Die Zahl der Neugeborenen fällt auf den tiefstem Stand seit 2010. Ein Experte sieht die Häufung von Krisen als Grund dafür.
Geburtenrate 2023Weniger Babys in Köln geboren – Experte nennt Gründe
Der Geburtenrückgang in Köln hat sich im vergangenen Jahr weiter fortgesetzt. Mit Ausnahme der Uniklinik wurden in allen Kölner Geburtskliniken weniger Kinder geboren. Nach Rundschau-Recherchen kamen 2023 in den acht Kliniken insgesamt 11.852 Babys zur Welt. Das waren 548 weniger als 2022 (minus 4,4 Prozent). 2021 hatte es mit 13.997 Neugeborenen noch ein Plus von fünf Prozent gegeben.
Mit 2181 Babys verzeichnete die Uniklinik voriges Jahr 3,1 Prozent mehr Neugeborene und blieb geburtenstärkste Klinik in Köln. Auf Platz zwei folgt mit 1891 Babys das Severinsklösterchen (siehe Info-Text). Während Klinikgeburten abnahmen, gab es in den Geburtshäusern leichte Zuwächse. Das Geburtshaus Ehrenfeld brachte 205 Kinder auf die Welt, das Geburtshaus Lindenthal 187 Kinder.
In den Kölner Kliniken werden auch viele Kinder aus dem Umland geboren. Betrachtet man nur die Neugeborenen, deren Eltern in Köln leben, lag die Zahl der Geburten 2023 auf dem tiefsten Stand seit 2010 (siehe Grafik). Nach Schätzungen des Statistischen Landesamts IT NRW wurden voriges Jahr 9790 kleine Kölnerinnen und Kölner geboren.
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Womöglich waren es sogar noch weniger. Wie die Stadt auf Nachfrage mitteilte, wurden voriges Jahr in Köln 12 597 Neugeborene beurkundet. Davon hatte in 3847 Fällen die Mutter ihren Meldewohnsitz außerhalb Kölns, und damit mutmaßlich auch das Baby. Demnach wären nur rund 8640 Neugeborene mit Wohnsitz Köln registriert worden. Die endgültigen Zahlen veröffentlicht die Stadt im Frühjahr.
Warum die Menschen weniger Kinder bekommen
Der Geburtenrückgang in Köln entspricht einem allgemeinen Trend. In NRW ging die Zahl der Neugeborenen 2023 im Schnitt um 5,0 Prozent zurück. Bundesweit stellten die Statistiker nach vorläufigen Zahlen einen Rückgang um 7,4 Prozent fest. Doch was sind die Gründe dafür, dass die Menschen weniger Kinder bekommen?
„Zunächst muss man wissen, dass die Geburtenzahlen in Westdeutschland ab Mitte der 70er-Jahre vier Jahrzehnte lang auf einem sehr niedrigen Niveau lagen. Damals hatten wir eine Geburtenrate von durchschnittlich rund 1,3 bis 1,4 Kindern pro Frau“, erläutert Martin Bujard, Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden. Durch familienpolitische Maßnahmen wie den Ausbau der Kinderbetreuung, Elterngeld sowie durch Effekte der Zuwanderung habe sich die Geburtenrate um die Mitte der 2010er-Jahre auf 1,5 bis 1,6 erhöht. „Damit lagen wir in Europa wieder im Mittelfeld. Das hat in Ländern mit geringen Geburtenraten wie Japan oder Südkorea großes Interesse ausgelöst. Man wollte wissen, wie Deutschland es geschafft hat, dass die Geburtenrate wieder steigt“, so Bujard.
Corona als Faktor für Rückgang
Dann kam Corona. Die Pandemie habe schon 2021 etwa in Südeuropa oder den USA zu einem Rückgang der Geburten geführt. „In Deutschland war das nicht der Fall, sondern wir haben 2021 sogar einen Mini-Babyboom erlebt. Wir führen das auf einen verstärkten Rückzug ins Private während des Lockdowns zurück“, erklärt der Experte. Die Menschen hätten wieder mehr Wert darauf gelegt, wie wichtig Familie für sie ist.
„Im Januar 2022 sind die Geburtenraten dann abrupt und drastisch eingebrochen. Das war nicht nur in Deutschland so, sondern in vielen europäischen Ländern“, so Bujard. Den Grund sieht er in der Corona-Impfung. Die sei anfangs für Schwangere noch nicht zugelassen gewesen. Deshalb hätten viele Frauen ihren Kinderwunsch aufgeschoben. Nachdem Corona seinen Schrecken verloren hatte und sich auch Schwangere impfen lassen konnten, habe es andere Krisen gegeben, die Paare veranlasst hätten, zunächst auf eine Schwangerschaft zu verzichten.
„Ob Krieg in der Ukraine, Energie-Knappheit, Inflation, wirtschaftliche Unsicherheit, Wohnungsnot oder Klimawandel. Das sind alles mögliche Faktoren, die Menschen verunsichern können. Und das kann sich auf die Geburtenrate auswirken“, betont Bujard. Man wisse nicht, ob der Kinderwunsch nachgeholt werde oder dauerhaft wegfalle.
Und was kann die Politik tun? „Erstens: Kinderbetreuung verbessern. Die Situation für Eltern ist durch den Personalmangel schwieriger geworden, zugleich ist die Nachfrage durch die Zuwanderung gestiegen. Hier muss die Politik verlässliche Angebote schaffen, zum Beispiel durch bessere Bezahlung. Zweitens brauchen wir mehr bezahlbaren Wohnraum für Familien.“
Klösterchen: Rund 95.000 Babys seit 1923
Die einzige Geburtsklinik innerhalb der alten Kölner Stadtmauern ist das Krankenhaus der Augustinerinnen, genannt Severinsklösterchen. Es befindet sich in der Jakobstraße 27-31 in der Südstadt. Die 1923 gegründete Institution feierte im vergangenen Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Die Klinikleitung schätzt, dass in diesen hundert Jahren rund 95.000 kleine Kölnerinnen und Kölner im Klösterchen geboren wurden.
Auf Anfrage der Rundschau hieß es: „Da bei einem Brand die Geburtenbücher aus 19 Jahren vernichtet wurden, beruht die Angabe für diese 19 der 100 Jahre auf Hochrechnungen.“ Dass man so vielen Kinder auf die Welt habe helfen dürfen, zeige, „welche Tradition es für Kölnerinnen hat, ihre Kinder im Severinsklösterchen zur Welt zu bringen“, erklärte Prof. Dr. Jan Schmolling, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. „Das ist für uns eine große Ehre, der wir mit einer stetigen Weiterentwicklung im Sinne von Eltern und Kindern gerecht werden.“ (fu)
Beliebte Namen für Kinder
Der Mädchenname Mila war 2023 für neugeborene Kölnerinnen am beliebtesten, er wurde 88-mal vergeben. Auf Platz zwei rangierte Emma (78-mal), während die bisherige Nummer eins, Marie (75-mal), nun auf Platz drei liegt. Es folgen Emilia (62) und Mia (61). Bei den Jungs konnte Spitzenreiter Noah seine Position ein weiteres Mal verteidigen. Diesen Namen wählten Eltern 91 Mal (Vorjahr: 93). An zweiter Stelle steht Leo (81). Denn dritten Platz behauptete Leon mit 69 (Vorjahr: 79). (fu)