„Ich hatte Todesangst“Kölner Musiker Daniel Dickopf erzählt von seinem Schlaganfall

Erlitt einen Schicksalsschlag: Daniel Dickopf.
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Beim „anderen Gespräch“ dürfen Prominente das Thema wählen. Nur die eigene Profession ist tabu. Thorsten Moeck unterhielt sich mit Daniel Dickopf.
Hatten Sie die Schlaganfall-Diagnose geahnt, als Sie im Dezember plötzlich im Rettungswagen lagen und mit Blaulicht in die Klinik gebracht wurden?
Kurioserweise kam die Diagnose schon von den Rettungssanitätern. Sie haben mich die Arme nach vorne ausstrecken und dann die Augen schließen lassen – bei mir ist der Arm der betroffenen linken Körperhälfte abgesackt.
Wie haben Sie gemerkt, das etwas nicht stimmt?
Es war an einem Sonntag, mit wurde plötzlich schlecht, so dass ich auf den Balkon gegangen bin, weil ich dachte, irgendwas mit dem Kreislauf stimmt nicht. Ich habe nicht mehr richtig gehört und hatte das Gefühl abzuschalten. Als ich das meiner Partnerin mitteilen wollte, habe ich schon so gelallt, dass sie sofort den Notruf gewählt hat.
Zur Person
Daniel Dickopf (51) gründete nach dem Abitur gemeinsam mit seinen Schulband-Freunden die A capella-Formation „Wise Guys“.
2013 gewann die Gruppe den Musikpreis „Echo“ und erhielt fünf Goldene Schallplatten. Nach der Trennung der Wise Guys im Jahr 2017 gründete er die Gruppe „Alte Bekannte“, die ebenfalls a capella singt. (tho)
Wie beängstigend war die Situation?
Es war sehr beängstigend im Rettungswagen, du siehst das Blaulicht und weißt, es ist eilig. Die Notärztin hat mich beruhigt, dennoch hatte ich dort zum ersten Mal Todesangst. Damit meine ich nicht die totale Panik, aber es kam mir der Gedanke, dass ich jetzt sterben könnte. In der Notaufnahme hatte ich das nochmal, weil ich in eine Operation einwilligen musste, bei der ein Gerinnsel im Gehirn entfernt wurde. Da dachte ich schon: Mist, es kann sein, dass gleich Schluss ist mit meinem Leben. Aber ich bin noch nicht fertig.
Der Schauspieler und Autor Joachim Meyerhoff beschreibt in seinem Buch „Hamster im hinteren Stromgebiet“ mitunter sehr humorvoll seinen eigenen Schlaganfall. Hilft irgendwann nur noch Humor weiter?
In vielen Situationen habe ich Humor gebraucht, um sie zu bewältigen. Bei mir war es oft auch schwarzer Humor. Während der Reha im Westerwald habe ich viele Patienten getroffen, die ihre Stimme und Sprache nicht mehr kontrollieren konnten, die sehr mühsam Sätze ohne Konsonanten gesprochen haben. Als ich meine Kollegen von den Alten Bekannten wieder sehen konnte, hatte ich mir vorgestellt, bei meiner Rückkehr auf die Bühne mit so einer Stimme das Publikum zu begrüßen. Das war so ein Moment, in dem rabenschwarzer Humor durchkam.
Ein Satz in diesem Buch lautet „Zeit ist Hirn“ – der Slogan stammt von einer Schlaganfall-Kampagne aus Österreich. Sind Sie im Kopf Lieder durchgegangen, um festzustellen, ob noch alles da ist?
Ja, das habe ich extrem oft gemacht. Im Krankenhausbett bin ich Liedtexte und Nebenstimmen durchgegangen.Dabei habe ich festgestellt, dass ich zum Teil 20 Jahre alte Stücke von den Wise Guys noch beherrscht habe. Sechs Wochen habe ich in der Uniklinik gelegen. Bei der Reha wurde ich dann auch sehr schnell aus dem kognitiven Aufbauprogramm rausgenommen, weil ich damit keine Probleme hatte. Das hat mich beruhigt. Andere Patienten haben zur Stärkung ihres Erinnerungsvermögens „Ich packe meinen Koffer und nehme mit“ gespielt.
