Kunsthistorikerin und Architekturstudent rekonstruieren karolingischen Vorgängerbau der gotischen Kathedrale.
In Köln rekonstruiertSo schön war der Alte Dom
Jeder kennt den Kölner Dom, doch längst nicht jeder weiß, dass die gotische Kathedrale von Weltruhm einen bedeutenden Vorgängerbau hatte. Der Alte Dom, auch Hildebold-Dom genannt, wurde im 9. Jahrhundert auf dem Domhügel errichtet und im Jahr 870 nach Christus geweiht. Mit einer Länge von 95 Metern gilt die Pfeilerbasilika mit zwei Chören als eine der größten Kirchen aus karolingischer Zeit.
Mit Unterstützung moderner Visualisierungsmethoden haben die Kunsthistorikerin Dorothea Hochkirchen und der Architekturstudent Konstantin Kruse jetzt eine digitale Innenraum-Rekonstruktion des Alten Domes erschaffen, gab die Dombauhütte bekannt. Unter dem Boden der ab 1248 errichteten gotischen Kathedrale liegen bis heute zahlreiche Überreste des Alten Doms.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1946, begannen unter der Leitung von Otto Doppelfeld die ersten archäologischen Ausgrabungen unter dem Domfußboden. Seitdem haben die Archäologinnen und Archäologen der Kölner Domgrabung die Reste des Alten Domes aufgedeckt, dokumentiert und erforscht“, erläutert die Dombauhütte. Im Laufe der Zeit seien verschiedene Rekonstruktionen entstanden, „die auf der jeweiligen Interpretation der Grundmauern, Fußböden und weiterer Befunde beruhen sowie auf der Darstellung des Domes auf dem Widmungsbild des Hillinus-Codex aus der Kölner Dombibliothek und auf Vergleichen mit Parallelbauten.“
Die nun vorgelegte Visualisierung des Innenraumes beruhe auf neuen Analysen zu den Funden und Befunden des Alten Doms, insbesondere auch der geborgenen Architekturfragmente. „In die der Rekonstruktion zugrunde liegenden Überlegungen einbezogen wurden auch Vergleichsbeispiele aus der zeitgenössischen Bauornamentik bisher unberücksichtigter frühmittelalterlicher und karolingischer Bauwerke. Auf diese Weise konnte ein prachtvolleres Bild der karolingischen Bischofskirche gezeichnet werden als bisher angenommen“, teilte die Dombauhütte mit. Basis der Innenraum-Rekonstruktion seien die kunsthistorischen Untersuchungen von Dorothea Hochkirchen. Realisiert wurden sie in enger Abstimmung der Wissenschaftlerin mit dem Architekturstudenten Konstantin Kruse.
Dombaumeister Peter Füssenich zeigte sich begeistert von dem Ergebnis: „Es freut mich sehr, dass die beeindruckenden Bilder des Alten Domes, dem Vorgängerbau des heutigen Domes, nun der Öffentlichkeit präsentiert werden können und dadurch ein Stück Geschichte erlebbar wird. Mein Dank gilt der Kulturstiftung Kölner Dom, die die Förderung eines so außergewöhnlichen Projekts ermöglicht hat.“
Ihre Vorgehensweise bei der Rekonstruktion des Innenraums der verschwundenen Kirche vergleicht Hochkirchen mit forensischen Methoden. Aus den wenigen erhaltenen Splittern der ursprünglichen Architektur – darunter kleine Steinbrocken und Glassplitter – wurde ein detailliertes 3D-Puzzle zusammengesetzt, teilte die Dombauhütte mit. „Nach der wissenschaftlichen Bearbeitung wurden alle relevanten Architekturfragmente gescannt und anhand der Scans die digitalen Rekonstruktionen erstellt.
Fotogrammetrisches Scannen ermöglicht es, die ursprünglichen Positionen der Ornamentsteine zu überprüfen und auch größere Fundstücke mühelos in das 3D-Modell zu integrieren.“ Großformatige Abbildungen der rekonstruierten Innenräume wurden erstmals im Rahmen der Museumsnacht am 2. November in der Domgrabung gezeigt.
Das vom Alten Dom nur noch wenige Reste im Untergrund erhalten sind, liegt auch daran, dass die Abbrucharbeiten im 13. Jahrhundert nicht so liefen wie geplant. Das Domkapitel wollte damals eigentlich an der Stelle des karolingischen Doms nur einen Chor im neuen gotischen Stil nach französischen Vorbildern wie der Kathedrale von Amiens und der Pariser Sainte-Chapelle errichten. „Geplant war, nur den Ostteil des alten Doms abzureißen und den Westteil weiter zu nutzen“, erläutert Matthias Deml, Sprecher der Dombauhütte.
Doch die Kölner wollten es sich damals leicht machen und den Altbau durch Feuer zum Einsturz bringen, wie man es mit Festungsmauern tat. Man höhlt die Fundamente aus, bringt Holz ein und steckt es in Brand. Es kam, wie es kommen musste. Deml: „In einer Quelle heißt es sinngemäß: ,Durch Übereifer und aufkommende Winde wurde das Feuer auf die hölzernen Dachstühle des alten Doms übertragen. In der Folge brannte nahezu der gesamte Alte Dom ab mit Ausnahme des Westchors.’ Nun konnte man zwar mit den Fundamenten des neuen Chores beginnen, musste aber auch die Brandruine im Westen provisorisch wieder aufbauen, um sie weiterhin nutzen zu können.“