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Interview mit Tünnes-Darsteller„Wir sind ja quasi Zwillingsbrüder“

Lesezeit 6 Minuten
Udo Müller hat den Tünnes geprägt — und der Tünnes den Udo Müller.

Udo Müller hat den Tünnes geprägt — und der Tünnes den Udo Müller.

Udo Müller verlässt nach 32 Jahren das Hänneschen -Theater. Als Autor und stellvertretender Intendant hat er das Haus am Eisenmarkt mitgeprägt.

Udo Müller ist eine Instanz — nein, er ist mehr, er ist Tünnes. In über 30 Jahren als Puppenspieler am Hänneschen hat er der Figur Format gegeben. Nun geht er in den Ruhestand.

Ihr liebstes kölsches Wort?

Da gibt es viele. Aber mit ganz oben auf der Liste stehen zwei Schimpfworte, die ich hier im Hänneschen immer gerne raushaue: Öhnedöhnes und Lötschendötch.

Sie haben auch mal geschauspielert. Was kann eine Puppe aus Holz am Stab besser als ein Mensch aus Fleisch und Blut?

Eine Puppe aus Holz kann nicht viel. Wenn sie lachen oder weinen, sich freuen oder wütend sein soll, müssen wir das als Puppenspieler mit der Stimme machen. Denn ihr Gesicht verändert sich nicht. Es gab früher schon mal Stücke von außerhalb. Da stand dann in den Regieanweisungen: Bärbelchen kommt lächelnd auf die Bühne (lacht). Nein, wir erwecken die Puppen zum Leben allein mit Bewegungen und Stimmen.

Udo Müller verlässt nach 32 Jahren das Hänneschen

Udo Müller verlässt nach 32 Jahren das Hänneschen

Ist das vielleicht gerade der Reiz des Stabpuppentheaters: Die eingeschränkten Möglichkeiten der Puppen lassen den Freiraum für die Fantasie?

Ja, aber die Puppenspieler müssen die Fantasie beim Publikum schon anfüttern. Wenn Bärbelchen zu „krieschen“ anfängt, dann legen wir die Hand vor die Augen, bewegen die Puppe entsprechend – so durchlebt, nimmt der Zuschauer das der Puppe auch ab.

Ich hoffe, dass es hier im bisherigen Stil weiter gehen kann. Aber es wird immer schwieriger, Puppenspieler zu finden.

Die Stimmen und die Bewegungen sind das eine beim Hänneschentheater. Das andere ist die Kölsche Sprache. Sind sie mit dem Kölschen groß geworden?

Minge Pap kommt aus Rodenkirchen und hat nur Kölsch gesprochen. Der ist gerade 90 geworden, wir leben in einem Haus, und ich kann mit ihm nur Kölsch sprechen. Gott sei Dank! Das hat mir dazu verholfen, diesen Beruf zu ergreifen.

Als Alltagssprache hört man Kölsch heute nur noch selten.

Ich weiß nicht, woran das liegt. Meine Generation ist noch mit der kölschen Sprache groß geworden. Aber viele von denen geben es wohl nicht weiter, oder die Kinder und Enkel nehmen es nicht auf.

Immerhin, es wird viel auf Kölsch gesungen.

Ja, aber die Musiker von den jungen Bands singen zwar auf Kölsch – ehrlich gesagt, oft auch mit vielen Fehlern – sprechen aber nur Hochdeutsch. Kölsch ist für die eine Arbeitssprache. Wenn ich mich mit dem Bömmel oder dem Erry (Bläck Fööss) unterhalte, löft dat alles op Kölsch aff. Der Vorteil bei den neuen Bands ist aber nichtsdestotrotz, dass die jungen Menschen darüber wieder Kölsch hören. Sonst wäre es ganz fott.

Was kann das Hänneschen da machen?

Nicht viel. Wir können hier keinem Kölsch beibringen. Das müssen die Eltern tun.

Wie fanden Sie den Weg ins Hänneschen?

Ich war Kfz-Mechaniker, aber ich hatte schon immer den Drang zur Bühne. Schon als Kind schlummerte das in mir. Vorhang auf und los! Aber, wenn man in einer Arbeiterfamilie groß wird, sind das nur Träume. Dennoch habe ich meinen Weg zum Laientheater gefunden – noch auf Hochdeutsch. Das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Schließlich bin ich zum Altermarktspielkreis gekommen. Auf der Bühne Kölsch zu sprechen, das war sehr schön. Damals ging ich mit „Joko“ Jänisch – Pianist bei den Bläck Fööss – ab und zu mal ein Kölsch trinken. „Joko“ arbeite zur Karnevalszeit auch bei der Hänneschen-Band. Er sagte immer zu mir: Das wär was für dich, da musst du hin. Anfangs habe ich abgewunken. Aber es reizte mich schon. Nach ersten kleinen Berührungspunkten hat schließlich die Gretchen Zimmermann – langjährige Maritzebill, letztes Jahr leider verstorben - das Fangnetz über mich geworfen: „Dich können wir gebrauchen, ich muss mal mit dem Chef sprechen.“ Da ging bei mir das Herz auf: das wäre es doch, das wär der Knaller.

