Ralf Mayer (59) leitet seit dem 20. Mai das Kölner Ordnungsamt. Er folgt auf Athene Hammerich, die im vergangenen Dezember den Posten geräumt und die Leitung der Zentralen Dienste übernommen hat. Rundschau-Redakteur Moritz Rohlinger sprach mit dem neuen Amtsleiter und Rückkehrer.
Interview mit OrdnungsamtschefRalf Mayer „Man muss einfach viel mehr miteinander reden“
Herr Mayer, wie kam es zu Ihrer Rückkehr zum Ordnungsamt?
Zwölf Jahre war ich in Nippes Bürgeramtsleiter, aber zuvor einige Jahre hier als Leiter des Ordnungs- und Verkehrsdienstes tätig. Dann kam die Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte zu wechseln. Die Entscheidung hat nicht lange gedauert. Meine Familie gab grünes Licht. Also habe ich mich beworben und seit Ende Mai bin ich hier und fühle mich wohl. Ich hab mich echt gefreut, weil das ein ganz tolles Amt ist, mit super Kolleginnen und Kollegen!
Und warum fiel Ihnen die Entscheidung so leicht?
Für mich ist es reizvoll, diese Chance zu nutzen, eine neue oder veränderte Rolle des Ordnungsamtes umzusetzen. Wir wollen mehr mit den Leuten reden. Ich habe die letzten zwölf Jahre das Ordnungsamt aus der Distanz wahrgenommen. Ordnungsrecht ist mir in weiten Teilen immer noch sehr vertraut und ich habe gesehen, mit welchen Schwierigkeiten teilweise die Kolleginnen und Kollegen des Ordnungsdienstes draußen auf der Straße konfrontiert sind. Da habe ich mich gefragt: Woran liegt das eigentlich?
Was für Schwierigkeiten sind das?
Letztes Jahr gab es zum Beispiel diese Geschichte aus Ehrenfeld mit der Bank vor dem Dessous-Laden (Das Ordnungsamt verhängte ein Verwarngeld in Höhe von 35 Euro, weil die Bank auf dem Gehweg stand, Anmerkung der Redaktion). Die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen wurde meiner Meinung nach ein bisschen arg kritisiert. Auf der einen Seite war das durchaus verständlich, aber für mich auch mit einigen Schmerzen verbunden. Für mich ist die Frage: Was sollte man eigentlich machen, um mehr Akzeptanz für das Handeln des Ordnungsamtes zu bekommen?
Zu welcher Antwort sind Sie gekommen?
Eines ist klar: Die Gesellschaft ändert sich. Der Drang nach Freiheit wird für mich wahrnehmbar immer größer. Das kriegen wir auch in der Nutzung des öffentlichen Raums permanent mit. Unterschiedliche Interessen bergen Konflikte. Zu den Aufgaben des Ordnungsamtes gehört es, zu vermitteln, dass illegale Sondernutzung die Freiheit Anderer einschränkt. Der Punkt ist: Man muss einfach viel mehr miteinander reden.
Und nicht gleich Geldstrafen verhängen?
Wir sollten noch mehr erklären, wieso wir etwas tun und dann im Rahmen von Verhältnismäßigkeit das dürfen wir als Ordnungsbehörde auf Grundlage des Opportunitätsprinzips entscheiden und für Verständnis werben. Dann werden viele Dinge weniger dramatisch. Unsere Aufgabe ist es, deeskalierend zu wirken und mit ordnungsrechtlichem Handeln den sozialen Frieden zu bewahren.
Was heißt das im Beispiel mit der Bank vor dem Geschäft?
Das mildeste Mittel ist erst einmal eine mündliche Verwarnung und Aufklärung, warum die Bank da nicht stehen darf. Das Verwarngeld war das, was die Gemüter erhitzt hat.
Das heißt, Sie ändern nicht die Regeln, sondern Sie ändern die Herangehensweise.
Genau. Wir sind ja die Exekutive. Manchmal regen wir auch Regeländerungen an, aber nicht immer. Aber wir können die Regeln natürlich ein Stück weit mit Spielraum auslegen. Das würde ich gerne tun, mit Verständnis für Unverständnis agieren. Mit Fingerspitzengefühl herauszufinden, welche Kenntnisse es eigentlich über unser Regelwerk gibt. Es gibt bestimmt nur ganz wenige, die guten Gewissens behaupten können, die Stadtordnung schon mal ganz gelesen zu haben.
