Experten im InterviewWas das Berliner Urteil zum „Mietendeckel“ für Köln bedeutet
Die Rundschau lud Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, und Franz-Xaver Corneth, Vorsitzender des Mietervereins, zum Austausch über die künftige Mietentwicklung in Köln ein.
Wie stehen Sie zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes?
Corneth: Ich habe den Mietendeckel nicht nur für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten, sondern auch für unsozial. Am Prenzlauer Berg waren die Menschen froh, dass sie Geld gespart haben, aber in Marzahn wurde damit kein einziges Problem gelöst. Es ist viel wichtiger, die bestehenden Instrumente anzuwenden, damit Wucher auch wieder als Wucher erkannt wird.
Tewes: Berlin war ein Scheitern mit Ansage. Das Verhalten des Senats war alles andere als sozial, weil man ja schon wusste, dass es verfassungsrechtlich schwierig ist. Man hat die Mieter ins offene Messer laufen lassen und muss jetzt viel Geld aufwenden, um die Härten abzufedern. Es gibt so viele Beispiele, dass ein Mietendeckel verheerende Wirkungen auf den Markt hat. Wer das nach Berlin nicht verstanden hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Thomas Tewes
ist Hauptgeschäftsführer beim Kölner Haus- und Grundbesitzerverein. Er beklagt die mangelnde Bautätigkeit in Köln – was seiner Meinung nach zum einen am politischen Willen, zum anderen aber auch an den langen Wegen innerhalb der Stadtverwaltung liegt. Er zweifelt stark am Vorhaben des Kölner Wohnbündnisses, jedes Jahr 6000 neue Wohnungen zu bauen. (two)
Braucht es mehr Reglementierungsinstrumente in öffentlicher Hand?
Corneth: Die Instrumente haben wir ja. Etwa die Kappungsgrenze, die auf fünf Jahre festgelegt werden sollte ohne Mieterhöhung. Abgesehen natürlich von den Dingen, die die Kommune beim Neubau vorantreiben muss. Beim letzten Mietspiegel sind die Mieten in manchen Bereichen um mehr als sechs Prozent gestiegen, das kann so nicht weitergehen.
Tewes: In einem einzigen Bereich. Das war sehr gute Wohnlage und besondere Ausstattung. Der Anstieg des Kölner Mietspiegels an sich ist äußerst gering .
Corneth: Dennoch sind wir in Köln bei den geförderten Wohnungen bei 6,8 Prozent angekommen, auch mittlere Einkommen müssen bis zu 40 Prozent des Einkommens für ihre Netto-Kaltmiete aufbringen.
Tewes: Um noch mal auf die Frage zurückzukommen: Es ist ja nicht so als hätten wir keine Instrumentarien. Der Wohnungsmarkt ist einer der am stärksten regulierten Märkte überhaupt. Es gibt genügend Werkzeuge, um den Mietenanstieg zu bremsen. Zu bremsen, nicht zu verhindern. Es ist ja die Frage, ob man das überhaupt will – weil alle anderen Kosten schließlich auch weiterlaufen.
Franz-Xaver Corneth
ist Vorsitzender des Kölner Mietervereins. Auch er fordert zügigen Neubau in Köln und beklagt den mangelnden Dialog zwischen Politik, Wohnungswirtschaft und Mieterverein. Den Berliner Mietendeckel hielt er von Vornherein für verfassungsrechtlich bedenklich und plädiert stattdessen dafür, die bereits bestehenden Regulierungsinstrumente effektiver einzusetzen. (two)
Dennoch gibt es immer wieder Diskussionen um ein schärferes Eingreifen.
Tewes: Der ganze Reglementierungs-Werkzeugkasten dient ja nicht der Bekämpfung der Ursachen, sondern allein der Symptome. Das ist übertragen gesagt ganz schlechte Medizin. Das geht nicht gut, den Patienten bekommen Sie so auch tot.
Corneth: Wir haben in den letzten Jahren 70 000 zusätzliche Einwohner gehabt und werden in den nächsten Jahren 100 000 Einwohner mehr haben. Deshalb muss mehr gebaut werden, insbesondere im geförderten Wohnungsbau. Die Stadt verhindert in diesem Bereich große Projekte, indem die Genehmigungen auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden.
Was das Wachstum der Stadt Köln in den nächsten Jahren angeht, gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten.
Tewes: In der Tat gibt es da zwei konkurrierende Prognosen. Die städtische, die die tiefsten Werte annimmt, und die von IT NRW, die auf deutlich mehr Zuzug kommt – statt 2000 nun 5000 neue Wohnungen. Wir sind uns einig, dass es nach Corona eher wieder 5000 werden. Ohne das, was wir in den letzten Jahren nicht gebaut haben.
Corneth: Zumal in den jetzigen, ganz aktuellen Berechnungen mit einer geringfügig abnehmenden Bevölkerung Erst- und Zweitwohnungen einbezogen sind, was zu Corona-Zeiten überhaupt keinen Sinn macht.
Es wird immer häufiger gefordert, mehr in die Höhe zu bauen. Ist das der künftige Weg?
Tewes: Mit der momentanen Ratspolitik werden wir auf keinen grünen Zweig kommen: Ein Null-Flächen-Wachstum verträgt sich nicht mit einer prosperierenden Stadt. Und Hochhäuser an sich machen einen marginalen Anteil am Wohnungsmarkt aus. Viel wichtiger wäre, generell nicht bei vier Geschossen zu enden, sondern auch mal Sieben- oder Achtgeschosser zuzulassen.
