Im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße wurde weltweit erstmalig eine lebensrettende Operation nach dem Verschlucken einer Knopfzell-Batterie bei einem Kind durchgeführt.
Gefahr durch BatterienKölner Ärzte retten mit neuer OP das Leben einer Dreijährigen

Knopfzellen wie diese können zu schwersten Verletzungen oder sogar zum Tod führen.
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Es sollte ein schöner Tag im Kölner Zoo werden. Als die Familie mit ihren zwei kleinen Kindern und der Schwiegermutter anschließend schon im Auto zurück in ihren Heimatort Kestert im Rhein-Lahn-Kreis sitzt, sagt die damals dreijährige Tochter in ihrem Kindersitz: „Mama, ich habe ein Bonbon verschluckt.“ Sie hatte das silbrig glänzende Teil im Zoo unbemerkt vom Boden aufgehoben und daran geleckt. Es schmeckte nach Zitrone.
Es war kein Bonbon, das die Dreijährige zuerst in den Mund schob und dann herunterschluckte. Es war eine Knopfzell-Batterie. „Ich habe sofort gedreht und wir sind mit Vollgas in das nächste Krankenhaus nach Köln gefahren“, erzählt ihr Vater. Das Mädchen wird untersucht, im Kehlkopf ist die 20 Millimeter große Batterie vom Typ CR 2032 nicht zu finden. Weiter wissen die Ärzte nicht. Mit einem Krankenwagen wird die Dreijährige ins Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße gebracht. „Mit meinem Wissen heute bin ich geschockt, dass die Ärzte der Erwachsenenmedizin nicht wussten, was zu tun ist“, sagt der 31-jährige Vater.
Das Verschlucken einer Knopfzell-Batterie kann tödliche Folgen haben.
Im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße wird sofort gehandelt: „Die erste wichtige Sofortmaßnahme gegen Verätzungen ist die unmittelbare Gabe von Sucralfat oder Honig“, erklärt Professor Dr. Jost Kaufmann, Leitender Arzt der Endoskopie am Kinderkrankenhaus. Denn: „Das Verschlucken kann tödliche Folgen haben“, so Kaufmann. Verletzungen oder gar Todesfälle durch das Verschlucken solcher Knopfbatterien werden weltweit immer häufiger - auch weil der Batterietyp immer mehr und mit größerer Energieleistung verwendet wird.

Professor Dr. Jost Kaufmann, Leitender Arzt der Endoskopie am Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße
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Im städtischen Kinderkrankenhaus gibt es laut Kaufmann im Jahr rund zehn Fälle von verschluckten Batterien, die schwerwiegende Folgen für die Kinder haben. Wie in dem Fall des dreijährigen Mädchens aus Kestert, der sich bereits im Februar 2024 ereignet hat. „Zuerst hat sie gespielt und gelacht, aber dann hat sich ihr Zustand verschlechtert. Sie kam auf die Intensivstation“, erinnert sich der Vater. Denn das ist das Tückische: In den Schleimhäuten der Speiseröhre verursachen die kleinen Knopfzell-Batterien einen Kurzschluss und eine chemische Reaktion des Speichels mit dem Strom führt zu schwersten Verätzungen. Vor allem, wenn ein Blutgefäß in der Nähe ist, kann dies in den nächsten Tagen lebensgefährlich werden.
Operation wurde noch nie zuvor durchgeführt
Nach dem Verschlucken muss die Batterie so schnell wie möglich entfernt werden - doch auch im Anschluss können die Verätzungen dazu führen, dass ein Kind innerlich verblutet. Durch MRT-Untersuchungen kann überprüft werden, ob lebenswichtige Arterien bedroht sind. In dem Fall des dreijährigen Mädchens in Köln konnte nur eine lebensrettende Operation das Verbluten verhindern. Eine Operation, die nie zuvor gemacht wurde. „Wir haben den Ärzten vertraut“, erinnert sich der Vater des Mädchens. „Ohne diese Operation wäre sie gestorben.“
Professor Kaufmann und ein interdisziplinäres Team berieten sich und operierten das Mädchen: Zwischen die entzündete Speiseröhre und die Hauptschlagader der Patientin legten sie eine Barriere aus einem Stückchen Schweineherzbeutel und einem Blutstillungsschwämmchen. In Fachartikeln wurde bereits vielfach diskutiert, so etwas zu tun, aber in Köln wurde eine solche OP weltweit erstmalig tatsächlich durchgeführt.
Vater ruft Petition ins Leben
Nach drei Tagen im Krankenhaus konnte das Mädchen nach Hause entlassen werden. Spätfolgen gibt es nicht. „Ich bin den Ärzten unendlich dankbar, sie haben das Leben meiner Tochter gerettet“, sagt der 31-jährige Vater. Er ist niemand, der so etwas auf sich beruhen lässt. „Zwei Wochen später ist in Bamberg ein Mädchen gestorben, weil ein Arzt ihr Wasser gegeben hat, nachdem sie eine Knopfbatterie geschluckt hat. Da wusste ich, dass ich etwas tun muss.“ Er schrieb hunderte E-Mails an Ärzte, Krankenhäuser und Kindergärten in seiner Region, klärte auf über Sofortmaßnahmen wie die Gabe von Honig. Und er startete eine Petition im Deutschen Bundestag, die fordert, dass Knopfzell-Batterien mit einer bitter schmeckenden Folie überzogen werden, damit sie nicht mit Süßigkeiten verwechselt werden. „Das kostet die Firmen nur wenige Cents pro Batterie, aber bisher hat nur eine große Marke diese Kindersicherung umgesetzt.“
Der Fall und die Details zu der lebensrettenden OP wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Die Anaesthesiologie“ international veröffentlicht. Auch die Leitlinie zu diesen Notfällen wurde unter der Leitung von Professor Kaufmann gemeinsam mit zehn Fachgesellschaften aktualisiert. Dazu gehört die unmittelbare Gabe von Sucralfat oder Honig, um die Folgen der Verätzung zu reduzieren, sowie die MRT-Untersuchung, die nach derartigen Fällen nun endlich klar empfohlen wird. Als mögliche Konsequenz wird jetzt auch klar zu einer präventiven Operation geraten - die bereits einmal in Köln ein Leben gerettet hat und hoffentlich noch vielen weiteren Kindern das Leben rettet.