Wo sehen Sie denn die größten Herausforderungen für das Ordnungsamt aktuell?
Durch den angesprochenen gesellschaftlichen Wandel ist es vor allem die Lärmproblematik, Stichwort Brüsseler Platz. Dieses Beispiel macht exemplarisch deutlich, welche Gemengelage wir haben. Das sind schon extreme Herausforderungen, sich diesen Problemen in dem großen Stadtgebiet auch widmen zu können. Das heißt also, genug Personal am Start zu haben.
Und die Personalgewinnung bleibt ebenfalls eine Herausforderung?
Wir haben aktuell 156 Außendienstkräfte im Ordnungsdienst, die im Zweischichtbetrieb arbeiten. Wir haben ein wahnsinnig großes Problem, qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu finden.
Rund 90 unbesetzte Stellen im Ordnungsdienst
Wie viele Stellen gibt es denn im Außendienst?
Der Rat der Stadt hat mal gesagt, wir bräuchten eigentlich 300 Leute. Aber so viele Stellen gibt es nicht, in der Summe sind es 240. Wir können also aus dem Stand heraus ungefähr 90 Menschen einstellen. Wir haben in Junkersdorf jetzt ein exzellentes Gebäude für den Ordnungsdienst und wahnsinnig gute Schulungsmöglichkeiten. An zwei Einstellungsterminen im Jahr haben wir theoretisch eine Kapazität von 24 neuen Mitarbeitenden jedes Jahr.
Aber an die Zahl kommen Sie nicht ran?
Die Hälfte, wenn überhaupt. Das Problem ist, wir haben nicht nur einen Fachkräftemangel, wir haben einen echten Kräftemangel. Dabei gibt es wahnsinnig viele Menschen, die bei der Stadt arbeiten wollen. Die Bewerberzahlen machen uns keine Probleme, aber die Qualität. Man darf erwarten, dass die Bewerberinnen und Bewerber gut vorbereitet zur Auswahlrunde zu uns kommen, aber das ist leider oftmals nicht der Fall.
Gilt das für alle Bereiche?
Nicht so deutlich ist das Problem bei der Verkehrsüberwachung. Da haben wir immer wieder freie Stellen, die bekommen wir aber ganz gut besetzt. Der Ordnungsdienst ist und bleibt ein bisschen das Sorgenkind. Und eine weitere Herausforderung ist das Thema Unfälle und Geschwindigkeitsüberschreitungen. Da sind die Zahlen in den vergangenen Jahren explodiert.
Wie wollen Sie das wieder ändern?
Wir dürfen ja nicht überall stehen mit unseren mobilen Überwachungsanlagen, aber wir würden gerne noch einmal intensiver abgleichen, wo mit Unfällen zu rechnen ist. Wir möchten dazu beitragen, dass die Leute langsamer fahren und weniger Unfälle passieren.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ich würde gerne viel mehr in Sachen Schulwegsicherung machen, Stichwort ruhender Verkehr. Da sollten wir uns mit Schulpflegschaften vor Ort in den Veedeln auseinandersetzen, die die Schulwege kennen. Und dann die Frage, was kann man schon vorzeitig tun, damit die Eckbereiche frei sind, die sind besonders unübersichtlich. Die i-Dötzchen sieht man hinter Autos kaum. Aber Frühmorgens loslegen ist da eigentlich schon zu spät. Man müsste im Grunde schon abends die Bereiche freimachen, denn sonst stehen die Autos morgens immer noch da und stellen eine Gefahr für die Kinder dar. Da müssen wir mehr verwarnen und im Zweifel auch abschleppen.
Deeskalierende Wirkung der Bodycams
Kommen wir noch einmal zurück zum Ordnungsdienst: Da läuft der Einsatz von Bodycams. Wie fällt ihr bisheriges Fazit aus?
Außerordentlich gut. Ich habe mit einigen Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Die möchten diese Bodycams nicht mehr missen, weil sie eine sehr wirkungsvolle, deeskalierende Funktion haben. Man hat mir mehrfach glaubhaft versichert, dass alleine die Ankündigung, sie einzuschalten, direkt dazu führte, dass die Gemüter sich abkühlten. Deshalb werden wir dem AVR (Ausschuss für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen) nach den Sommerferien einen kleinen Erfahrungsbericht vorlegen. Mit dem Hinweis, dass wir die Bodycams für unsere Kolleginnen und Kollegen des Ordnungsdienstes auch wirklich flächendeckend brauchen.
