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Ex-„The Voice“-TeilnehmerMichael Caliman aus Holweide arbeitet wieder als Friseur

Lesezeit 7 Minuten

Musik ist für ihn ein emotionaler Zufluchtsort: Michael Caliman hat es 2016 bei „Voice of Germany“ bis ins Halbfinale geschafft.

Köln – Zum Interview erscheint er leicht verspätet, die Züge fuhren ab Wuppertal ungünstig. Michael Caliman bastelt dort an seinem mittlerweile vierten beruflichen Standbein – als Student für Mediendesign und Spanisch. Seine Haare heute: braun und leicht strubbelig.

Warum will jemand Friseur werden?

Ich bin der geborene Friseur! Meine Mutter erzählt, dass ich schon als Kind darauf stand.

Haben Sie Ihren Teddybären gescheitelt?

Modell stehen musste meine Mutter. Ich liebe Haare, Farben und Formen, und ich gestalte das gerne kreativ um.

Was ist denn das Tolle an Haaren?

Dass sie so vielfältig sind. Und dass sie so ein spannendes, formbares Accessoire sind. Die Haare kreieren den ganzen Typ, die ganze Person in ihrer Erscheinung. Wer mich kennt, weiß, wie ich selbst damit umgehe: heute grün, morgen rosa, übermorgen lang, danach kurz. Mit meinen Haaren drücke ich aus, wie ich drauf bin.

Und wenn Sie Ihnen ab nächstes Jahr ausfallen?

Habe ich mir schon überlegt: Im Endeffekt, werde ich mir dann sagen, sind es ja doch nur Haare. (lacht) Aber eigentlich verdränge ich solche Gedanken. Haarausfall wäre so, als wenn man mir meinen Kleiderschrank stehlen würde.

Bei Germany’s Next Top Model mit Heidi Klum ist das sogenannte Umstyling immer die beliebteste Folge. Die Frisuren der Teilnehmerinnen werden dabei oft dramatisch verändert. Kennen Sie das aus dem Friseursalon?

Ich finde es superschwer, wenn die Kundin sagt: Mach, was du möchtest. Für mich als Friseur ist das zwar reizvoll, aber ich frage dann lieber zunächst nach, wie weit ich gehen darf. Ich kann nicht einfach meine Persönlichkeit auf irgendeinen fremden Kopf übertragen.

Der Trend des letzten Jahres ging zum schlohweißen Schopf, oder täusche ich mich da?

Nein, das stimmt. Weiß gefärbt habe ich echt gern. Aber das ist extrem aufwendig und kann locker acht Stunden dauern. Und dann hält es nur ein paar Tage, nach dreimal waschen ist der Zauber vorbei.

Die klassische Alte-Damen-Dauerwelle hingegen stirbt langsam aus?

Habe ich in den drei Jahren, die ich nun als Friseur arbeite, nur dreimal gemacht. Eine der Kundinnen war meine eigene Oma. Es kommt auch kaum noch jemand zum Föhnen oder Legen.

Welche Kunden sind die nervigsten?

Die karierte Maiglöckchen wollen! Die sehen dann was in der Zeitung und denken, das ginge auch bei ihnen. Und dann am besten ruckzuck und für wenig Geld.

Im Internet stößt man auf diverse singende Friseure, allen voran Tim Toupet.

Kenne ich nicht. Aber Christian Barth, ein Friseurkollege von mir, ist Gitarrist bei den Rabaue.

Existiert eine geheime Verbindung zwischen Singen und Haareschneiden?

(lacht) Nein, ganz sicher nicht. Ich bin auch kein singender Friseur, das sind für mich getrennte Welten. In meiner Zeit bei The Voice musste ich permanent switchen, weil ich parallel zu den Aufzeichnungen der Shows weiter gearbeitet habe: zwei Wochen Friseur in Köln, zwei Wochen Sänger in Berlin. Und wieder zurück.

Trotz Ihrer großartigen Stimme haben Sie sich erst mit 26 getraut, öffentlich zu singen. Was war Musik vorher für Sie?

Ein Versteck, in dem ich tun konnte, was ich will.

Sie haben im Kleiderschrank Schmalzlieder gesungen?

So ähnlich, immer melancholische Balladen jedenfalls. Musik ist ein emotionaler Zufluchtsort, eine Welt ohne Vorurteile und Intoleranz, die nur mir gehört. Ich habe immer gezweifelt an dem, was ich da tat, und habe das auch nie jemandem vorgeführt. Das änderte sich erst ganz langsam, als ich 2014 in den Jugendchor St. Stephan eingetreten bin. Nach zwei Wochen hatte ich sogar schon ein Solo.

„The Voice“ ist vor allem eines: Show

Wie nervös waren Sie vor Ihren Auftritten bei The Voice?

