8100 DelikteKölner Polizei gründet eigene Ermittlungsgruppe für Fahrraddiebstähle
Köln – Ein wenig neidisch blickt Hans-Peter Gondorf nach Münster. Dort können die Menschen ihr Fahrrad online in einer „Halterdatei“ registrieren. „Zwei Verwaltungsangestellte betreuen eigens die Datei und vermerken Halterwechsel“, weiß Gondorf.
Die Registrierung erhöht für Diebe das Entdeckungsrisiko. Gondorf muss auf andere Methoden vertrauen. Er ist Leiter der im April gegründeten „Ermittlungsgruppe Fahrrad“ der Kölner Polizei.
Voriges Jahr wurden 8100 Fahrraddiebstähle in der Stadt angezeigt, die Aufklärungsquote stagniert bei rund sechs Prozent. Der Versicherungsschaden lag 2016 in Deutschland bei rund 120 Millionen Euro. „Die Zahlen drücken“, sagt Gondorf. Tatsächlich dürfte es weit mehr Diebstähle geben, „die Dunkelziffer ist hoch“, vermutet der EG-Leiter.
Viele Menschen verzichten auf eine Strafanzeige. In der Großstadt scheinen Fahrraddiebstähle als eine Art Naturphänomen wahrgenommen zu werden, ähnlich wie Mückenstiche. Sie sind ärgerlich, treffen jeden – aber nach ein paar Tagen jucken sie keinen mehr.
Große Kontrollaktion in Ehrenfeld
Nun will die Polizei gegensteuern, ähnlich wie beim Taschendiebstahl und bei den Wohnungseinbrüchen. Sechs Beamte gehören zur Ermittlungsgruppe. Sie beschäftigen sich nur mit solchen Diebstählen, bei denen es Ermittlungsansätze gibt, also Hinweise auf Tatverdächtige oder Aufnahmen von Überwachungskameras. Etwa 600 Fälle sind dies derzeit. „Ich verspreche mir durch die neue Ermittlungsgruppe vor allem Erfolge gegen organisierte Tätergruppen“, beschreibt Kripochef Klaus-Stephan Becker die Erwartungshaltung.
Es ist kein Zufall, dass die Ermittlungsgruppe in der Inspektion Ehrenfeld auf der Venloer Straße beheimatet ist. In diesem Stadtbezirk ereignen sich verlässlich die meisten Diebstähle.
Neulich hatten die Fahnder eine Kontrollstelle aufgebaut und mit Kollegen der Einsatzhundertschaft im großen Stil Radfahrer gestoppt und die Rahmennummern kontrolliert. „Die Reaktionen waren überaus positiv, denn die Menschen wirkten froh darüber, dass wir und um dieses Delikt kümmern“, erzählt Gondorf.
20 Fahrräder durch Internetverkauf wiedergefunden
Doch die Bekämpfung dieses Massendelikts ist mühsam wie eine Berg-Etappe. „Wir wollen Zusammenhänge erkennen. Aber es gibt wenige professionelle Täter und viele Brennpunkte. Das macht die Arbeit für uns schwierig“, weiß Gondorf. Und dann sind da die „Zech-Anschlussdelikte“, wie es im Polizeijargon heißt. Heißt: Wenn nachts die letzte Bahn weg ist, greifen Betrunkene schon mal rabiat zu schlecht gesicherten Rädern.
Manchmal hilft den Ermittlern auch die Hartnäckigkeit der Diebstahls-Opfer. Neulich entdeckte eine Frau ihr Rad in einer Handy-App mit Flohmarkt-Angeboten wieder. Sie ließ ihre Freundin Kontakt zum Anbieter aufnehmen und einen Kauftermin vereinbaren. Zur Übergabe des Rads am Neumarkt kam auch die Polizei und nahm den Verdächtigen (27) fest. In seiner Wohnung in Weiden entdeckten die Fahnder drei weitere gestohlene Räder. Etwa 20 solcher Schein-Käufe haben die Fahnder zuletzt abgewickelt.
Tipps zur Sicherung
Wie schütze ich mein Fahrrad vor Dieben ? Wie kann ich einzelne Fahrradteile wie Sattel, Vorder- und Hinterrad besser schützen? Welches Fahrradschloss bringt effektive Sicherheit?
Zu diesen und allen weiteren Fragen rund um das Thema „Fahrraddiebstahl“ beraten die Experten der Kölner Polizei heute von 14 bis 16 Uhr auf dem Rudolfplatz. (ta)
Die Beamten der EG Fahrrad haben in den ersten Wochen eine „Deliktsanalyse“ erstellt. Intensivtäter werden beschattet. Kleintransporter mit abgedunkelten Scheiben und vornehmlich osteuropäischen Kennzeichen kontrolliert. „Manchmal fahren Schrotthändler durch die Straßen und sammeln Räder ein“, sagt Gondorf. Am Kölnberg in Meschenich nahm die Polizei vor einiger Zeit eine Tätergruppe aus der Ukraine fest, die mehrere Junkies die Rad-Diebstähle begehen ließ. Auf einer ukrainischen Internet-Plattform wurden mehrere Hundert gestohlener Räder für 200 bis 900 Euro angeboten.
Polizei versucht es mit „Lock-Fahrrädern“
Von seinem Büro im dritten Stock der Ehrenfelder Wache blickt Hans-Peter Gondorf auf den Bahnhof-West. „Ein Moloch“, sagt der Hauptkommissar, denn rundherum stehen Hunderte Fahrräder, die wild an Laternen, Verkehrsschilder oder Poller gekettet sind. Neulich hat er im Gespräch mit dem Fahrradbeauftragten der Stadt von videoüberwachten Fahrradparkhäusern geschwärmt. Eine Zukunftsidee. In anderen Städten gibt es das schon.
Auf Initiative der EG Fahrrad hat die Polizei im Internet eine Fahndungsseite eingerichtet und Fotos von sichergestellten Fahrrädern veröffentlicht, die nicht als gestohlen gemeldet oder nicht registriert worden sind. Doch die Diebe haben es inzwischen nicht mehr nur auf Räder abgesehen, neuerdings werden auch die Batterien von teuren E-Bikes gestohlen. Die Akkus kosten mehrere Hundert Euro.
Um Diebe zu fassen, stellen die Fahnder mitunter auch „Lock-Fahrräder“ in der Stadt ab. Diese sind mit „Trackern“ ausgestattet und können per Smartphone-App geortet werden. „So kann letztlich jeder sein Fahrrad finden“, sagt Gondorf. Für die Beamten wäre es eine große Hilfe.