Köln – Als klar war, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar im November und Dezember über die Bühne gehen würde, schossen vielen direkt ganz ungewohnte Bilder in den Kopf. Vom Public Viewing im dicken Mantel auf dem Weihnachtsmarkt, dazu ein Glühwein in der Hand und in der Nase der Duft von gebrannten Mandeln. Bilder wie diese wird es in Köln in diesem Jahr vermutlich aber nicht geben.
„Weihnachtsmarkt und Fußball – das passt von der Atmosphäre überhaupt nicht zusammen“, sagt etwa Rodney Ranz, Veranstalter des Heinzel-Weihnachtsmarkts auf dem Heumarkt. Auch ohne die menschenrechtliche Situation in Katar wäre dies kein Thema gewesen. „Sicherlich wird es Abende geben, an denen einige lieber Fußball gucken werden als den Weihnachtsmarkt zu besuchen“, sagt Ranz. „Aber die können ja auch vor oder nach dem Spiel noch kommen.“
Noch keine Anträge
Wer sich die Spiele außerhalb des eigenen Wohnzimmers anschauen will, wird dafür ganz sicher nicht so viele Möglichkeiten haben wie bei normalen Fußball-Großturnieren im Sommer. Die Gastronomie steckt angesichts der umstrittenen WM im Wüstenstaat in einem Dilemma. Grundsätzlich würden alle die Spiele gerne zeigen. Doch der politische Aspekt ist neu.
Unterschiedliche Meinungen auch in der Gastronomie
Bereits im Sommer hatten sich neben der Brauerei zur Malzmühle auch andere Kölner Gastronomen klar gegen eine Übertragung der WM-Spiele ausgesprochen. Die Südstadt-Kultkneipe „Lotta“ veranstaltet zwei Tage nach Turnierbeginn sogar eine Lesung zum Thema WM-Boykott. Mittlerweile gibt es aber auch Gastronomen, die sich dazu entschieden haben, die Partien zu übertragen.„Wir zeigen es“, sagt Detlef Weisweiler, Chef der Ubierschänke in der Südstadt. „Keiner hat so richtig Bock auf diese WM.“ Aber das könne sich noch ändern bist zum Turnierstart im November. Letztlich geben wir den Interessen unserer Kunden nach“, sagt Weisweiler. Er werde aber keine Heizstrahler aufstellen und Glühwein ausschenken, um die Bilder draußen vor der Tür zu zeigen. „Ich habe auch zuhause keine Heizung an, wenn es zu wenig Gas gibt, müssen wir alle sparen.“ Ein wirtschaftlicher Erfolg werde die Winter-WM sicher nicht für die Gastronomie.Auch Daniel Rabe, Betreiber der Bagatelle-Bar in der Südstadt und Mitglied der IG Gastro, tendiert inzwischen „eher“ dazu, die Spiele zu zeigen. Natürlich sei man gegen eine WM in Katar. „Aber wir haben auch schon Olympia in China geschaut“. Damals seien Reporter durchs Land gefahren und hätten sehr kritisch berichtet, das werde hoffentlich wieder so sein. In der Gastro-Szene gebe es viele, die ihre kritische Haltung zum Ausdruck bringen wollen, aber es seien eben auch sehr schwierige Zeiten, und Einnahmen dringend notwendig. Andere Wirte lassen sich die Entscheidung noch offen.Ob Hansi Flicks Elf im „Gaffel am Dom“ zu sehen sein wird, ist ebenfalls noch nicht entschieden. Klar ist aber, dass es seitens der Brauerei keine Aktionen zur WM geben wird, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Rundschau mit. „Wie die Kneipen mit Gaffel im Ausschank verfahren, entscheiden die Gastronomen selbst.“ (mft/sim)
Nun stehen die Wirte vor der Entscheidung: Die WM als Protest gegen Menschenrechtsverletzungen boykottieren oder die möglichen zusätzliche Umsätze mitnehmen – in einer Zeit, in der die Nachfrage nach Weihnachtsfeiern in der Gastronomie noch deutlich geringer sind als vor der Pandemie. Zuletzt hatte mit der traditionsreichen Brauerei „Malzmühle“ ein prominenter Gastro-Vertreter ihren WM-Boykott angekündigt (siehe Infobox).
„Stadt Köln plant kein Public Viewing“
Völlig offen ist aktuell noch, ob und in welcher Form größere Public-Viewing-Veranstaltungen das Turnier begleiten. In Frankreich haben sich zuletzt mehrere Großstädte gegen ein Public Viewing entschieden. „Die Stadt Köln plant kein Public Viewing oder anderweitige Veranstaltungen anlässlich der Fußball-WM 2022“, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit. Auch lägen ihr bislang keine Anträge für genehmigungspflichtige Veranstaltungen in einem abgegrenzten Bereich mit Zugangskontrolle und Glasverbot vor.
Noch sind allerdings anderthalb Monate Zeit bis zum Turnierauftakt. „Wir sind ganz grob in der Planung“, sagt etwa Josef Rayes, Betreiber des Biergartens am Aachener Weiher. Bei den Sommer-Weltmeisterschaften sind seine Public-Viewing-Veranstaltung am Aachener Weiher traditionell einer der größten Anziehungspunkte für Fußball-Fans. Auch in diesem Jahr würde er trotz deutlich kühlerer Temperaturen gerne etwas anbieten. Auch unter freiem Himmel könne dabei eine schöne Atmosphäre entstehen, ist er sich sicher.
Doch WM-Partys wie gewohnt?
Natürlich, sagt Rayes, sei es nicht richtig, dass Katar die WM ausrichtet. „Aber es geht um den Fußball und darum, unser Team anzufeuern. Das ist doch auch etwas Schönes für die Menschen.“ Interessant seien vor allem die Spiele am Wochenende.
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Könnte es also doch WM-Partys wie gewohnt geben? Nur eben mit Schal und Mütze? An einem verfügbaren Ort werde das Public Viewing jedenfalls nicht scheitern, stellt Konzertveranstalter Micki Pick klar. Bei der WM 2014, dem letzten deutschen Triumph, hatte er ein „Rudelgucken“ am Pumpwerk an der Schönhauser Straße veranstaltet, zuletzt bei der EM 2021 im Open-Air-Kino im Rheinauhafen.“ Generell wären wir die Ersten, die dabei sind“, sagt Pick. „Wir gucken alle gerne Fußball, aber bei der menschenrechtlichen Situation in Katar müssen wir überlegen, ob wir das mittragen können oder nicht.“ Derzeit befinde man sich noch in der Findungsphase. Ende Oktober soll eine Entscheidung stehen. „Es ist kompliziert“, sagt Pick.
Auf die große Leinwand hat in früheren Zeiten auch Stefan Löcher, Chef der Lanxess-Arena gesetzt. „Es ist derzeit gar nichts in diese Richtung geplant“, sagt er. „Es passt aus vielen Gründen nicht zusammen. Wir sind zudem sehr gut gebucht zu dieser Zeit.“ Außerdem rechnet er nicht damit, dass wie üblich Massen die Spiele sehen wollen. Das könne sich aber ändern – je nach Turnierverlauf.