerin des Vereins AmerikaHaus NRW mit Sitz in Köln, der sich als unabhängige Plattform für die deutsch-amerikanischen Beziehungen einsetzt. Michael Fuchs sprach mit ihr über die US-Wahl.

Wie haben Sie die Wahlnacht erlebt?

Unser Verein hat zur Wahlnacht im Alten Pfandhaus in der Südstadt eine Veranstaltung mit Musik, spannenden Diskussionen und Live-Wahlberichterstattung aus den USA durchgeführt. Rund 400 Menschen waren dabei. Um zwei Uhr war dann Schluss, auch weil viele davon ausgingen, dass es sich hinziehen würde, bis es ein Ergebnis gibt. Ich habe mich eine Stunde aufs Ohr gelegt und war ab 5 Uhr wieder wach. Dann zeichnete sich schon recht deutlich ab, wohin die Reise geht.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von Trumps Sieg erfuhren?

Ich war überrascht, dass er so deutlich gewonnen hat. Das war aus meiner Sicht aus den Umfragen nicht wirklich abzulesen. Es ist ihm gelungen, eine breite Koalition hinter sich zu versammeln und auch bei Wählergruppen zu punkten, die traditionell eher demokratisch gewählt haben. Das sieht man etwa bei den sogenannten Latino-Wählern.

Woran lag das aus Ihrer Sicht?

Es ging bei dieser Wahl in erster Linie um Change, um Wandel. Viele Amerikaner, über 60 Prozent, sagen schon seit Jahren und auch konsistent dieses Jahr hindurch, dass sie das Gefühl haben, das Land entwickle sich in die falsche Richtung. Und deshalb war letztlich die zentrale Frage dieser Wahl, welcher Kandidat mehr für Wandel steht. Trump ist kein politischer Newcomer, aber es ist ihm offensichtlich deutlich besser gelungen, diesen ersehnten Wandel zu verkörpern, als Harris.

Was waren die Gründe dafür?

Es war klar, dass das Thema Wirtschaft und auch ganz konkret der eigene Geldbeutel für viele Wählerinnen und Wähler entscheidend sein würde. Es ist Harris und Präsident Biden stark angelastet worden, dass sie die Inflation nicht in den Griff bekommen haben, die die Menschen beim Gang in den Supermarkt wirklich spüren – noch stärker als bei uns. Harris ist von den unentschiedenen Wählern vermutlich mehr als die Kandidatin des Establishments wahrgenommen worden. Hinzu kommt, dass sie erst so spät überhaupt zur Kandidatin wurde. Es war ein Fehler der Demokratischen Partei, zunächst wieder mit Biden ins Rennen zu gehen.

Hat Trump jetzt eine größere Machtfülle als 2016?

Es hilft ihm sicher, dass die Republikaner jetzt im Senat die Mehrheit haben. Es steht aber noch nicht fest, ob es ihnen gelingt, auch das Repräsentantenhaus zu halten. Es wird sicher Bestrebungen geben, weitere Macht im Amt des Präsidenten zu konzentrieren. Aber es wird auch weiterhin politische Gegengewichte geben. Die Bundesstaaten spielen ihre eigene Rolle. Wenn es tatsächlich dazu käme, dass Republikaner Weißes Haus, Repräsentantenhaus und Senat kontrollieren, dann wären die Weichen dafür gestellt, dass Trump eine ganze Reihe seiner Politikvorschläge durchbringen könnte.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für Deutschland?

Trump ist unberechenbar, und das ist er auch ganz bewusst. Das ist für ihn eine politische Methode. Er sieht sich als Dealmaker und bringt im Versuch, Deals zu machen zugunsten der Vereinigten Staaten ganz unterschiedliche Themenfelder miteinander in Verbindung. Er versucht, Zugeständnisse zu erreichen und schreckt sicherlich nicht davor zurück, auch befreundete alliierte Länder vor der Weltöffentlichkeit unter Druck zu setzen. Darauf muss sich Deutschland einstellen.

Was wird Trump als Erstesanpacken?

Die Einführung von Zöllen steht sicher ziemlich weit oben auf der Agenda. Auch das Thema Ukraine-Hilfe wird bald wieder auf dem Tisch landen. Relevant wird hierbei, wie sich die republikanische Mehrheit im Senat, der bei außenpolitischen Fragen entscheidend mitzureden hat, positioniert.

Erwarten Sie Auswirkungen für Ihren Verein, für Köln, für NRW?

Die transatlantische Partnerschaft wird weiterhin eine ganz wichtige sein. Die USA sind ein wichtiger Handelspartner für Deutschland, aber speziell auch für NRW. Außerdem sind sie ein wichtiger sicherheitspolitischer Partner. Ich denke, die Rolle des AmerikaHauses wird sogar eher wachsen, weil das Informationsbedürfnis in der Bevölkerung größer wird. Dieses Wahlergebnis zu erklären, gehört zu den Dingen, die wir leisten. Wir lassen immer wieder unterschiedliche Stimmen aus den USA hier zu Wort kommen. Unsere Veranstaltungen haben regen Zulauf. Hinzu kommt: Je schwieriger es auf der höchsten politischen Ebene ist, zwischen den Regierungen, umso wichtiger werden Partnerschaften auf subnationaler und zivilgesellschaftlicher Ebene. Dann kommen Institutionen wie das AmerikaHaus umso mehr zum Tragen. Die Beziehungen zu den USA werden herausfordernder werden. Aber wir müssen daran arbeiten, sie aufrechtzuerhalten. Denn die USA sind für uns ein ganz entscheidender Partner.