Interview mit Chef der Metropolregion Rheinland„Das Rheinland ist eine Emotion“
Seit der Gründung bleibt der Verein Metropolregion Rheinland hinter den Erwartungen zurück. Nun soll ihn der neue Geschäftsführer Thomas Schauf nach vorne bringe. Darüber sprach Ingo Schmitz mit ihm und dem Vereinsvorsitzenden Stephan Keller.
Herr Schauf, Sie kommen von der Telekom. Was war dort Ihre Arbeit?
Schauf: Ich habe die Interessen der Deutschen Telekom im Bereich der digitalen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft vertreten. Das war zu einem Großteil Wissensvermittlung und Aufklärung darüber, wie Digitalisierung funktioniert und wie man eine gute Transformation gestalten kann.
Klingt doch nach einem guten, interessanten Job. Warum haben Sie den für die Geschäftsführung der Metropolregion (MRR) aufgegeben? Hat Herr Keller so lange insistiert, bis Sie endlich zugesagt haben?
Schauf: Nein (lacht). Klar, wenn man unser beide Viten auf der zweiten Ebene betrachtet, könnte man vermuten, dass es da eine persönliche Nähe geben könnte. Wir kannten uns vorher aber nicht.
Mit Anfang bis Mitte 40 habe ich mir einfach die Frage gestellt, wo geht die Reise noch hin? Richte ich mich in einem Konzern ein, oder habe ich noch Neugier und Mut, Neues zu gestalten? Als ich dann die Anforderungen in der Stellenausschreibung gelesen hatte, habe ich ganz oft innerlich genickt. So nahm das dann seinen Lauf: Ein vertiefendes Gespräch mit dem Personalberater, ein transparentes Auswahlverfahren und ein Assessment Center. Am Ende hat dann der gesamte Vorstand gesagt: Ja, der Schauf bringt eine Menge Sachen mit, den wollen wir haben.
Herr Keller, zuletzt zeichnete sich ein Stimmungsbild unter den Mitgliedern der MRR ab, das lag zwischen Resignation und Rebellion. Im Juli 2021 haben Sie den Vereinsvorsitz übernommen, eine inhaltliche Neuausrichtung eingeleitet und mit Herrn Schauf nun nach zwei mäßig erfolgreichen Geschäftsführungen einen neuen Geschäftsführer gefunden. Wie ist die Stimmung jetzt?
Keller: Sie wird besser. Die Mitglieder haben zunehmend das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir schärfen das Profil, konzentrieren uns auf die Aufgaben, die einen Mehrwert für die Metropolregion darstellen und die wir tatsächlich auch leisten können. Die Tatsache, dass wir Herrn Schauf gewinnen konnten, ist ein gutes Zeichen. Als wir die Geschäftsführung ausgeschrieben hatten, dachte ich, wir legen die Latte wirklich hoch. Mal schauen, ob die jemand überspringen kann. Zumal bei den Querelen in der Vergangenheit klar war, da muss jemand Mut mitbringen. Mit Herrn Schauf haben wir eine Persönlichkeit gefunden, die das Profil zu 100 Prozent erfüllt. Ein Volltreffer.
Herr Schauf, Sie haben begonnen. Was hat Ihre ersten Arbeitstage geprägt?
Schauf: Aus dem Schatten ins Licht zu treten und endlich anfangen. Man führt vorher schon das ein oder andere Gespräch und macht sich viele Gedanken. Die Geschäftsstelle war perfekt vorbereitet. Mit dem ersten Tag war ich arbeitsfähig. Das sieht man auch nicht überall. Wir haben in der Geschäftsstelle viele Gespräche geführt. Sie dürfen ja nicht vergessen, die Mitarbeiter sind ja auch durch die Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre gegangen. Das Team hat viele Lasten getragen. Wir haben bereits vor und nach der Landtagswahl eine kleine Veranstaltungsreihe mit den vier großen demokratischen Parteien realisiert, damit wir in einen ersten Dialog mit den Entscheidungsträgern auf Landesebene kommen. Wir hatten einen Antrittsbesuch bei der Europäischen Kommission in Brüssel. In Berlin habe ich gute Gespräche mit verschiedenen Abgeordneten der Metropolregion geführt. Alles, um die Metropolregion von Tag eins an bekannter zu machen.