Kannten sie das Haus da schon?

Einmal war ich im Hänneschen gewesen, als Fünfjähriger.

Wie fanden sie dann da rein?

Ich wurde eingeladen, eine Vorstellung zu besuchen. Dann durfte ich auch mal ein Stück von hinter der Britz anschauen. Schließlich gab es einen offiziellen Vorstellungstermin mit Vorsprechen. Da war die Sache geritzt. Das war 1991.

Aber Erfahrung mit Puppen hatten sie noch nicht.

Ich hatte das schauspielerische Talent, ich konnte Kölsch, ich konnte singen, die Größe passte so gerade noch. Also alles perfekt. Für das Puppenspiel bekam ich Unterricht von erfahrenen Kollegen.

Das erste Stück?

Kommissar Hänneschen. Eine Nachmittagsvorstellung. Ich war der Mählwurms Pitter. Unter großem Herzklopfen. Ich habe die Rolle gesprochen. Ein anderer Kollege hat die Puppe geführt. Das waren die Anfänge. Eine sehr schöne Zeit. Aufregend.

Wann trafen Sie auf Tünnes?

Noch im selben Jahr, 1991, im Weihnachtsstück.

Das hat direkt gepasst zwischen ihnen?

Wir sind ja quasi Zwillingsbrüder (lacht). Die Stimme, der Gemütszustand, der ruhende Pol. Diese Figur macht mir einfach Freude.

Der nächste Schritt war der zum Autor.

1994 wurde ich angesprochen, ob ich nicht die Kindersitzung zu Karneval übernehmen will. Da habe ich mal ein Konzept gemacht und von da an die Kindersitzungen geschrieben, 22 Stücke in Folge. Meistens große Erfolge.

Und warum ist jetzt Schluss?

Irgendwann ist Feierabend. Nach 32 Jahren kann ich in Rente gehen - und ich nutze das. Es war ein sehr schöner Beruf, aber er hat mich aus sehr eingespannt. Oft ist das Wichtigste, das Privatleben, zu kurz gekommen. Ich war immer nur im Dienst: als Puppenspieler, als Autor von Stücken, dann noch als stellvertretender Intendant. Klar, das hat auch Gutes: So bleibt die Birne immer frisch. Doch kürzlich war ich mal wieder bei mir in Frechen-Buschbell auf dem Schützenfest. Ich habe dort so viele Menschen wiedergetroffen, und plötzlich wurde mit bewusst: Die habe ich alle lange nicht mehr gesehen. Manch einer kam auf mich so und fragte. Sieht man dich auch nochmal? Da habe ich gespürt: Ich brauche das mal wieder, diese sozialen Kontakte.


Premiere

47 Aufführungen des Stückes „Meisterköch“ stehen bis zum 29. Oktober auf dem Spielplan des Hänneschen. Premiere des Stücks ist heute Abend um 19.30 Uhr. Die „Meisterköch“ sind eine Wiederauflage, in der es um Essensgenüsse, Freundschaft und Erinnerungen geht. Die letzte Aufführunf Ende Oktober ist auch der letzte Arbeitstag von Udo Müller.

3 weitere Abgänge muss das Hänneschen neben Udo Müller in der kommenden Zeit verkraften. Mit Jacky von Guretzky-Cornitz, Charly Kemmerling und Jupp Schönberg verlassen ebenfalls langgediente Ensemblemitglieder die Bühne am Eisenmarkt im Laufe des Jahres 2024. Neue Spieler konnten teils schon gefunden werden und werden bereits eingearbeitet.


Auch das Hänneschen steht vor einer Zeitenwende. Die Kinder sprechen kaum noch Kölsch, sind durchs Internet rasante kleine Filme mit schnellen Schnitten gewöhnt, lassen sich von Computerspielen fesseln. Wie sieht die Zukunft des Hauses aus?

Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass es hier im bisherigen Stil weiter gehen kann. Aber es wird immer schwieriger, Puppenspieler zu finden. Es gibt sie bestimmt, die jungen Menschen, die Kölsch sprechen können, in denen das Faible zum Puppenspiel schlummert. Jedoch man muss sie suchen. Hat man sie gefunden und sie bewerben sich dann auch noch, muss denen bewusst sein, dass sind hier andere Verpflichtungen als bei einem Bürojob. Wenn jemand sagt: Ich habe aber eine Jahreskarte vom Effzeh, dann kann er hier nicht arbeiten.