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Gutachten zu Shell in Köln-GodorfRohre im Boden sind ein Sicherheitsrisiko

Lesezeit 3 Minuten
Straßendurchführung (c) Shell

Seit 2014 ist Shell bereits dabei, alle Straßendurchführungen in der Raffinerie zu Brückenkörpern umzubauen, in denen die Produktleitungen dann frei und einsehbar liegen, wie hier auf diesem Bild zu sehen. Allerdings wird der Umbau noch Jahre dauern. 

Köln – Die Shell Rheinland Raffinerie muss ihr Konzept zur Rohrleitungssicherheit im Werk Godorf grundlegend ändern. Zu diesem Ergebnis sind unabhängige Experten gelangt, die nach der schwerwiegenden Leckage von Leitung 276 vom August 2019 das Sicherheitsmanagement der Raffinerie untersucht haben. Durch ein nur anderthalb Millimeter großes Loch waren unbemerkt etwa 300 Tonnen leichtes Gasöl ins Erdreich auf dem Werksgelände gesickert, die auf einer Fläche von 13 000 Quadratmeter das Grundwasser verseuchten.

Metallrohre gelten als Sicherheitsrisiko

Wichtigste Erkenntnis aus dem Vorfall ist, dass Mantelrohre, wie sie seit 60 Jahren für die Unterquerung von Straßen auf dem Werksgelände benutzt werden, ein Sicherheitsrisiko darstellen, erläuterte am Freitag Gutachter Prof. Dr. Christian Jochum, langjähriger Vorsitzender der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesumweltministerium, vor der Presse. Auch wenn diese Rohre nach dem aktuellen technischen Regelwerk absolut zulässig sind.

Shell Rheinland Raffinerie Godorf

Die Shell Rheinland Raffinerie in Köln-Godorf

Der Knackpunkt sei, so Prof. Jochum, dass sich die Leitungen im Erdreich nicht wirklich überprüfen lassen, ohne sie vollständig auszugraben. Er kommt zu dem Schluss, „dass die bisherige Ultraschallprüfung von Produktleitungen in Straßendurchführungen Außenkorrosionen wohlmöglich nicht frühzeitig genug sichtbar macht“. Beste Voraussetzung, um Leckagen möglichst frühzeitig zu erkennen, ist die komplett einsehbare oberirdische Verlegung von Rohrleitungen.

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Dr. Marco Richrath, Direktor der Rheinland Raffinerie: „Der Schaden ist nicht tolerierbar. Wir sind unserem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden.“

Das hat auch Shell schon vor Jahren eingesehen und 2014 ein Programm begonnen, alle unterirdischen Straßendurchführungen im Werk zu Brückenkörpern umzubauen. Von 145 solchen Unterquerungen sind aktuell 68 umgebaut, weitere 26 der verbleibenden 77, so kündigte Shell am Freitag an, werden zurzeit in einer Sofortmaßnahme geöffnet, um den Zustand der darin liegenden Mantelrohre zu bewerten. Ursprünglich war für den kompletten Rohrleitungsumbau ein Zeitfenster bis 2034 vorgesehen. Das soll jetzt aber wesentlich schneller abgeschlossen werden, kündigte Raffinerie-Direktor Dr. Marco Richrath an. „Dieser Schaden ist nicht tolerierbar. Wir sind unserem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden“, erklärte er. „Wir werden alles daran setzen, um den Umbau der noch verbleibenden Straßendurchführungen zu beschleunigen.“

Pfusch beim Straßenbau als Ursache vermutet

Aber im Hinblick darauf, dass darüber noch einige Jahre ins Land gehen werden, schlagen die Gutachter flankierende Maßnahmen vor. Shell müsse Prüfmethoden entwickeln, um die Dichtigkeit der Mantelrohre bis dahin sicherzustellen. Dabei empfiehlt Prof. Jochum eine verstärkte Kontrolle der Leitungen mit Gasspürgeräten, außerdem sollten Straßenbauarbeiten im Bereich von Leitungsdurchführungen intensiver kontrolliert werden. Aus gutem Grund.

Das Gutachten steht im Internet zur Einsicht bereit: www.shell.de/rheinlandraffinerie

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass unsachgemäße Straßenbauarbeiten an einer Unterführung schon 2010 zu dem Schaden an Leitung 276 geführt haben. Durch Risse im Asphalt soll Wasser und Streusalz zu der Mantelleitung gelangt sein und zur Korrosion eines 50 bis 60 Zentimeter langen Bereichs geführt haben. Zugleich drang Erdreich zwischen Mantel- und Produktleitung und verhinderte, dass das leichte Gasöl in die dafür vorgesehenen Rohrgraben laufen konnte. Als das Leck im August 2019 entdeckt wurde, wurde die Leitung stillgelegt und entleert, nicht aber die Straße geöffnet. Das Ausmaß des Schadens deshalb erst im April 2020 bei einer Analyse des Grundwassers bemerkt. Inzwischen seien laut Shell zehn Prozent des Leichtöls über vier Brunnen abgeschöpft worden. Die Sanierung des Grundwassers werde aber noch einige Jahre dauern.

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Raffinerie-Direktor Richrath versprach, dass unabhängige Experten die Umsetzung aller Maßnahmen begleiten sollen und auch der Begleitkreis aus Nachbarn, Lokalpolitik und Umweltverbänden beibehalten werden soll. Als Mitglied des Begleitkreises lobte Rodenkirchens Bezirksbürgermeister Manfred Giesen (Grüne) das transparente Vorgehen der Raffinerie, forderte aber eine zügigere Umsetzung des Rohrleitungsumbaus, ebenso wie die Regionalgruppe Köln des Bundes für Umwelt und Naturschutz.