Mehr als 16 Millionen Euro für Corona-Tests, die gar nicht gemacht wurden - weil es auch gar kein Testzentrum gab. Dieser mutmaßliche Betrugsfall in Köln zeigt auf, wie Kriminelle die deutsche Corona-Politik ausgenutzt haben.
Mehrere FestnahmenGrößter Schlag gegen Corona-Test-Betrüger in Köln gelungen

Corona-Antigen-Schnelltests.
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Den Kölner Strafverfolgungsbehörden ist vermutlich der bisher größte Schlag gegen bandenmäßig organisierte Corona-Test-Betrüger in Köln gelungen. Dies teilten der Kölner Kriminalpolizeichef Michael Esser und der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer der Öffentlichkeit am Dienstag mit. Dabei stellten sie die gute Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Justiz der EU-Kommission (GD Just) und den italienischen Behörden auf Sizilien heraus.
Der mutmaßliche Haupttäter, ein 31-jähriger aus Italien stammender Kölner, wurde am Dienstag im sizilianischen Licata durch die italienische Polizei festgenommen, drei weitere Tatverdächtige mit Kölner Wohnsitz (34, 42 und 46 Jahre) sind am Dienstag der Polizei in Köln ins Netz gegangen. Die Männer werden beschuldigt, staatliche Gelder in zweistelliger Millionenhöhe über fingierte Corona-Testzentren in betrügerischer Absicht illegal abgeschöpft zu haben. Alle befinden sich derzeit in Untersuchungshaft, so Oberstaatsanwalt Bremer. Den Festgenommenen drohen Haftstrafen von einem bis zu zehn Jahren.
Wie ist die Bande mutmaßlich vorgegangen?
„Es ist verblüffend, mit wie wenig Aufwand so viel Geld beiseite geschafft werden konnte“, stellte Kriminalpolizeichef Esser heraus. „Wir reden hier über insgesamt rund 185.000 fingierte Antigen-Schnelltests, das wären für den betreffenden Zeitraum umgerechnet 6500 Tests am Tag gewesen, sprich 4,6 pro Minute, wenn diese Tests denn real durchgeführt worden wären.“ Zahlen, die gar nicht möglich seien, zeigte sich Esser durchaus verblüfft.
Nach jetzigem Ermittlungsstand verwendete die Bande für ihren Betrug ein gefälschtes städtisches Formular, mit dem sie die staatlichen Gelder über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein anforderten. Die notwendigen Testzentrennummern seien real gewesen, berichtet Esser. Wie die Bande an die Nummern gelangt sei, werde noch ermittelt. Möglich sei aber, dass sie einfach von Testergebnis-Schreiben kopiert wurden, so der Polizeichef weiter. Mit den Nummern haben sich die Tatverdächtigen Zugang zum Online-Portal der KV Nordrhein verschafft und haben insgesamt neun Konten hinterlegt, die Helfer zuvor in Kölner Banken eingerichtet hatten. Auch gegen diese Helfer wird ermittelt. Ihr Aufenthaltsort wird auf Sizilien vermutet.
Die vermeintlichen Testzentren, die die Bande bei der KV Nordrhein angegeben habe, seien in Wahrheit lediglich Briefkästen gewesen, so Esser, die sich in Kölner Wohnhäusern oder im Haus eines Eiscafés in Köln-Porz befanden, an die auch die Postzustellungen der Kassenärztlichen Vereinigung eingegangen waren. Es gebe keinen Generalverdacht gegen die dortigen Hausbewohner, aber es werde nun ermittelt, ob es dort Mitwisser und Helfer gab, äußerte der Kriminalpolizeichef bei der gestrigen Pressekonferenz in Köln.
Wie groß ist der entstandene Schaden?
Nach jetzigem Kenntnisstand, so Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer, habe die betrügerische Bande um die am Dienstag festgenommenen Tatverdächtigen mehr als 21 Millionen Euro illegal bei der KV Nordrhein beantragt. Ausgezahlt wurden etwa 16,5 Millionen Euro. Im Frühjahr dieses Jahres wurden aufgrund der Ermittlung gegen die Bande bereits rund sechs Millionen Euro sichergestellt. Damit fehlen noch mehr als zehn Millionen Euro, die bisher noch nicht auffindbar seien.
Mutmaßlich ist das Geld vor allem auf Konten von Baufirmen überwiesen worden. Nähere Angaben können dazu, Stand jetzt, noch nicht mitgeteilt werden, so Bremer.
Wie wurde die Täterbande aufgespürt?
Die entscheidenden Hinweise zum Aufspüren der Betrügerbande kamen über Geldwäsche-Anzeigen seitens Banken, die aufgrund von Millionenüberweisungen auf mehrere Konten Verdacht geschöpft hatten und daraufhin die Polizei informierten, so Kripochef Michael Esser. Unter der Leitung von Dirk Schuster, zuständig für die Kriminalinspektion für organisierte Kriminalität in Köln, wurden die weiteren Ermittlungen gegen die Kontoinhaber und deren Hintermänner aufgenommen.
Wie gehen die Ermittlungen weiter?
Neben den vier Festnahmen wurden am Dienstag weitere Durchsuchungen bei mehr als 20 verdächtigen Personen in Köln, Hürth, Bergisch Gladbach und weiteren Städten in NRW vorgenommen, so Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Die Beweislage gegen die Festgenommenen und weiteren Beschuldigten habe sich laut Bremer nach den Durchsuchungen erhärtet. Ziel sei es, den noch fehlenden, wahrscheinlich zweistelligen Millionenbetrag aufzufinden.
Gegen betroffene Behörden und Körperschaften, speziell gegen Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, werde aktuell nicht ermittelt. „Es gibt zur Zeit keine Anhaltspunkte, dass dort Pflichtverletzungen verübt wurden“, so Bremer. Sie seien vielmehr nach jetzigem Stand Opfer eines gefälschten Formulars gewesen.