Wie viele zusätzliche Kameras würde das bedeuten?
Wir haben 30 Testexemplare. Für die EM haben wir zusätzliche angemietet, weil wir von der positiven Wirkung wussten. In der Summe waren es dann 100.
Und wo kommt das Geld her?
Bei der Sicherheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würde ich äußerst ungern sparen. Ich bin guter Dinge, dass wir es auch finanziert bekommen.
Also ist das Ziel, 240 Bodycams für 240 besetzte Stellen zu haben?
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich es genau so formulieren.
Apropos Personal, Sie brauchen auch immer wieder Unterstützung bei großen Events durch zusätzliche externe Sicherheitskräfte. Ein Prüfbericht des RPA (Rechnungsprüfungsauschuss) hatte zahlreiche Mängel aufgezeigt. War die Kritik gerechtfertigt?
Dieser RPA-Bericht hat ein Beben ausgelöst im Ordnungsamt. Eine interdisziplinäre Taskforce hat alles zusammengetragen, was man bei dem Verfahren mit externem Sicherheitspersonal beachten sollte. Es gab ein Disziplinarverfahren, das aber eingestellt worden ist.
Was haben Sie in der Folge des RPA-Berichts geändert?
Wir überprüfen nicht nur das Wachpersonal, sondern auch die Hilfskräfte der Sicherheitsfirmen. Damit gehen wir weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Durch den digitalen Check In am Veranstaltungstag stellen wir sicher, dass niemand durchrutscht, ohne vorher überprüft worden zu sein. Zur EM haben wir 4000 solcher Überprüfungen gemacht. Wir wissen von einigen Unternehmen aus der Sicherheitsbranche, dass die in Köln keine Aufträge haben wollen, weil wir so viel gelernt haben durch diesen RPA-Bericht und uns so aufgestellt haben, dass schwarze Schafe super schnell identifiziert sind.
Neben dem RPA-Prüfbericht stand das Ordnungsamt auch wegen einem Riesenstau bei den Gewerbemeldungen in der Kritik. Konnten Sie das Problem lösen?
Zu Spitzenzeiten hatten wir leider 34.000 unbearbeitete Anträge. Aber da hat uns das Land geholfen, das ein Portal bereitgestellt hat. Das war der Durchbruch, denn da können Gewerbetreibende alles digital abwickeln. Eine Gewerbe an- oder abmeldung müssen wir ja nicht genehmigen, dies ist eine einseitige Willenserklärung. Bei den Vorgängen, die jetzt noch über herkömmliche Post kommen, haben wir eine Bearbeitungszeit von maximal vier Wochen. Das ist okay.
Wie sehen Sie die Situation mit den Flaggenmalern auf der Domplatte? Sind Sie für ein Verbot und Änderung der Stadtordnung?
Es gibt viele Konflikte. Es werden immer mehr Fahnenmaler. Es gibt Revierkämpfe und Passanten werden angepöbelt, wenn sie die Flaggen betreten. Und wir wissen durch Beobachtungen, dass sich auch gewisse mafiöse Strukturen dahinter verbergen. Wir brauchen diese Änderung der Stadtordnung, um der Sache Herr zu werden. Wir würden das gerne komplett verbieten. Das ist eigentlich sehr bedauerlich, weil Kunst im öffentlichen Raum eine Bereicherung für uns alle sein kann. Aber das ist keine Kunst, das muss man ganz klar sagen. Leider ist das Thema in der letzten Ratssitzung von der Tagesordnung genommen worden, es zieht sich also ein bisschen.
Sie sind jetzt 59 Jahre alt. Wird das Ordnungsamt Ihre letzte Station bei der Stadt Köln sein?
Ich würde schon gerne hier bleiben dürfen, bis ein paar Ergebnisse von meinen Wünschen und Plänen greifbar sind.
Was steht noch auf Ihrer Liste?
Ich möchte unbedingt das Thema Schulwegsicherung anpacken. Ich möchte einfach die kleinen Kinder, die zur Schule gehen, deutlich mehr schützen. Und ich möchte, dass wir mit dem Ordnungsamt mitwirken, eine gute Stimmung in der Stadt zu haben, dass wir das richtige Maß finden und dazu beitragen, dass die Regeln für Rücksichtnahme weiterverbreitet werden. Ich sehe uns als Vermittler verschiedenster Interessen und das finde ich total stark. Wenn wir dazu beitragen können, für alle das Leben konfliktfreier zu machen, dann bin ich zufrieden.