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Good VibrationsSo feierte Köln beim Summerjam-Festival – Hip-Hop legt zu

Lesezeit 6 Minuten
Nina Chuba auf der Greenstage des Summerjam 2023.

Nina Chuba auf der Greenstage des Summerjam 2023 am Freitagabend.

Sommerzeit ist Reggae-Zeit. Wenn die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt, die Seen zum Planschen und die Schatten der Bäume zum Verweilen einladen, sind die entsprechenden Grooves nicht weit.

Das Summerjam zum Beispiel lebt davon: Das Festival, eines der größten seiner Art in Europa, findet seit 1996 am Fühlinger See statt und lockt mit Reggae aus aller Welt jährlich rund 30.000 Besucher an. Doch seit einigen Jahren drängt auch der Hip-Hop auf die Insel, auf der das Summerjam stattfindet. Wir haben uns dort umgeschaut.

Musik liegt in der Luft. Und der Geruch von Gras. Gehört irgendwie zusammen, wenn man an Reggae denkt, die ebenso zurückgelehnt-schleppenden Grooves und die entspannte Haltung zu Marihuana, deren Genuss für echte Rastafari einem spirituellen Ritus gleichkommt.

Beim Auftritt von Protoje wird auf der großen Leinwand im Hintergrund auch mal das Publikum gezeigt.

Beim Auftritt von Protoje wird auf der großen Leinwand im Hintergrund auch mal das Publikum gezeigt.

Beim Summerjam ist beides omnipräsent, allerdings nicht aufdringlich, sondern als eine unterschwellige Note in Grün, die zwischen den wild in den Büschen aufgestellten Zelten und über dem Getümmel tausender gut gelaunter Menschen wabert.

Nicht nur Raggae: Veranstalter beziehen auch andere Musikrichtungen ein

Kein Wunder: Das Wetter an diesem ersten Tag des Summerjams könnte kaum besser sein, mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. So füllt sich das Gelände zusehends, während die ersten Künstlerinnen und Künstler die Menge auf Touren bringt. Egal wie. Die Berliner Band Il Civetto lässt ihr Publikum sogar den Macarena tanzen, auch wenn das mit Reggae nicht mehr viel zu tun hat.

„In den letzten Jahren haben die Veranstalter zunehmend auch andere Musikrichtungen mit einbezogen“, erklärt ein Mitarbeiter, der am Eingang zum Gelände als Ansprechpartner für alles und Jeden fungiert und lieber anonym bleiben möchte. „Dadurch rückt das Summerjam mehr in den Mainstream und wird für mehr Menschen attraktiver.“ Aber eben auch beliebiger, zumal Il Civetto nicht die Einzigen sind, die mit Reggae nur am Rande zu tun haben.

In verschiedenen Bäumen hängen bunte Luftschlangen, die dem Areal einen besonderen Anstrich verleihen.

Das Summerjam-Festival liebt Farben.

Edo Saiya und Nina Chuba kommen ebenso wie der fantastische Black Sherif mit seiner rauen Stimme und seiner unterschwelligen, cthonischen Energie aus dem Hip-Hop (der sich allerdings aus dem Sprechgesang der Reggae-Deejays entwickelte), während Querbeat, die total kurzfristig die verhinderte Band La Pegatina vertreten, eher im Pop beheimatet ist. So eng sieht das aber niemand am Fühlinger See – Hauptsache, die Atmosphäre stimmt, und die ist von Genre-Schubladen relativ unabhängig.

Querbeat springt für ausgefallene Band ein

Querbeat als Lokalmatadore werden natürlich begeistert gefeiert, zumal die Brasspop-Formation wie üblich aus allen Rohren feuert und – im positiven Sinne, ganz einem ihrer Lieder folgend – für „Randale und Hurra“ sorgt.

Die gute Laune ist ansteckend. „Das Summerjam ist jedes Mal ein Erlebnis“, sagt ein Mann, der sich als Zion vorstellt und seit zehn Jahren zum Festival kommt. „Man trifft viele Bekannte und Freunde, oder man findet neue. Ihn hier“, er deutet auf seinen Begleiter, „habe ich gestern in der Bahn kennengelernt, und heute sind wir gemeinsam unterwegs und genießen die Musik.“ Allerdings habe sich in der vergangenen Dekade durchaus etwas verändert.

„Früher ging es hier lockerer zu“, sagt Zion, „heutzutage gibt es viel zu viele Regeln und Verbote. Ich kann verstehen, warum die Veranstalter sie aufgestellt haben, aber ich finde es trotzdem schade, dass diese Regeln notwendig sind. Eigentlich wollen wir doch alle nur eine schöne Zeit haben – und dafür müssen wir nur anständig miteinander umgehen.“ Was in der Regel auch der Fall zu sein scheint. Das Publikum ist eher freundlich statt aggressiv, fröhlich und offen statt nur auf das eigene Vergnügen bedacht.