Die Serie
Jeden Samstag erzählen auch diesen Sommer Prominente über Themen, die ihnen am Herzen liegen:
Tatort-Ermittler Dietmar Bär hat sich Zeit genommen, um über Respekt zu sprechen.
Die Fernsehmoderatorin Ellen Ehni ist Chefredakteurin des WDR und erklärt, was ihre ihre Liebe zu Frankreich ausmacht. Fünf Jahre lang war sie für die ARD Korrespondentin in Paris. Das Land spielt immer noch eine Rolle in ihrem Leben.
Auch Falk Schnabel, neuer Polizeipräsident, spricht mal nicht über Kriminalität und Sicherheit. Derzeit sucht der Münsteraner eine Wohnung in Köln.
Kulturdezernent Stefan Charles arbeitet seit dem vergangenem Herbst in Köln, den Schweizer interessieren aber nicht nur Kunst und Kultur.
Und Sie haben auf Ihrem Zimmer gesungen?
Meine Stimme habe ich tatsächlich getestet, es gab einen Raum mit Klavier, wo ich mich öfters aufgehalten habe. Mich haben die ganze Zeit drei Fragen begleitet: Kann ich wieder auf die Bühne? Wann ist es soweit? Und was kann ich noch? Ich habe dann in der Reha sogar ein Lied geschrieben.
Wo lag der Schwerpunkt bei Ihrer Reha?
Ich saß im Rollstuhl und wollte wieder auf die Beine kommen. Irgendwann konnte ich am Rollator laufen, am Ende bin ich auf zwei Beinen da rausgehumpelt. Aber auf der Bühne merke ich manchmal, dass ich plötzlich humpel, weil mein linkes Bein manchmal taub ist. Das sorgt für Unsicherheit bei mir. Viele Bewegungen sind nicht so flüssig wie früher. Und mir fehlt ein wenig Energie.
Sie sind sehr offen mit Ihrem Schlaganfall umgegangen. Aus Überzeugung?
Das ist meine Art. Den Schlaganfall habe ich auf meinem Instagram-Kanal thematisiert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel besser ist, Dinge offen zu kommunizieren, weil sich dadurch die Zahl unangenehmer Fragen minimiert. Offensive hilft. Bei meinem ersten Konzert nach dem Schlaganfall in Hamburg bin ich mit stehenden Ovationen begrüßt worden. Das war sehr bewegend.
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Wie schwer ist Ihnen der Kontakt zu Ihren jugendlichen Kindern gefallen, die sie plötzlich im Rollstuhl sitzen sahen?
Das war eine hochkomplexe Situation, als mein jüngerer Sohn in der Klinik vor mir stand. Und ich habe gespürt, dass er ein komisches Gefühl hatte. Wir wollten dann in den Osterferien zusammen ins Stadion nach Dortmund fahren, weil wir diese Atmosphäre noch nie erlebt haben. Am Hauptbahnhof wurde mir am Bahnsteig dann plötzlich schlecht und ich bin kollabiert. Er hat gut reagiert, Passanten angesprochen, Rettung geholt. Da hatten sich unsere Rollen verändert. Er musste sich um mich kümmern. Das hätte ich ihm gerne erspart.
Glaube hat immer eine große Rolle in Ihrem Leben gespielt. Hat das geholfen?
Ich habe wieder mehr gebetet. Auch im Rettungswagen. Und die Demut ist größer geworden. Tiefreligiöse Erlebnisse hatte ich zwar nicht, aber grundsätzlich hat mir diese Verwundbarkeit nochmal den Wert des Lebens vor Augen geführt.