Fast vergessene BerufeDer leise Tod der Sarghersteller

Erich Allescher bei der Arbeit.
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Köln – Es ist das Schicksal von Erich Allescher: Wird in Köln viel gestorben, geht es in seinem Betrieb besonders lebendig zu. Erich Allescher betreibt die letzte Sargfabrik Kölns. Ein sterbendes Gewerbe – zumindest in Deutschland.
Wenn ein „echter Kölscher“ in einem kölschen Sarg unter kölscher Erde seine letzte Ruhestätte finden will, dann kommt er an der Braun Sargfabrik nicht vorbei. Es gibt keine Alternative mehr. Erich Allescher muss nicht lange nachdenken, wann sein letzter Konkurrent die Segel gestrichen hat. „Es war im Dezember 2014“, sagt er. Und Allescher räumt es freimütig ein: Auch er spüre den Atem osteuropäischer Sargbauer im Nacken, während ihm deutsche Politiker einen Schlag in die Magengrube verpassen würden. „Dem Preisdumping – unterstützt durch Subventionen der EU – versuche ich mich mit Qualitätsarbeit entgegenzustemmen.“ Allerdings, die Kunden seien gerade bei Särgen für Qualitätsarbeit immer weniger zu sensibilisieren, weil das Sterbegeld von der Bundesregierung gekürzt und die Friedhofsgebühren von der Stadt erhöht worden seien.
Zwei Drittel des Geschäftes fließen nach Osteuropa
In seiner Linken hält der Kölner Sargbauer eine Mitteilung des Verbandes der deutschen Zuliefererindustrie für das Bestattungsgewerbe. Dort werden Beispiele genannt, wonach die Modernisierung osteuropäischer Sargfabriken mit einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt worden seien. In der Rechten hält er die aktuelle Friedhofsgebührensatzung der Stadt Köln. Mit Kugelschreiber hat er hinter die Zahlen fein säuberlich die prozentuale Preissteigerung in den vergangenen zehn Jahren notiert. Wahlgrabstätte: 30,8 Prozent. „Also wird an anderer Stelle gespart“, sagt Allescher. Nicht selten beim Sarg. Zwei Drittel des Geschäftes in Deutschland fließe bereits nach Osteuropa ab.
Dagegen arbeiten in der Sargfabrik Braun drei Männer an. Erich Allescher und seine zwei Mitarbeiter. Es waren mal 13. Die Werkstatt ist erfüllt von dem Duft frisch geschnittenen Holzes. Draußen, vor der Tür, lagert es unter einem Vordach. „Kiefer ist der Klassiker in Deutschland“, sagt der Sargbauer. Zwölf Prozent sind Eichensärge. Die Pappel kommt auf. „Mein Holz kommt fast ausschließlich aus der Region.“ Bergisches Land, Königsforst und Eifel.
Individuelle Anfertigungen für den Verstorbenen
In einem Vorraum werden die Bretter zurechtgeschnitten. Um hohe Heizkosten muss sich der Unternehmer bei allen wirtschaftlichen Problemen keine Gedanken machen. „Bei uns ist immer gut geheizt“, sagt Allescher. Das Brennmaterial sind bei ihm Hobelspäne aus eigener Produktion.
Aus dem Nebenraum sind „Schüsse“ zu hören. Klammern werden ins Holz geschossen. Särge werden nicht genagelt, sie werden geklammert. Deckel und Unterkasten nehmen Formen an. Sie sind an der gegenüberliegenden Wand aufgereiht, sortiert nach Holzart und Modell. „Normal ist bei einer Länge von 2,05 Meter Schluss“, sagt Allescher. „Aber alles ist möglich, auch 2,25 Meter ist vorrätig.“ Individuelle Anfertigung kann angefragt werden. Er hat mal einen Auftrag bekommen für einen 350 Kilo schweren Mann. Der Sarg hatte eine Breite von 1,20 Metern.
Hektische Tage in einer Sargfabrik
Der vergangene Februar war beispielsweise so ein Monat, in der es in Kölns letzter Sargfabrik hektisch wurde. Es gibt Tage, da scheint der Tod ein Fest zu feiern. „25 Särge am Tag wurden bestellt“, sagt Allescher. Um so etwas mit seiner kleinen Mannschaft stemmen zu können, wird in der Sargfabrik Braun auf Vorrat gearbeitet. Die Särge lagern im Kellergewölbe.
Über Preise will der Unternehmer nicht reden. Zwischen ihm und dem Kunden sei eh der Bestatter zwischengeschaltet. Allescher schreitet durch die Reihen seiner Modelle. Fix und fertig stehen sie hier. Ausgeschlagen mit Ölpapier, Leinen oder Seide. Gefüttert mit Kieferdaunen – also Spänen. Vorne stehen die Preiswerten, der Dacca unter den Särgen. Die Kampfansage an Osteuropa. Ganz hinten der Bugatti. Mahagoni. Massiv. Beschläge und Griffe aus Metall.
Direkten Kontakt zu den Angehörigen der Verstorbenen hat Erich Allescher selten. Alles läuft über den Bestatter. Aber wenn ein „Bugatti“ raus geht, dann handelt es sich nicht selten um einen Prominenten – und dann erfährt er es auch, um wen es sich handelt. Namen? Allescher winkt ab. Berufsethos. Nur so viel: Es waren viele „echte Kölsche“ darunter.