Wie wird die Region wahrgenommen?
Schauf: Das Rheinland identifiziert sich sehr stark über Emotionen. Aber das spielt jenseits der Kölsch- und Altbiergrenzen keine große Rolle. Wir werden in Berlin und Brüssel nicht wahrgenommen als eine starke Wirtschaftsregion, als Energie- und Transformationsregion. Es wird beispielsweise nicht gesehen, wie stark hier die chemische Industrie ist. Die Emotion übersteuert in der Wahrnehmung. Das verleitet zu der Annahme, es läuft schon irgendwie von selber. Aber so ist es eben nicht.
Andere Regionen haben es aber auch strukturell leichter.
Ja, da gibt es eine Metropole im Zentrum und darum gruppieren sich Landkreise und kleinere Städte. Die Metropolregion Rheinland dagegen ist polyzentrisch. Wir haben Themen, die sind für Teilregionen von Bedeutung und wiederum andere, die für alle Mitglieder absolut zentral sind. Darum müssen wir schauen, wie wir hier besser untereinander kooperieren können – Kooperation im Wettbewerb sozusagen.
Herr Keller, als Sie den Vorsitz im Juli 2021 übernommen haben, sagten sie, am Ende der zweijährigen Amtszeit wollen sie messbare Erfolge vorweisen können. Jetzt ist schon fast ein Jahr rum. Reicht die Zeit?
Keller: Wir sind absolut im Zeitplan. Ich habe mit den Landräten, den Oberbürgermeistern und den Geschäftsführungen der Industrie- und Handelskammer gesprochen: Alle bestätigen mir die Agenda, die wir jetzt gesetzt haben. Klar, der personelle Wechsel in der Geschäftsführung der MRR hat etwas Zeit gekostet, aber dafür geht es jetzt umso schneller. Ehrlich gesagt hätte ich vor einem Jahr nicht damit gerechnet, dass wir im Mai 2022 schon so weit sein werden. Ich bin richtig guter Dinge.
Herr Schauf, welches Ziel setzten Sie sich?
Schauf: Mein Ziel ist es, dahin zu kommen, dass die Mitglieder sich mit ihrer Metropolregion identifizieren. Diese Selbstidentifizierung führt dazu, dass die Multiplikatoren-Effekte steigen. Ich bin kein Messias, ich kann nicht über Wasser laufen und wir haben ja auch keine unendlichen Ressourcen. Genauso wie wir gegenüber Land-, Bund- und der EU in Netzwerkstrukturen denken, müssen wir das auch nach innen tun. Das bedeutet, wir in der Geschäftsstelle müssen das mit den Mitgliedern gemeinsam machen. 35 Einzelinteressen sind nicht so wirksam wie ein gemeinsames Interesse. Gemeinsam können wir erreichen, dass die Strukturen wachsen.
Hintergrund: Die Metropolregion Rheinland
43 Jahre ist Thomas Schauf alt. 2015 wurde er Senior Expert & Regulatory Affairs bei der Deutschen Telekom AG und ist unter anderem Kommissionsmitglied Digitalisierung des Regionalrates Köln . Zuvor war er 9 Jahre für den Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. tätig und gehörte von Juli 2014 bis Mai 2018 dem Beirat für Digitale Wirtschaft des NRW-Wirtschaftsministeriums an. Zudem war er von 2004 bis 2014 politisch im Kreistag Düren und in der Stadt Jülich aktiv. Der gebürtige Nörvenicher lebt mit seiner Familie in Jülich.
2017 gründete sich die Metropolregion als Verein. Der Verein umfasst 22 Gebietskörperschaften. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem die Landkreise, kreisfreie Städte und die Industrie- und Handelskammern der Region.3 Geschäftsführer hatte die Metropolregion vor Schauf. Dem Manager Ernst Grigat folgten als Duo in der Geschäftsführung Kirsten Jahn (Grüne) und Ulla Thönnissen (CDU) nach. Vor allem die politische Besetzung war umstrittenen, die Erfolge blieben aus. Einzelne Mitglieder wie der Rhein-Sieg-Kreis drohten mit Austritt. Vorsitzender Stephan Keller hat daraufhin eine Neuausrichtung organisiert. (ngo)