Begeisterte Besucher: „Alle sind so nett und viele ein bisschen ausgeflippt“

Das sieht auch Evan so, der mit seiner eigenwilligen Turmfrisur, einem übergroßen (und einem kleinen) Nasenring sowie seiner Gesichtsbemalung selbst in der bunten Menge auffällt. „Ich bin inzwischen zum dritten Mal hier, zum ersten Mal mit Zelt“, sagt er und lacht. „Ich liebe es. Alle sind so nett und viele ein bisschen ausgeflippt, so wie ich.“ Für das Festival habe er sich noch nicht mal besonders herausgeputzt. „Das ist einfach mein Stil“, sagt er.

In den frühen Abendstunden herrscht ein wunderschönes Licht.

Gute Stimmung und tolles Wetter beim Summerjam 2023 am Freitag.

Derweil groovt sich das Festival ein und nordet sich immer mehr auf den Reggae ein. Alborosie und Protoje gelten auf Jamaika immerhin längst als Superstars, und mit Barrington Levy oder auch der Dancehall-Künstlerin Tanya Stephens, die allesamt am Samstag auftreten, wird diese hochkarätige Liste immer länger. Dazu gesellen sich die deutschen Sänger Jan Delay, Peter Fox und Trettmann, die als Zugpferde dienen und auch jene ansprechen, die Reggae eher nebenher hören.

Leider mussten dagegen Ky-Mani Marley (einer der Söhne von Bob Marley) sowie die aus Los Angeles kommende Band KiDi kurzfristig absagen, was die Stimmung am zweiten Festivaltag ein wenig trübt – ebenso wie der Regen und die gesunkenen Temperaturen, die so manch offenherziges Outfit vom Vortag verhindern. Das Publikum macht jedoch das Beste aus der Situation, indem es sich vor den beiden Bühnen auf dem Festivalgelände und in der Dancehall-Arena warm tanzt.

Peter Fox beim Summerjam

Peter Fox beim Summerjam

Nach dem Spitzenwetter am Freitag werden die Festivalbesucher am Samstag von einem kräftigen Regenschauer heimgesucht, und es kühlt sich merklich ab. Kein Problem – das Publikum tanzt sich vor den beiden Bühnen und in der Dancehall-Arena warm. Die Sonne, die danach wieder durch die Wolken bricht, trocknet die Zelte, die Schuhe und die Fahnen, die in der Menge immer wieder vor den Bühnen geschwenkt werden. Neben der klassischen jamaikanischen und der Rastafari-Fahne werden auch Regenbogenflaggen oder Banner der letzten Generation gehisst.

Als mit Trettmann um 21.15 Uhr einer der Haupt-Acts auf die Bühne kommt, ist die Menge wieder vollends aufgeheizt. Dabei spielt der deutsche Rapper und Hip-Hopper neben seinen Hits zum Tanzen auch ruhige und nachdenkliche Songs wie „Stolpersteine“. Doch genau für diese Abwechslung scheinen ihn die Fans zu lieben. Sie honorieren seinen Auftritt mit dem mehrfachen Wunsch nach Zugabe, dem der gebürtige Chemnitzer gerne nachkommt.

Warum Peter Fox sich mit „Haus am See“ schwer tut

Der perfekte Übergang zu dem Mann, auf den an diesem Tag alle gewartet haben: Peter Fox. Im vergangenen Jahr war der Berliner noch mit seiner Band Seeed beim Summerjam am Start. Nach der Veröffentlichung seines neuesten Albums beweist er nun wieder einmal, warum er auch als Solo-Künstler so erfolgreich ist. Spätestens bei „Zukunft pink“ wird der ganze Fühlinger See zu einer großen Party. Kaum jemand kann bei seinen Beats stillhalten. Auch die, die schon etwas müde auf Decken am hinteren Rand der Wiese sitzen, wippen mit den Oberkörpern. Seine etwa 20 Tänzerinnen und Tänzer animieren die Menge dazu.

Bei der dritten Zugabe verlangt das Publikum seinen Hit „Haus am See“. Peter Fox erklärt, warum er sich inzwischen so schwertut mit dem Klassiker. Das Leben sei schließlich nicht erst vollkommen, wenn man verheiratet ist und Kinder hat, sondern jede Form des Lebens, für das man sich entschieden habe, sei gut. Schließlich lässt er sich zu einer abgewandelten Version hinreißen und entlässt die Fans selig in den Abend.