Extrem, ich dachte immer, ich falle gleich einfach um. Es gibt ein Interview, das nie gezeigt wurde, da war ich gar nicht mehr ansprechbar. In den Wochen zuvor hatte ich so stark abgenommen, dass man mir für den Auftritt die Sachen noch mal enger nähen musste.

Aber wenn Sie dann loslegten?

 . . war ich im Tunnel, dann ging alles wie von selbst. Ich kann diesen Zustand noch immer nicht richtig beschreiben. Wenn ich endlich auf der Bühne stand, war das für mich wie ein Vulkanausbruch. Und wenn der Song endete, wusste ich überhaupt nicht, was da gerade passiert war.

Was war der größte Moment?

Der Anfang: 150 Vollblutmusiker und ich mittendrin, fast ohne Erfahrung, ohne einen einzigen eigenen Auftritt vorher. Zu diesen Talenten zu gehören, fand ich superspannend. Bei meiner Blind Audition wusste ich schließlich: Das ist das, was ich machen will, alles fühlt sich richtig an.

Ist diese Sendung ein echter Wettkampf oder eine Show?

Vor allem eine Show. Ich will gar nichts unterstellen und sage auch gern, dass es für mich eine großartige Zeit war. Aber man merkt doch schnell, dass man dort vor allem der Unterhaltung dient.

Zur Person

Michael Caliman wurde 1990 in Köln geboren. Bekannt wurde er als Teilnehmer der letztjährigen Ausgabe von The Voice of Germany, wo er bis ins Halbfinale vordrang.

Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung als Gestaltungstechnischer Assistent für Medien und Kommunikation. Er holte das Abitur nach und schloss eine Friseurlehre an. Als Friseur arbeitet er auch bis heute, studiert jedoch seit diesem Wintersemester auch Mediendesign und Spanisch in Wuppertal.

Michael Caliman wohnt in Holweide – ohne Fernseher.

www.facebook.com/micaminimi

Hatten Sie zwischenzeitlich das Gefühl, Sie werden hier auf keinen Fall zum Sieger gekürt?

Das nicht. Aber ich wusste irgendwann, dass ich das auch gar nicht möchte. Als Sieger wird man danach immer der von The Voice of Germany bleiben, und diesen Stempel wollte ich nicht.

Im Moment des Ausscheidens lächeln die Kandidaten immer etwas gequält und gratulieren den Übriggebliebenen. Wie fühlt man sich wirklich?

Bis zum Halbfinale war alles deutlich vorher aufgezeichnet worden, danach wird live gesendet. Als ich dafür nach Wochen wieder nach Berlin fuhr, habe ich gespürt, dass ich eigentlich gar nicht mehr innerlich dabei war. Der beste Ausdruck dafür war, dass ich meine beiden Glücksbringer vergessen hatte. Es war mir offenbar einfach nicht mehr wichtig.

Wie sind Sie mit dem Starrummel klargekommen?

Nicht nur bei meinem ersten Autogramm habe ich mich gefragt, was das eigentlich soll. Das war eine Welt, die ich mir gar nicht wirklich erarbeitet hatte. Man steigt aus dem Flieger und fährt in dicken Limousinen zum schicken Hotel: Alles ist sofort da, ohne dass man wirklich was dafür getan hat als Künstler.

Und nach dem Ausscheiden lassen dann die Klicks auf Youtube und die Kommentare auf Facebook schlagartig nach?

Ich habe innerhalb eines Monats 2500 Follower verloren. Anfangs dachte ich, Mann, du musst jetzt ganz schnell was posten und immer am Ball bleiben. Aber zum einen kamen keine Folgeangebote rein, zum anderen musste ich ja auch direkt wieder arbeiten, also: Haare schneiden.

Andy Warhol hat gesagt, jeder Mensch bekommt seine „Fifteen minutes of fame“. Hatten Sie die mit The Voice?

Es mag harsch klingen, aber Ruhm war das nicht. Die Teilnahme an dieser Show war ein großes Abenteuer für mich. Ich will niemandem die Illusion nehmen, aber für mich war es mehr schöner Schein als echter Ruhm.

Sie haben gerade zu studieren begonnen – nach zwei Ausbildungen und der Voice-Erfahrung. Versuchen Sie dennoch weiterhin, professioneller Sänger zu werden?

Auf jeden Fall. Zunächst dachte ich daran, eine Band zusammenzustellen. Aber da gehen viele Monate für drauf. Plötzlich fiel dann ein Produzent aus dem Universum, der mit mir arbeiten möchte und ganz tolle Ideen hat. Die Songs existieren bereits – spannende Lieder und schöne Texte, mit denen sich jeder identifizieren kann. Alles so, als hätte das auf mich gewartet. Aber da ist noch nichts in trockenen Tüchern. Man weiß nie, wo einen das Leben hinführt.