Corneth: Das hat tatsächlich eine Menge mit der neuen politischen Führung in der Stadt zu tun. Keine Flächen verbrauchen zu wollen ist geradezu blind. Kreuzfeld ist 30 Jahre lang geplant worden, da muss jetzt endlich auch mal gebaut werden. Das sind Flächen, die von der Bevölkerung auch akzeptiert werden. Man kann nicht völlig gegen die Bevölkerungsinteressen agieren. Wir brauchen 6000 Wohnungen im Jahr und davon 2000 geförderte. Nur dann kann man die jetzige Situation etwas entspannen und gleichzeitig Zuzug zulassen.
Tewes: Was auch ökologisch und ökonomisch gleichermaßen sinnvoll ist. Die Umlandgemeinden explodieren. Wer sich in Köln nicht mit Wohnungen versorgen kann, geht eben ins Umland – inklusive aller Pendlerströme, die daraus resultieren. Das hat mit Ökologie auch nicht mehr viel zu tun.
Also auch eine Abkehr vom Höhenkonzept in seiner jetzt diskutierten Form?
Innenstadt ist nicht innerhalb der Ringe. Es gibt Ehrenfeld, Nippes, so viele Stadtteile. Natürlich gibt es eine besondere Schutzbedürftigkeit angesichts der romanischen Kirchen und des Doms. Aber wir müssen das gesamte Stadtgebiet betrachten. Warum wird etwa in Wahn West direkt am Bahnhof nur dreieinhalb-geschossig gebaut? Warum ist man hier nicht etwas mehr in die Höhe gegangen?
Corneth: Keine Frage, das sehe ich genauso. Da gibt es zwischen uns keine Unterschiede in den Ansichten.
Ist Köln im Vergleich zu anderen Metropolen tatsächlich so weit hinten in seiner Bautätigkeit?
Corneth: Die führende Stadt in dieser Hinsicht ist in Deutschland sicher Hamburg. Die haben frühzeitig losgelegt, schon vor mehr als zehn Jahren. München hat viel weniger Fläche als Köln und gleichzeitig deutlich mehr Einwohner. Berlin kann man als Vergleich kaum heranziehen, da sind die Gegebenheiten einfach andere. Köln ist hintendran, was Bauen angeht. Hier wurde in der Vergangenheit schon nicht das gebaut, was nötig gewesen wäre. Die eigenen Ansprüche wurden nicht erreicht. Vor allem muss man heute auch städtebaulich ganz anders vorgehen und nachhaltig bauen.
Tewes: Wenn man den Vergleich zieht: Köln ist nicht da, wo Hamburg, München oder Berlin sind, was die Mieten angeht. Wir haben im Vergleich zu anderen Großstädten noch ein akzeptables Mietniveau. Das wollen wir auch beibehalten, insofern muss die Politik die Ärmel hochkrempeln und wirklich etwas tun und sich nicht nur an der Verteufelung des Autos abarbeiten. Wir haben über 300 000 Pendler pro Tag. Das wird sich nur ändern, wenn zuerst die Infrastruktur bereitgestellt wird und dann der Wohnraum, etwa durch den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs. Und wenn ich ehrlich bin, ich sehe im Moment nicht, wie in Köln 5000 oder mehr Wohnungen im Jahr gebaut werden sollen. Das wäre ein Wunder.
Corneth: Da sind wir im Übrigen wieder beim ökologischen Gesichtspunkt: Je mehr Wohnungen in Köln gebaut werden, umso weniger müssen die Menschen nach Köln ein- und auspendeln. Aber ich denke durchaus, dass es prinzipiell möglich ist, diese Anzahl zu erreichen. Viele Flächen sind ja ausgewiesen und lange vorhanden. Das bekäme unsere Bauindustrie schon hin – aber es müsste gewollt sein.
Die Skepsis gegenüber dem Ziel des Wohnbündnisses, 6000 Wohnungen im Jahr bauen zu wollen, klingt deutlich durch.
Tewes: Wie viele Wohneinheiten sind denn in Kreuzfeld geplant? 3500 oder 5000? Da hätte doch viel mehr hingepasst. Es gibt doch sogar schon eine S-Bahn, da sind doch auch die jetzt geplanten 5000 Wohnungen noch Klein-Klein, das reicht nicht mal für ein Jahr. Und das neue Ratsbündnis hat laut seinem Positionspapier ja auch gar nicht mehr vor, diese 6000 Wohnungen zu bauen.
Corneth: Im Grunde müsste es ja eine Verbindung geben zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem. In Köln gibt es diese Verbindung nicht. Das Soziale fällt hinten runter. Ein wirklicher Dialog zwischen Politik, Wohnungswirtschaft und Mieterverein findet zurzeit nicht statt. Wir bräuchten eine Stadtplanung, die mehr darauf abzielt, auch gesellschaftspolitische Probleme zu verhindern. Wir sind beide bereit, mit der Politik ins Gespräch zu gehen. Aber bisher gibt es von da kein Signal.
Was wäre Ihre Vision von Köln in den nächsten zehn Jahren?
Corneth: Ganz einfach. 6000 neue Wohnungen jedes Jahr, davon 2000 gefördert. Die Verwaltung sollte in die Lage versetzt werden, Bauanträge in sechs bis sieben Monaten zu genehmigen. Und die Stadt sollte sich bei Planungen ein Vorkaufsrecht einräumen, damit sie mehr eingreifen kann in die Art wie gebaut wird.
Tewes: Köln hat unwahrscheinlich viel Potenzial. Es ist Aufgabe von Politik und Verwaltung, die Stadt attraktiv und reizvoll zu machen. Und zwar nicht nur für eine Klientel, sondern für alle. Sowohl für Mieter, als auch für Investoren und Vermieter. Nur wenn es da einen gerechten Interessenausgleich gibt, geben die Menschen auch richtig Gas. Wenn sie nur auf Hindernisse stoßen, hat man irgendwann keine Lust mehr.