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Hauptsache anders1Live feiert eine Woche lang den 20. Geburtstag

Lesezeit 4 Minuten

Junge Moderatoren wie Johanna Tänzer geben dem Programm Gesicht.

Köln – Am Anfang war – Verunsicherung. Als am 1. April 1995 um 6 Uhr morgens das neue Programm 1Live auf Sendung ging, saßen Moderatoren mit Mindestalter 60 Jahre am Mikro und kündigten ein wenig steif die nächsten Musiktitel an. Per Fax meldeten sich irritierte Hörer. Auftakt gelungen.

1Live entwickelte sich nach diesem Gag zu dem Erfolgsprogramm des WDR. Das zeigt schon der Blick auf die Gratulantenliste zum 20. Geburtstag. Herbert Grönemeyer erinnert sich an das „Baby“, Sido prostet zu, die Fantastischen Vier rasten begeistert aus. Alles in 20 Sekunden-Videos. Ohne Worte. So gratuliert man eben 1Live.

Innovativ, schräg, anarchisch. Viele Stempel bekam 1Live in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufgedrückt. Vor allem aber ist das Programm, das erst im Mediapark, seit 2012 im Glashaus am Appellhofplatz gemacht wird, eines: anders. Und das war von Anfang an so beabsichtigt. Ganz bewusst entschied damals Hörfunkdirektor Fritz Pleitgen, der Sender müsse raus, brauche Abstand zum großen WDR. Und auch der Name signalisiert ebendies: Es gibt WDR 2, 3, 4, 5. Und 1Live. Benannt nach einer Sendung auf WDR1.

„Der WDR hatte damals gar keine jungen Hörer“, erinnert sich 1Live-Chef Jochen Rausch. Es gab Musiksender im Fernsehen, ansonsten wurden Platten und später CDs gehört. „Was der WDR richtig gemacht hat: Er hat 1Live von Anfang an als professionelles Programm betrachtet, es ernst genommen und mit einer vernünftigen finanziellen Ausstattung geplant.“ Heute erreicht 1Live täglich fast vier Millionen Hörer, und das bundesweit über den „Sektor“ NRW hinaus. Das Durchschnittsalter liegt bei 34 Jahren. Das kommt dem Schnitt der Mitarbeiter nahe.

Betritt man den gläsernen Bau in der Innenstadt, dann stolpert man gleich über den Ständer mit den Autogrammkarten der Moderatoren. Sie sind hier die Stars, geben dem Programm nicht nur Stimme und Gesicht, nach ihnen ist es benannt. „1Live Beeck und Middendorf“ oder „mit Tobi Schäfer und dem Bursche“ heißen die Sendungen. Das war vor sechs bis sieben Jahren noch anders, da sollte der Sender im Mittelpunkt stehen. „1Live macht hörig“, hieß es früher. Aber gerade der Philosophiewechsel hat der Welle gut getan. „Wir haben extrem geguckt, was die Leute wollen, sie aufgefordert, uns zu kritisieren“, so Rausch. Die vertraute Stimme, „der Briesch“ oder „die Heinrich“, das hat ein bisschen was Familiäres. So sieht man sich bei 1Live gerne.

Wer hier arbeiten will, muss irgendwie auffallen. Johanna Tänzer aus Bonn ist das zum Beispiel gelungen. Sie schlich sich vor Jahren in eine Vorlesung, bei der Jochen Rausch sprechen sollte, und drückte ihm ihre Bewerbung in die Hand. Zwei Jahre konnte sie sich jetzt bei 1Live diggi, der digitalen Variante, ausprobieren. Ab April ist die 28-Jährige bei 1Live zu hören.

40 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und rund 100 Freie sorgen für das Programm. Das Studio liegt inmitten des Baus, eingefügt in den Innenhof. „Egal, wo man hier hingeht, man hat immer das Studio im Blick. Man weiß, wofür man arbeitet“, sagt Rausch. Gute Musik spielen reicht eben nicht, um die 14- bis 39-Jährigen am Radio zu halten. Es sind die Moderationen. Wenn zum Beispiel Terhoeven und Dietz einen sechsminütigen Stromausfall mit der Suche nach einer Blockflöte in der Redaktion überbrücken.

Es sind Comedy-Einspieler, die mittlerweile eigene Größen sind und als Toni Mono oder Dennis aus Hürth ganze Säle füllen. Es sind Angebote wie Klubbing am Freitagabend oder Hörspiele dienstags vor Mitternacht. Und vor allem ist es der Kontakt zu den Hörern. Die Leute auf der Straße werden gefragt, DJ’s kommen zur Party direkt in die Wohnzimmer oder es wird auf den Schulhöfen gefeiert. Und auch darin unterscheidet sich 1Live vom Mutterhaus. „Als Medienstadt sowie logistisch ist Köln ein sehr guter Standort für uns“, so Rausch. Hier lassen sich internationale Stars hinlocken. Aber der Blick vom Studio richtet sich über den Stadtrand hinaus, gehört wird 1Live im Ruhrgebiet wie in Westfalen. darauf ausruhen kann man sich nicht. Gerade für die Jüngeren muss man mehr bieten. Webcams im Studio, Freundeskreis im Internet. Und wohin geht die Entwicklung? Rausch weiß es nicht. Aber er ist offen für das, was kommt. „Ich denke, wir müssen uns mehr als ein Medium sehen, das im Kern Radio bleibt.“ Eben alles, nur nicht wortlos.